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Ist CRISPR/Cas9 eigentlich "Gentechnik"?

24. Juli 2018

Am Mittwoch entscheidet der Europäische Gerichtshof ob die Genschere CRISPR/Cas9 "Gentechnik" ist. Dann müssten Lebensmittel, die damit gezüchtet wurden, entsprechend gekennzeichnet werden. Worum geht es in dem Urteil?

Symbolbild "Genfood"
Bild: picture-alliance/dpa/P. Pleul

Für Laien klingt das, worüber die Richter des Europäischen Gerichtshofes am Mittwoch in Luxemburg zu entscheiden haben, akademisch: Ist die Genschere CRISPR/Cas9 als "Gentechnik" einzuordnen oder nicht?

Selbst in Fachkreisen ruft die Debatte einiges Stirnrunzeln hervor: Haben nicht Forscher wie Medien gleichermaßen die Entdeckung des Mechanismus durch die Molekularbiologinnen Emanuelle Charpentier und Jennifer Doudna im Jahre 2011 explizit als entscheidenden Durchbruch in der Gentechnik gefeiert? 

Die Entdeckerin der Gen-Schere

04:22

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Bisherige EU-Richtlinie ist veraltet

Dabei ist die Frage, die das Gericht entscheiden muss, alles andere als akademisch. Sie wirkt sich ganz konkret für uns alle aus: Was werden wir in Zukunft auf dem Teller haben? Und werden wir wissen, was auf den Teller kommt?

Bisher gilt CRISPR/Cas9 nämlich formal nicht als Gentechnik. Weil die EU-Richtlinie für gentechnisch veränderte Organismen vor der Entdeckung des Mechanismus erlassen wurde, sind dort nur klassische gentechnische Zuchtmethoden aufgenommen, nicht aber das sogenannte "Genome Editing" – also die Genschere.

Bei herkömmlichen gentechnischen Methoden werden einzelne Gene mit bestimmten Eigenschaften – etwa durch den Einsatz von Transport-Viren – in das Erbgut anderer Organismen eingeschleust. Das ist ein komplizierter und langwieriger Prozess.

CRISPR/Cas9 hingegen erlaubt es Forschern, einzelne Genabschnitte sehr präzise aus dem Erbgut herauszuschneiden und mit anderen Abschnitten zu ersetzen. Vor allem lassen sich so Mutanten züchten, die gewünschte Eigenschaften haben. Sie kommen aber ohne das Erbgut anderer Organismen aus. Auch ist es fast unmöglich – anders als bei bisherigen gentechnischen Methoden – die Anwendung von CRISPR/Cas9 im Nachhinein im Erbgut nachzuweisen. Die Mutationen sind für den Betrachter nicht von natürlichen Veränderungen unterscheidbar.

Für und Wider

Biomediziner, Pflanzenzüchter und Molekularbiologen setzen große Hoffnungen in die Technik, weil gewünschte Züchtungen so viel schneller entstehen könnten und mit weniger Risiken behaftet seien, als die herkömmliche Gentechnik. So könnten etwa Pflanzensorten entstehen, die gegen bestimmte Parasiten resistent sind oder auch unter schwierigen klimatischen Bedingungen gute Erträge liefern.

Die Befürworter von CRISPR/Cas9 fürchten, dass eine Aufnahme der Genschere in die entsprechende EU-Richtlinie Forschung und Züchtung ausbremsen würde, weil Produkte, die damit erzeugt werden, dann nicht mehr als "gentechnikfrei" vermarktet werden könnten.

Zudem bestünde die Gefahr, dass vielversprechende Forschungsprojekte nicht mehr stattfinden könnten, weil viele Geldgeber und Universitäten die Forschung mit und an gentechnisch veränderten Organismen in ihren Regularien verbieten. Die europäische Forschung würde so ins Hintertreffen geraten.

Umweltschützer, Biolandwirte und Gentechnik-Gegner, die die Klage gegen CRISPR/Cas9 eingebracht hatten, argumentieren dagegen, dass die Risiken der Genschere noch nicht abgeschätzt werden könnten.Erst jüngst hatten Studien gezeigt,  dass beim Einsatz der Technik auch unerwünschte Mutationen auftreten können, und zwar in Bereichen des Erbgutes, die weit von der eigentlichen Zielregion der Genschere entfernt liegen. 

Die Genscheren-Gegner argumentieren daher, dass eine Kennzeichnungspflicht im Sinne des Verbraucherschutzes geboten sei. Die Kunden müssten selbst entscheiden, ob sie gentechnisch veränderte Produkte kaufen wollten, oder nicht.

Fabian Schmidt Wissenschaftsredakteur mit Blick auf Technik und Erfindungen
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