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Politik

EuGH weist Klagen Polens und Ungarns ab

16. Februar 2022

Mit der Entscheidung der Richter am Europäischen Gerichtshof ist der Weg für die Anwendung des sogenannten Rechtsstaatsmechanismus frei. Der erlaubt im letzten Schritt, EU-Mittel zu kürzen, wenn deren Missbrauch droht.

Luxemburg | EuGH Gebäude
Bild: Alexandre Marchi/MAXPPP/dpa/picture alliance

Jetzt ist es höchstrichterlich bestätigt: Der Mechanismus zur Ahndung von Verstößen gegen den Rechtsstaat verstößt nicht gegen EU-Recht. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat den sogenannten Rechtsstaatsmechanismus für rechtens erklärt und damit einen entsprechenden Einspruch der EU-Staaten Polen und Ungarn zurückgewiesen. Demnach kann die EU-Kommission Finanzmittel aus dem EU-Haushalt einbehalten, wenn Verstöße gegen demokratische Rechte und Freiheiten vorliegen.

Ungarn und Polen liegen seit langem mit der EU-Kommission über Kreuz wegen des Umgangs der Regierungen mit der Justiz, aber auch mit den Medien und den Wissenschaften. Mit dieser Klarstellung dürften gegen die beiden genannten Staaten schon bald entsprechende Verfahren eingeleitet werden. 

Europaparlament macht seit langem Druck

Konkret ging es in dem EuGH-Verfahren um die "Verordnung über die Konditionalität der Rechtsstaatlichkeit", die seit Anfang 2021 in Kraft ist. Sie soll dafür sorgen, dass Verstöße gegen Rechtsstaatsprinzipien wie die Gewaltenteilung nicht mehr ungestraft bleiben, wenn dadurch ein Missbrauch von EU-Geldern droht. Polen und Ungarn sahen sich besonders im Fokus des neuen Instruments und klagten deshalb dagegen vor dem EuGH.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen begrüßte die Urteile, dämpfte aber Erwartungen nach baldigen Strafen gegen Ungarn oder Polen. Die deutsche Politikerin unterstrich in einer ersten Stellungnahme in Brüssel ihre Entschlossenheit zum Schutz des EU-Haushalts. Ihre Behörde werde nun aber erst einmal gründlich die Begründung des Urteils und mögliche Auswirkungen analysieren. In den kommenden Wochen werde man dann die Leitlinien zur Anwendung des Mechanismus beschließen. Jeder Fall werde eingehend geprüft. Wo die Bedingungen erfüllt seien, werde entschlossen gehandelt, erklärte von der Leyen.

Sie werde das Versprechen, dass kein Fall verloren geht, halten, betonte Kommissionspräsidentin von der LeyenBild: Virginia Mayo/AP/picture alliance

Das Europaparlament macht hingegen seit langem Druck und hat die EU-Kommission wegen ihrer Zögerlichkeit sogar vor dem EuGH verklagt - das Verfahren läuft jedoch noch. EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola teilte mit, das Parlament erwarte nun von der Kommission, dass der Mechanismus schnell in Gang gesetzt werde.

Ungarn wirft EU Machtmissbrauch vor

Polen und Ungarn haben empört auf die Abweisung ihrer Klagen reagiert. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs stelle einen "Angriff auf unsere Souveränität" dar, erklärte der polnische Vize-Justizminister Sebastian Kaleta auf Twitter. "Polen muss seine Demokratie gegen die Erpressung verteidigen, die darauf abzielt, uns unser Recht auf Selbstbestimmung zu nehmen."

Das Gericht habe einen "politisch motivierten Spruch" gefällt, weil Ungarn jüngst ein Gesetz zum Kindesschutz in Kraft gesetzt habe, schrieb Justizministerin Judit Varga auf ihrem Twitter-Konto. "Die Entscheidung ist ein lebender Beweis dafür, wie Brüssel seine Macht missbraucht." Varga spielte auf ein vergangenes Jahr verabschiedetes Gesetz an, das Kinder und Jugendliche in Ungarn vor bestimmten Inhalten und Darstellungen zur Sexualität schützen soll. Kritiker sehen darin das Bestreben, homosexuelle und transsexuelle Menschen auszugrenzen und Jugendliche von Informationen zu diesen Themen abzuschneiden. Die EU hatte deswegen ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Der Vorgang steht allerdings in keinem Zusammenhang mit dem Rechtsstaatsmechanismus.

Bald weniger Geld aus dem EU-Haushalt?

Polen und Ungarn bekommen jährlich Milliarden Euro aus dem Gemeinschaftsbudget. Die Regierungen nutzen das Geld auch, um sich die Gunst ihrer Wählerinnen und Wähler zu sichern. Zugleich werfen Kritiker ihnen vor, die Justiz entgegen den EU-Standards zu beeinflussen. Ganz so schnell dürfte es mit Mittelkürzungen allerdings auch nach dem EuGH-Urteil nicht gehen. Mit Blick auf Ungarn ist da zum Beispiel die Parlamentswahl Anfang April - und die Abwägung, ob die Behörde noch vor dieser Wahl einen Schritt einleiten möchte, der als Wahlkampfeinmischung verstanden werden könnte.

Warschau sendete zuletzt Signale der Entspannung nach Brüssel. Präsident Andrzej Duda schlug die Auflösung der hoch umstrittenen Richter-Disziplinarkammer vor, die seit Jahren für Streit mit der EU-Kommission sorgt. Zudem legte Polen einen Streit mit Tschechien bei, der zuvor bereits den EuGH beschäftigt hatte.

qu/djo (dpa, rtr, afp)

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