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Eugen Ruges Debutroman

10. Oktober 2011

Eugen Ruge war bis vor kurzem nahezu unbekannt. Für sein Romandebut hat er nun den Deutschen Buchpreis erhalten. Eine autobiografische Familiengeschichte, die auf 40 Jahre DDR zurückblickt.

Der Schriftsteller Eugen Ruge (Foto: Tobias Bohm)
Eugen RugeBild: Tobias Bohm

Jahrelang hat Eugen Ruge an seiner DDR-Familiensaga "In Zeiten des abnehmenden Lichts" gearbeitet. Am Montagabend (10.10.2011) erhielt er dafür den Deutschen Buchpreis 2011. In seinem Debütroman gelinge es dem 57-Jährigen, "die Erfahrungen von vier Generationen über 50 Jahre hinweg in einer dramaturgisch raffinierten Komposition zu bändigen", urteilte die Jury. Sein Buch erzähle "von der Utopie des Sozialismus, dem Preis, den sie dem Einzelnen abverlangt und ihrem allmählichen Verlöschen". Zugleich würdigte die Jury die große Unterhaltsamkeit und den Sinn für Komik in dem Roman.

Über drei Generationen hinweg verfolgt Eugen Ruge die Geschichte einer Familie. Die Großeltern sind überzeugte Kommunisten, die Eltern Opfer des Stalinismus und der Sohn ist ein frustrierter DDR-Bürger, der sich in den Westen absetzt.

Drei Generationen - dreimal Leid

Die Handlung setzt 1952 ein und beginnt in Mexiko, dem Exil von Charlotte und Wilhelm, zwei beinharten Stalinisten. Beide stammen aus Arbeiterfamilien und haben erst durch die Kommunistische Partei Achtung erfahren und ihre Talente entfalten können. Dass die Partei eiserne Disziplin verlangt und Menschen, die nicht parieren, im Gulag verschwinden lässt, wollen sie nicht sehen. Selbst dann nicht, als die eigenen Söhne den Stalinschen Säuberungen in der Sowjetunion zum Opfer fallen.

Einer, Kurt, überlebt und zieht mit seiner russischen Frau Irina in die DDR. Über seine Erfahrungen im Gulag schweigt er. Er passt sich an, geht in die innere Emigration und versucht, sich aus Parteiangelegenheiten möglichst herauszuhalten. Sein Sohn Alexander wächst mit diesen Widersprüchen auf, den Parteisoldaten Charlotte und Wilhelm und dem Schweigen des Vaters. Die Mutter, ein begnadetes Organisationstalent, das die Familie zusammenhält, ersäuft ihre Frustration im Alkohol.

Drei Zeitebenen - sieben Perspektiven

In Zeiten des abnehmenden Lichts spielt zum einen im Jahr 2001. Alexander reist nach Mexiko, auf den Spuren seiner Großeltern, die dort die Nazi-Zeit überlebt haben. Die Reise Alexanders bildet die Rahmenhandlung, in die Eugen Ruge auf einer zweiten Ebene dessen Familiengeschichte ab 1952 einblendet. Auf einer dritten Ebene erzählt der Autor vom 90. Geburtstag des Patriarchen Wilhelm am 1. Oktober 1989, also knapp vor der Wende. Dieses Ereignis taucht schlaglichtartig immer wieder auf.

So wie Ruge die Zeitebenen wechselt, wechselt er auch die Erzählperspektive. Er stellt alle Figuren mindestens einmal in den Mittelpunkt. Jeder hat sein Kapitel und bekommt damit die Chance, seine Version der Geschichte zu erzählen. Die zentrale Figur freilich ist Alexander, in dem man das Alter Ego Ruges erkennt.

Debüt und Lebenswerk

Eugen Ruge ist ein berührender, großartiger DDR-Roman gelungen. Er erzählt schmucklos und genau Geschichten, die es so nur dort geben konnte. In Zeiten des abnehmenden Lichts ist sein Debüt, aber Eugen Ruge ist kein Debütant. Er schreibt seit vielen Jahren Hörspiele, Drehbücher und Theaterstücke und übersetzt aus dem Russischen. 2009 bekam er für Teile des vorliegenden Romans den von Günter Grass gestifteten Alfred-Döblin-Preis. Dass er ihn erst jetzt vorlegt, hat biografische Gründe. Er habe ihn erst nach dem Tod seiner Eltern und Großeltern schreiben können, sagt er. Diese Distanz ermöglicht ihm einen scharfen, aber nicht unerbittlichen Blick auf seine allesamt nicht nur sympathischen Figuren. Eugen Ruge entschuldigt und verklärt die DDR nicht, aber vergegenwärtigt, wie nah Recht und Unrecht bisweilen beieinander liegen.

Autorin: Heide Soltau
Redaktion: Gabriela Schaaf / Martin Schrader


Eugen Ruge: In Zeiten des abnehmenden Lichts. Roman einer Familie. Rowohlt Verlag, 413 Seiten, ISBN 978-3-498-05786-2, 19,95 Euro.

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