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Politik

EuGH-Anwalt: Flüchtlingsverteilung ist rechtens

26. Juli 2017

Es ist eine Niederlage für Ungarn und die Slowakei: Sie hatten dagegen geklagt, dass Flüchtlinge in der EU umverteilt werden sollen. Der EuGH-Generalanwalt hat empfohlen, die Klagen abzuweisen. Bernd Riegert berichtet.

Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg
Europäischer Gerichtshof in Luxemburg: Der Generalanwalt empfiehlt, Klagen abzuweisenBild: Imago/R. Fishman

Der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshof, Yves Bot, ist dafür, die Klagen der Slowakei und Ungarns gegen den eigenen Klub, gegen den Ministerrat der EU, in Sachen Flüchtlingsverteilung zu verwerfen. Alles andere wäre auch eine faustdicke Überraschung gewesen. Die Klage der beiden osteuropäischen Mitgliedsstaaten stützt sich nur darauf, dass die Abstimmung im Ministerrat über die Verteilung von Asylbewerbern nach einem bestimmten Schlüssel auf alle EU-Staaten vom September 2015 aus formalen Gründen rechtswidrig gewesen sei. So eine Entscheidung, die in die Souveränität der Mitgliedsstaaten eingreife, könne man nicht per Mehrheitsbeschluss treffen, argumentierten die Anwälte der Kläger bei der mündlichen Verhandlung. Genau das jedoch sieht der EU-Vertrag von Lissabon vor.

Mehrheit ist Mehrheit

Der Generalanwalt, der das Verfahren für die Entscheidung durch die Richter zusammenfasst, bescheinigt dem Ministerrat, sich exakt an die geltenden Regeln gehalten zu haben. Damit ist klar, dass auch die bislang widerborstigen Visegrad-Staaten Ungarn, Slowakei, Tschechien und Polen mehr Flüchtlinge und Asylbewerber aus den "Frontstaaten" Griechenland und Italien aufnehmen müssen. In Griechenland kamen im Jahr 2015 die meisten Migranten an. Heute trägt Italien die Hauptlast. Die EU-Kommission hatte bereits im September 2015 einen Plan entworfen, wie die Flüchtlinge und Asylbewerber - je nach Bevölkerungszahl und wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit - auf die EU-Staaten verteilt werden sollen, um an den Außengrenzen Entlastung zu schaffen. Insgesamt geht es um bis zu 120.000 Personen. Bislang sind nur rund 19.000 Personen tatsächlich umverteilt worden. Nicht nur die Visegrad-Staaten, auch viele andere EU-Mitglieder beteiligen sich nur schleppend an dem Verfahren, bemängelt die EU-Kommission in Brüssel schon seit langem.

Umverteilung 2015 von Griechenland nach Luxemburg: Nur wenige Länder erfüllen bis heute ihre PflichtenBild: picture-alliance/Prime Ministers/A. Bonetti

EU-Kommission drängt auf mehr Umverteilung

Polen und Ungarn sind die einzigen Staaten, die bislang überhaupt keine umverteilten Flüchtlinge aufgenommen haben. Die Slowakei, die vor dem Europäischen Gerichtshof geklagt hatte, hat sich inzwischen bewegt und zumindest 16 Flüchtlinge aufgenommen. Die tschechische Republik hat zwölf Menschen einreisen lassen. Weil die Zahlen viel zu niedrig sind, hat die EU-Kommission gegen eine Reihe von Staaten Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, um eine Aufnahme zu erzwingen. Rumänien, das im September 2015 auch gegen den Umverteilungbeschluss gestimmt hatte, beugt sich mittlerweile dem Mehrheitbeschluss und hat immerhin fast 600 Flüchtlinge aufgenommen.

In den meisten Fällen folgt der Gerichtshof in Luxemburg den Empfehlungen des Generalanwalts. Es gab in der Vergangenheit aber auch schon überraschende abweichende Urteile. Doch in diesem Fall sei die Sache eigentlich relativ eindeutig, heißt es von Beobachtern des Obersten europäischen Gerichts in Luxemburg. Die Klageschrift aus Ungarn und aus der Slowakei war kurz und dünn. Die Stellungnahme des Generalanwalts ist es auch: Klagen verwerfen, Regeln befolgen. Mit einem Urteil des Gerichtshof wird noch im September gerechnet.

Urteil: Staaten der ersten Einreise bleiben zuständig

Der Europäische Gerichtshof hat an diesem Mittwoch außerdem bereits ein wichtiges Urteil für die Verteilung von Migranten in der EU gefällt. Trotz des zeitweisen massenhaften Zustroms auf der Balkanroute in den Jahren 2015 und 2016 gilt weiter das europäische Asyl- und Aufenthaltsrecht, bekannt unter dem Namen Dublin-III-Verordnung. Ein Asylbewerber, der von Kroatien ohne Erlaubnis nach Österreich weitergereist war, um dort und nicht in Kroatien einen Asylantrag zu stellen, kann von Österreich nach Kroatien zurückgeschickt werden. Das heißt, dass nach wie vor der EU-Staat der ersten Einreise auch für die Entgegennahme und Bearbeitung eines Asylantrages zuständig ist. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise die Dublin-III-Verordnung für nicht umsetzbar angesehen. Diese politische Einschätzung hat aber keine rechtliche Auswirkung. Das hat auch das Bundesinnenministerium längst eingeräumt.

Das sogenannte Durchwinken von Asylsuchenden, das monatelang auf der Balkanroute von Griechenland, Slowenien, Kroatien, Ungarn und Österreich praktiziert wurde, war im Grundsatz nicht rechtmäßig. Das Urteil könnte sich auch auf die aktuelle Flüchtlingssituation im schwer belasteten Italien auswirken. Italien hatte überlegt, bis zu 200.000 Menschen nach Norden mit eigens dafür ausgestellten Visa weiterreisen zu lassen. Dagegen protestiert Österreich. Der "Brenner", also der Hauptgrenzübergang zwischen Italien und Österreich im Norden, "wird auf jeden Fall geschützt". Das hatte Österreichs Außenminister Sebastian Kurz letzte Woche in Brüssel angekündigt.

 

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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