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Politik

Unterbringung in Ungarns Transitlager ist Haft

23. April 2020

Sie kommen über Serbien und wollen in die EU. Doch in Ungarn ist Schluss. Migranten müssen dort in Transitlagern verharren. Der EuGH sieht deren menschenunwürdige Unterbringung als Haft an.

Ungarische Polizisten an der Grenze zwischen Röszke und dem serbischen Horgos (Foto: picture-alliance/AP Photo/MTI/Z. Gergely Kelemen)
Ungarische Polizisten an der Grenze zwischen Röszke und dem serbischen HorgosBild: picture-alliance/AP Photo/MTI/Z. Gergely Kelemen

Die Unterbringung von Asylbewerbern im ungarischen Container-Lager Röszke gleicht nach Ansicht eines wichtigen EU-Gutachters einer Haft und verstößt somit gegen EU-Recht. In der sogenannten Transitzone an der serbischen Grenze seien die Menschen isoliert und in ihrer Bewegungsfreiheit in so hohem Maß eingeschränkt, dass es sich um Haft handele, befand der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), Priit Pikamäe, in einem in Luxemburg veröffentlichten Gutachten. Dies sei rechtswidrig.

Isolation und mangelnde Bewegungsfreiheit

Anlass für das Gutachten ist der Fall zweier Iraner und zweier Afghanen. Sie kamen 2018 und 2019 über die Türkei, Bulgarien und Serbien nach Ungarn, beantragten Asyl und harren seither in dem direkt an der Grenze gelegenen Lager aus. Die ungarischen Behörden wiesen ihre Asylanträge mit der Begründung ab, sie seien über ein Land - den Nicht-EU-Staat Serbien - eingereist, in dem ihnen weder Verfolgung noch ernsthafter Schaden drohe. Zudem sei in den Ländern, über die sie nach Ungarn gekommen seien, ein angemessenes Schutzniveau gegeben. Serbien lehnte es jedoch ab, die Menschen zurückzunehmen, woraufhin das Zielland der Rückführung in Iran beziehungsweise Afghanistan geändert wurde. Zudem wurde ihnen ein Sektor in der Transitzone Röszke als Aufenthaltsort zugewiesen.

Migranten im serbischen Horgos, wo sie auf eine Möglichkeit zur Einreise nach Ungarn hoffen (Foto vom Januar 2020)Bild: picture-alliance/AP Photo/MTI/Z. Gergely Kelemen

Gegensatz vom EGMR-Urteil

Diese Argumentation Ungarns ist laut Generalanwalt nichtig. Die Haft wird laut Generalanwalt nicht durch die Möglichkeit aufgehoben, dass die Asylbewerber das Lager Richtung Serbien verlassen könnten. Denn dies sei legal nicht möglich, da Serbien die Menschen nicht aufnehmen wolle. Die Inhaftierung widerspricht dem Generalanwalt zufolge dem EU-Recht. Die Einschätzung des Gutachters ist für die EuGH-Richter nicht bindend, häufig folgen sie ihr aber.

Mit dem Gutachten geht der EuGH auf Distanz zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Dieser urteilte in einem anderen Fall im November 2019, dass bei der Unterbringung in Röszke kein Freiheitsentzug vorgelegen habe. Vor allem machten die Richter geltend, dass die Betroffenen sich aus freien Stücken in das Lager begeben und die tatsächliche Möglichkeit gehabt hätten, es - Richtung Serbien - zu verlassen.

Budapest verfolgt unter dem rechtsnationalen Ministerpräsidenten Viktor Orban eine Politik der Abschottung und der Abschreckung von Flüchtlingen und Migranten. Seit Frühjahr 2017 hält Ungarn Asylbewerber in zwei Container-Lagern unmittelbar an der Grenze zu Serbien fest. Die Gebiete sind mit hohem Zaun und Stacheldraht umgeben. Die vier Asylbewerber durften ihren Sektor nur in Ausnahmen und in polizeilicher Begleitung verlassen. Besuch war nur nach vorheriger Genehmigung in einem gesonderten Container erlaubt. Die Urteile des EuGH dürften in den kommenden Monaten fallen.

sam/sti (epd/dpa)