EURO 2025: Nüsken übernimmt gegen Dänemark Verantwortung
8. Juli 2025
Eine "echte Neun" ist im Fußball eigentlich die Mittelstürmerin. Eine Angreiferin, die körperlich robust und groß daherkommt, die vorne vor dem Tor auf Chancen lauert und nicht viele Szenen benötigt, um ein Spiel zu entscheiden.
Die im vergangenen Jahr zurückgetretene Ex-DFB-Kapitänin Alexandra Popp war eine solche "echte Neun" - auch wenn sie in der Nationalmannschaft stets mit der Rückennummer 11 auflief.
Der 1,74 Meter großen und rund 75 Kilogramm schweren Stürmerin nahm so schnell keiner den Ball ab. Da sie zudem einen echten Torriecher besaß, gehört sie mit 67 Treffern in 145 Länderspielen zu Deutschlands erfolgreichsten Torjägerinnen.
Sjoeke Nüsken - Gegenentwurf zu Popp
Die Spielerin, die bei der Fußball-EM der Frauen in der Schweiz die Nummer 9 auf dem Rücken trägt, ist im Grunde ein kompletter Gegenentwurf zu Popp. Sjoeke Nüsken ist Mittelfeldspielerin, zwar nur einen Zentimeter kleiner als Popp, aber sehr viel leichter und zartgliedriger als die Ex-Torjägerin.
Den gegnerischen Strafraum betritt Nüsken auch nur selten, und ihre Torquote kommt mit sechs Treffern aus 47 Länderspielen nicht an Popps Zahlen heran.
Ähnlich ist allerdings die Bedeutung Nüskens für die DFB-Frauen. Schon vor dem EM-Turnier in der Schweiz hatte sie gesagt: "Ich will mehr Verantwortung übernehmen - auch im Nationalteam. Ich bin bereit voranzugehen."
Durch die schwere Knieverletzung von Kapitänin Giulia Gwinn im ersten Vorrundenspiel gegen Polen bekam sie nun unfreiwillig Gelegenheit dazu - und Nüsken lieferte. Im zweiten Spiel gegen Dänemark bekleidete sie wie gewohnt ihre Position im defensiven Mittelfeld, fing viele Bälle ab und leitete immer wieder deutsche Angriffe ein.
Nüsken übernimmt Verantwortung beim Elfmeter
Deutschland war vor 34.250 Zuschauern (rund 17.000 davon aus Deutschland) im ausverkauften St. Jakob-Park in Basel zunächst auch die bestimmende Mannschaft und hatte die besseren Chancen. In Führung gingen allerdings die Däninnen. Nach einem Ballverlust in der eigenen Hälfte legte Lea Schüller unfreiwillig für Amalie Vangsgaard auf, die in der 26. Minute zur Führung traf.
Zuvor hatte Klara Bühl vermeintlich das 1:0 für Deutschland erzielt, doch der Videoschiedsrichter (VAR) erkannte den Treffer ab (18. Minute). Nüsken, die sich doch mal in den gegnerischen Strafraum vorgeschoben hatte, hatte im Abseits gestanden und die Torhüterin irritiert.
Kurz darauf entschied die Schiedsrichterin nach Handspiel auf Strafstoß für Deutschland (37.). Normalerweise schießt die verletzte Gwinn im Nationalteam die Elfmeter. Sofort schnappte sich Nüsken den Ball und war bereit zu schießen, doch der VAR korrigierte erneut zum Nachteil der DFB-Frauen: Das Vergehen war knapp außerhalb des Strafraums.
Erst nach der Pause wendete sich das Blatt. Nach einem Foul an Linda Dallmann gab es erneut Strafstoß. Diesmal blieb die Entscheidung (trotz VAR) bestehen. Nüsken übernahm - wie angekündigt - die Verantwortung und verwandelte sicher zum 1:1-Ausgleich (56.).
Sie und Ersatzkapitänin Janina Minge waren vorher als potentielle Schützinnen bestimmt worden. "Ich habe auf dem Platz zu Janina gesagt: 'Ich nehme den jetzt und mache den rein.' Das hat ja dann zum Glück ganz gut funktioniert", erzählte Nüsken später im Interview mit dem deutschen Fernsehen. Dabei hatte sie im Nationaltrikot schon lange keinen Strafstoß mehr geschossen. "Ich glaube, da gab es in der U17 mal einen."
"Man darf nicht vergessen: Der Druck ist enorm. Wir liegen hinten und kriegen dann diesen Elfmeter", lobte Bundestrainer Christian Wück die Schützin. "Es war unheimlich wichtig, dass wir den Ausgleich erzielen. Es zeichnet sie aus, dass sie die Verantwortung übernimmt."
"Führungsqualitäten und Entwicklungspotential"
Sjoeke Nüsken, Jahrgang 2001, ist seit 2019 Fußball-Profi. Nach einigen Jahren beim 1. FFC Frankfurt (später Eintracht Frankfurt), wechselte sie 2023 zum FC Chelsea nach England, wo sie sich schnell als torgefährliche und vielseitige Stammspielerin etablierte. In ihrer ersten Saison erzielte sie zwölf Tore, gewann mit Chelsea das nationale Triple und wurde für den Ballon d’Or nominiert.
Für die deutsche Nationalmannschaft debütierte Nüsken 2021 und nahm an der WM 2023 in Australien und Neuseeland und den Olympischen Spielen 2024 in Paris teil.
Nüsken gilt als technisch stark, laufstark und taktisch klug. Schon der ehemalige Bundestrainer Horst Hrubesch lobte sie als "Spielerin mit Führungsqualitäten und großem Entwicklungspotenzial".
Nüsken und Schüller drehen das Spiel
Gegen Dänemark war ihr Elfmetertor die entscheidende Szene, die letztlich zum deutschen Erfolg führte. Deutschland war danach wacher und gieriger. Zehn Minuten nach Nüskens Ausgleich erzielte Lea Schüller das 2:1 für die DFB-Frauen (66.). Sie hatten das Spiel gedreht und stehen mit sechs Punkten aus zwei Spielen vorzeitig im EM-Viertelfinale. Am Samstag geht es gegen Schweden (Anstoß 21.00 Uhr MESZ) nur noch um den Gruppensieg.
Schüller profitierte bei ihrem Tor von einem Fehler der Däninnen: Emma Faerge schoss ihrer Mitspielerin Emma Snerle den Ball unabsichtlich mit voller Wucht ins Gesicht. Jule Brand schnappte ihn sich und bediente Schüller, die vor dem Tor lauerte und eiskalt blieb - im Stile einer "echten Neun" eben, auch wenn Schüller eigentlich die Rückennummer 11 hat.
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Deutschland - Dänemark 2:1 (0:1)
Tore: 0:1 Vangsgaard (26.), 1:1 Nüsken (56./Foulelfmeter), 2:1 Schüller (66.)
Zuschauer in Basel: 34.250 (ausverkauft)