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Musiala: "Bambi" und die drei Löwen

Marko Langer
28. Juni 2021

Er hat bisher zwölf Minuten gespielt bei dieser Europameisterschaft. Doch wie er das gemacht hat, war bemerkenswert. Nun kommt DFB-Jungstar Jamal Musiala nach London und damit auch ein bisschen nach Hause.

Fußball-Spieler Jamal Musiala | Porträt DFB-Trikot
Jamal Musiala, Fußball-NationalspielerBild: imago images/Laci Perenyi

Beim TSV Lehnerz in Fulda werden sie das EM-Achtelfinale England gegen Deutschland mit besonderer Begeisterung beobachten. Und sie werden darauf warten, dass der junge Mann mit dem schwarzen Lockenkopf an der Seitenlinie erscheint und ins Spiel kommt. Irgendwie ist Jamal Musiala ja noch immer einer von ihnen, obwohl er schon als Siebenjähriger fort ging, als die Familie nach London zog. Doch das Lehnerz-Trikot hing auch in Großbritannien noch über seinem Bett, als er schon beim großen FC Chelsea kickte, wie es Mutter Carolin Musiala einmal der "Osthessen-Zeitung" verriet.

Eine Ehre 

In Stuttgart geboren, in Fulda groß geworden, nach England übergesiedelt, zunächst Fußball in Southampton, dann von Chelsea gescoutet - und schließlich, nach acht Jahren auf der Insel, zurück nach Deutschland. Wer sich Interviews von Musiala anhört, den beeindruckt vor allem die Bescheidenheit, mit der dieses Supertalent seine bisherige Laufbahn schildert. Es sei "schon ein Schock" gewesen, dass der FC Bayern an ihm im Alter von 16 Jahren interessiert gewesen sei. "Es ist eine honour, hier zu sein", sagte Musiala in der Mischung aus Deutsch und Englisch, in die er manchmal verfällt. Eine Ehre.

Für die U21 noch im englischen Trikot: Musiala 2020 bei einem Spiel in Wolverhampton Bild: Matt West/BPI/Shutterstock/imago images

Das sagt einer, um den der englische und der bundesdeutsche Fußballverband gebuhlt haben wie um wenige Nachwuchskicker. In der U15 wurde Musiala erstmals in die englische Auswahl berufen. Mannschaftskamerad damals: Jude Bellingham, den er nun im EM-Achtelfinale England gegen Deutschland in Wembley wiedertreffen wird. "Und nach dem Spiel machen wir den Trikottausch", habe ihm sein Freund schon angekündigt. Nachzulesen ist das auf der Homepage des DFB unter der Überschrift mit dem Zitat von Musiala: "Normal ist das nicht." Da ist sie wieder, die Bescheidenheit.

Eleganter Haken

Rückblick, es ist Dienstag, 22. Juni 2021. In der 82. Minute kommt Musiala in der Münchener Arena für die deutsche Nationalmannschaft aufs Feld. Deutschland liegt zu diesem Zeitpunkt im Achtelfinale gegen Ungarn 1:2 hinten und wäre damit raus aus dem Turnier. 120 Sekunden später hat Musiala unweit der Grundlinie den Ball, lässt seinen Gegenspieler Loic Nego mit einem eleganten Haken aussteigen und legt den Ball in den Strafraum - Leon Goretzka erlöst mit dem Tor zum 2:2 sein Team und die ganze Fußballnation.

Und zack - da war er vorbei: Musiala in der Szene mit seinem ungarischen Gegenspieler Loic NegoBild: Bjoern Hake/Ulmer/picture alliance

Bundestrainer Joachim Löw, für den jetzt jeder Abend der letzte in der Coaching-Zone der Nationalmannschaft sein kann, wusste ganz genau, was nun auf seinen Joker warten dürfte und dämpfte die Euphorie schon in den Äußerungen nach dem Spiel gewaltig, ganz fürsorglicher Fußball-Lehrer: "Für einen so jungen Spieler hat er es gut gemacht. Er war frech, seine Leistung war sehr ansprechend." Wie bitte? Sehr ansprechend?

Erst auf der Tribüne

Nun muss man wissen, dass sich Löw zusammen mit DFB-Direktor Oliver Bierhoff höchst intensiv um den jungen Mann bemüht haben und mit das Zünglein an der Waage waren, dass sich Musiala für den deutschen Adler und gegen die drei englischen Löwen auf der Brust des jeweiligen Nationaltrikots entschied. Dass Musiala in den Spielen gegen Frankreich und Portugal bei der Europameisterschaftauf der Tribüne saß, dürfte den Youngster nicht gestört haben. Auch wenn er spielen will, so weiß er doch um die Riesenchance, die er hier bekommt. Als 18-Jähriger.

"Leistung war sehr ansprechend": Musiala und sein Förderer Joachim LöwBild: O.Behrendt/Contrast/imago images

Das "Runterdimmen" durch den Bundestrainer hat nur teilweise geholfen. Beim letzten Pressetermin der Nationalelf erlebte Serge Gnabry, dass nicht er im Mittelpunkt der Berichterstattung über die Pressekonferenz stand, sondern seine Äußerungen über den jungen Mannschaftskameraden des FC Bayern. Leroy Sané habe Musiala den Spitznahmen "Bambi" verpasst, verriet Gnabry - was ein interessantes Bild auf die Hackordnung unter den jungen Ballartisten erlaubte. Schließlich ist auch Sané, vielleicht mehr noch als Musiala, durch den englischen Fußball gestählt worden. Und, fügte Gnabry noch hinzu: Musiala sei, von seinen fußballerischen Fähigkeiten einmal abgesehen, einfach ein "lieber, süßer Kerl".

Der süße Kerl in Wembley

Kann man so jemanden gebrauchen, wenn es im Wembley-Stadium beim Klassiker gegen die "Threee Lions" aus England um alles oder nichts geht? Es wäre überraschend, wenn Löw Musiala in die Start-Formation befördern würde. Aber Löw wird glücklich sein, wenn er "Bambi" in der zweiten Hälfte oder mit Blick auf eine nicht unwahrscheinliche Verlängerung freilassen kann. Ob das Reh dann auch die Löwen hinter sich lässt?

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