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Politik

Deutschland wegen schlechter Luft verurteilt

3. Juni 2021

Der gesundheitsschädliche Luftschadstoff Stickoxid lag in vielen Städten Deutschlands jahrelang viel höher, als es die EU-Grenzwerte erlauben. Der Europäische Gerichtshof gibt einer Klage der EU-Kommission statt.

Symbolbild Luftverschmutzung in Deutschland
Luftverschmutzung in Deutschland (Symbolbild) Bild: picture-alliance/Geisler-Fotopress/C. Hardt

Nach Frankreich hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) auch Deutschland verurteilt, weil jahrelang in vielen Städten die Grenzwerte für den Luftschadstoff Stickstoffdioxid (NO2 ) erheblich überschritten worden sind. Die Bundesrepublik habe damit EU-Recht gebrochen, entschieden die Richter in Luxemburg. Die Grenzwerte seien von 2010 bis 2016 in 26 Städten "systematisch und fortdauernd" verletzt worden, hieß es weiter. Strafen oder Sanktionen sind mit dem Spruch zunächst nicht verbunden.

Luftqualität verbesserte sich zuletzt wieder

Mit dem Urteil gegen die Bundesrepublik sind neue Auflagen zum Beispiel für Dieselfahrzeuge an bestimmten Orten nicht ausgeschlossen. Allerdings hat sich die Luftqualität in deutschen Städten zuletzt verbessert, unter anderem wegen der Corona-Krise.

Nach Angaben des Bundesumweltministeriums waren 2016 in 90 Städten die Grenzwerte teilweise deutlich ignoriert worden. Seither sei die Zahl aber jedes Jahr gesunken. 2019 gab es den Angaben zufolge noch 25 Städte mit einer zu hohen Stickoxid-Belastung, im Corona-Jahr 2020 dann nur noch sechs Städte, darunter München und Hamburg.

Die EU-Kommission hatte die Vertragsverletzungsklage gegen Deutschland 2018 beim obersten Gericht der Europäischen Union eingereicht. Sie begründete dies damals damit, dass die seit 2010 in der EU gültigen Jahresgrenzwerte für Stickstoffdioxid in 26 Städten systematisch und fortdauernd überschritten worden seien. Dazu gehörten Berlin, Hamburg, München und Stuttgart. In zwei Gebieten seien auch Stundengrenzwerte nicht eingehalten worden.

Den Argumenten folgte der EuGH jetzt. Der Jahresgrenzwert für Stickstoffdioxid liegt bei 40 Mikrogramm je Kubikmeter Luft im Jahresmittel. Daneben gibt es einen Ein-Stunden-Grenzwert von 200 Mikrogramm, der nicht öfter als 18-mal pro Jahr überschritten werden darf.

EU-Kommission: Auch an Dieselfahrzeuge denken 

Die EU-Kommission rief die deutschen Behörden nach dem Urteil dazu auf, alles zur Einhaltung der Grenzwerte für NO2 zu tun. Alle Ursachen müssten angegangen werden, forderte eine Sprecherin. Dabei spielten oft auch Emissionen älterer Dieselfahrzeuge eine Rolle. Sie betonte, bei der Wahl der Mittel für saubere Luft hätten die EU-Staaten freie Hand, doch müssten die Maßnahmen wirksam sein.

Die Deutsche Umwelthilfe sprach mit Blick auf den EuGH von einer "schallende Ohrfeige für die Diesellobbyisten auf der Regierungsbank". Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch forderte schnelle Konsequenzen. Dazu gehöre etwa eine Umwidmung von Straßenflächen in geschützte Radwege und die Stilllegung beziehungsweise Hardware-Nachrüstung der knapp zehn Millionen "Betrugs-Diesel-Fahrzeuge" auf Kosten der Hersteller.

Stickstoffdioxid macht das Atmen schwer

Das ätzende Reizgas Stickstoffdioxid entsteht vor allem bei Verbrennungsprozessen sowohl in Motoren als auch in Öfen für Kohle, Öl, Gas, Holz und Abfälle. Es kann die Augen reizen und schädigt nach Angaben des Umweltbundesamts unmittelbar die Schleimhäute im gesamten Atemtrakt. So ausgelöste Entzündungen verstärken dann auch die Reizwirkung anderer Luftschadstoffe. Akut können in der Folge Atemnot, Husten und Bronchitis auftreten, die dann unter Umständen in chronische Atemwegs- und Lungenerkrankungen münden. Durch angegriffene Atemwege steigt auch das Risiko für Allergien. Nimmt die Belastung durch Stickstoffdioxid zu, leiden darunter besonders Menschen mit vorgeschädigten Atemwegen. Auch eine Zunahme der Sterblichkeit wurde beobachtet.

se/fab (dpa, afp, rtr, Az: C 635/18) 

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