DFB-Kapitänin Giulia Gwinn - in neuer Rolle zum EM-Erfolg
24. Juni 2025
Der Medienraum am Rande des DFB-Trainingslagers in Herzogenaurach ist gut gefüllt. Zahlreiche Journalistinnen und Journalisten sind zum "Medientag" der DFB-Frauen in die kleine bayerische Stadt gekommen. Wenige Tage vor dem Start der Fußball-Europameisterschaft in der Schweiz stehen die Nationalspielerinnen rund 90 Minuten Rede und Antwort. Das Interesse und die Vorfreude vor dem anstehenden Turnier sind groß.
Eine Fußballerin steht an diesem Tag besonders im Fokus: DFB-Kapitänin Giulia Gwinn. Seit einem halben Jahr erst trägt die Abwehrspielerin die Kapitänsbinde am Arm. "Ich spüre eine große Ehre und sehr viel Stolz", sagt sie im DW-Interview. In den vergangenen Monaten habe sie sich ein Gefühl für die neue Rolle verschafft.
"Ich spüre eine andere Verantwortung, der ich aber gut gerecht werde", sagt sie. "Ich versuche in die Mannschaft reinzuhören und allen ein gutes Gefühl zu geben. Das macht es mir bei meinem Team sehr leicht, da wir alle sehr offen und ehrlich miteinander umgehen."
Gwinn, "eine tolle Kapitänin"
Gwinn, die zu den besten Rechtsverteidigerinnen der Welt gehört, geht gerne voran und übernimmt Verantwortung. Auf dem Platz schnappt sie sich den Ball, wenn ein Strafstoß gepfiffen wurde, sie kommuniziert viel und geht sportlich immer an ihre Grenze. Auch neben dem Platz hat sie immer ein offenes Ohr für ihre Mitspielerinnen.
"Sie hat zu jeder Person im Team eine gute Verbindung und ist sehr nahbar. Man kann immer mit ihr reden, sie ist sehr authentisch und natürlich", sagt Klara Bühl der DW. Sie habe schon sehr viel erlebt und können deswegen auch den jüngeren Spielerinnen viel mitgeben, ergänzt die Nationalspielerin, die auch beim deutschen Double-Sieger FC Bayern seit Jahren mit Gwinn zusammen spielt.
"Sie ist eine super Persönlichkeit", weiß Sjoeke Nüsken. "Sie kann aber auch mal laut sein und vorne weg gehen, wenn es auf dem Platz mal nicht läuft. Und sie kann uns allen auch mal in den Arsch treten."
Die Mittelfeldspielerin vom FC Chelsea grinst und meint. Diese Mischung passe einfach sehr gut. Sara Däbritz bringt es schließlich auf den Punkt: "Wir haben wirklich eine tolle Kapitänin."
Mutter Gabi Gwinn: "Sie hat um ihr Leben gespielt"
Mit acht Jahren tritt Gwinn erstmals gegen den Ball und beginnt mit dem Fußballspielen. Als einziges Mädchen in ihrer Mannschaft sorgte sie damals schon für Aufsehen beim TSG Ailingen, ihrem Heimatverein.
"Ich wollte mich immer behaupten, zeigen wer ich bin und was ich kann", erinnert sich Gwinn in einem Interview mit dem deutschen Fernsehen. "Sie hat gespielt als wäre es um ihr Leben gegangen", sagt Gwinns Mutter Gabi.
Ihre Leistungen blieben auch den Scouts des DFB nicht verborgen. 2013 trug Gwinn erstmals das DFB-Trikot und absolvierte sechs Spiele für die U15. Ein Jahr später wurde auch der SC Freiburg auf die junge Abwehrspielerin aufmerksam und verpflichtete sie - der Startschuss für ihre Profikarriere.
"Fußball ist für mich alles", sagt sie in einer TV-Dokumentation. "Es ist Leidenschaft, es ist das, was mich erfüllt und wo ganz viel Herz drinsteckt."
Gwinn: "Es ist die schlimmste Diagnose"
Nach vier Jahren beim SC Freiburg und 22 erzielten Toren unterschrieb Gwinn 2019 einen langfristigen Vertrag beim FC Bayern München. Alle schien nach Plan zu laufen, doch dann musste sie den ersten schweren Rückschlag in ihrer Karriere hinnehmen. 2020 riss sie sich im EM-Qualifikationsspiel gegen Irland das rechte Kreuzband.
Die Verletzung heilte, Gwinn kam zurück, aber nur gut zwei Jahre später folgte der nächste Kreuzbandriss - dieses Mal war das linke Knie betroffen. "Es ist die schlimmste Diagnose, die man bekommen kann", sagt sie. "Man weiß, dass damit eine sehr lange und harte Leidenszeit verbunden ist."
Doch Gwinn gab nicht auf und kämpfte sich erneut zurück auf den Platz und ins Nationalteam. Seit ihrer Rückkehr hat ihre Karriere wieder Fahrt aufgenommen: drei deutsche Meisterschaften mit dem FC Bayern und zwei DFB-Pokal-Siege.
Zudem konnte Gwinn mit der DFB-Elf bei den Olympischen Spielen in Paris Bronze gewinnen. Sie spüre eine große Dankbarkeit wieder auf diesem Niveau performen zu können, sagt sie der DW mit Blick auf ihre Verletzungen. "Es war sehr bitter, dass ich wegen der Verletzung das Turnier [WM 2023 in Australien und Neuseeland, Anm d. Red.] verpasst habe, aber ich sehe es als große Chance jetzt wieder dabei zu sein."
Gwinn: "Wollen im Sommer gut entertainen"
Gwinn glaubt an den EM-Titel, sie sehe das Potential in der Mannschaft, sagt sie. Doch für die Nationalspielerin bietet das Turnier in der Schweiz noch eine weitere Chance.
"Wir haben das Gefühl, dass Turniere die beste Möglichkeit sind, um den Frauenfußball noch mal auf ein neues Level zu heben. Das ist unsere Verantwortung, Werbung zu machen und den nächsten Schritt einzuleiten", sagte Gwinn beim "Media Day" in Herzogenaurach.
Helfen soll bei der Titelmission die "herausragend gute Stimmung", die laut Gwinn schon in der Vorbereitung zu spüren sei. "Da entwickeln wir einen sehr guten Spirit, mit unseren Charakteren und der Lust, etwas Großes gemeinsam erreichen zu können." In den vergangenen Spielen war Deutschland das Team, das immer wieder mit vielen Toren für Aufsehen gesorgt hat.
Und genau damit wolle man nun auch bei der EM für Furore sorgen. "Wir stehen für Offensivpower, wir haben Spielerinnen, die auf allerhöchstem Niveau performen und Tore schießen", so die Kapitänin. Und wenn dann auch die Defensivleistung passt, sei sie guter Dinge, dass "wir im Sommer gut entertainen werden."