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Entscheidung wieder vertagt

Andrea Rönsberg12. Juli 2015

Die Euro-Finanzminister sollten entscheiden, ob die jüngsten griechischen Reformvorschläge eine ausreichende Basis darstellen, um über ein weiteres Hilfspaket zu verhandeln. Doch dazu sahen sie sich außer Stande.

Alexander Stubb und Jeroen Dijsselbloem in Brüssel (Foto: AP)
Bild: AP

Neun Stunden dauerten die Beratungen, an deren Ende Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem (Artikelbild rechts) in der Nacht zum Sonntag nur knapp erklärte, dass man sich nicht habe einig werden können. "Wir haben unser Treffen unterbrochen und machen um 11 (Uhr MESZ) weiter", sagte Dijsselbloem. Man habe eine sehr ausführliche Diskussion über die griechischen Reformvorschläge geführt, insbesondere sei über Fragen von Glaubwürdigkeit und Vertrauen gesprochen worden.

Die meisten Finanzminister - so auch der Grieche Euklides Tsakalotos - verließen das Tagungsgebäude in Brüssel, ohne sich #an die Presse zu wenden. Finnlands Finanzminister Alexander Stubb (Artikelbild links) verriet der internationalen Presse nur, dass er schlafen gehen wolle. Und auch über Twitter zeigte sich der ansonsten äußerst social-media-affine Stubb wortkarg.

Blockierer Finnland?

Dabei soll es Finnland gewesen sein, dass sich noch nicht einmal einer gemeinsamen Abschlusserklärung der Eurogruppe anschließen konnte - so berichtete es unter anderem der Brüssel-Korrespondent der italienischen Tageszeitung "La Stampa".

Ähnlich der Situation in Deutschland, die erfordert, dass der Bundestag zustimmt, bevor sich der Finanzminister im Kreis der Amtskollegen der Eurozone endgültig für die Gewährung weiterer Hilfen aussprechen darf, ist auch in Finnland eine parlamentarische Befragung nötig. Bei dieser hätte aber wohl die rechtspopulistische Partei der "Wahren Finnen", die seit der Parlamentswahl im April mitregiert, die Regierungskoalition auseinanderbrechen lassen. Ein neues Hilfsprogramm für Griechenland sei nach derzeitigem Stand für Finnland nicht akzeptabel, berichtete der Brüssel-Korrespondent der finnischen Wirtschaftszeitung "Kappaulehti" auf Twitter.

Skepsis überwog

Bereits zu Beginn der Sitzung am Samstagnachmittag war offenkundig geworden, dass die Verhandlungen langwierig und schwierig werden würden. Nur Frankreich, Italien und Luxemburg waren mit (gebremstem) Optimismus in die Gespräche gegangen. "Der Sinn dieser Veranstaltung ist, Verhandlungen [über ein Hilfsprogramm] nach dem ESM-Vertrag auf die Spur zu bringen", hatte der italienische Finanzminister Pier Carlo Padoan zu Protokoll gegeben, und hinzugefügt, dass alle "unvoreingenommen" in diese Gespräche gehen würden.

Reiner Zufall? Auf der Wand gegenüber des Pressezentrums, in dem Journalisten stundenlang das Ende der Sitzung erwarteten, ist das Wort "mad" zu lesen: verrückt.Bild: DW/A. Rönsberg

Für die meisten seiner Amtskollegen aber war von vorneherein klar: Die von der griechischen Regierung eingereichten Spar- und Reformvorschläge reichen nicht aus. Zu wenig gingen diese über das hinaus, was vor zwei Wochen auf dem Tisch gelegen hatte - bevor die griechische Regierung die Verhandlungen abgebrochen und das Referendum ausgerufen hatte. Dabei war es vor zwei Wochen ja nur um Reformen gegangen, die die Ausschüttung von Mitteln aus dem zweiten Hilfsprogramm und dessen erfolgreichen Abschluss zu Ende November ermöglicht hätte. Jetzt aber rede man über ein neues, über drei Jahre andauerndes Hilfsprogramm und ganz andere Summen, hatte der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble festgestellt.

Schäubles "Grexit-auf-Zeit-Plan"

Schäuble soll von den griechischen Vorschlägen sogar so wenig überzeugt gewesen sein, dass er einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zufolge seinen Amtskollegen zwei Optionen aufzeigen wollte. Die eine: Eine umfassende Nachbesserung der Vorschläge, mit voller Unterstützung des griechischen Parlaments. Die andere: Ein auf fünf Jahre begrenzter Austritt aus der Währungsunion, der dafür eine Umstrukturierung der Schulden Griechenlands erlaubt hätte und mit humanitärer Hilfe einhergegangen wäre.

Nach Einschätzung zahlreicher Journalisten, darunter der stellvertretende Chefredakteur der englisch-sprachigen Ausgabe der griechischen Tageszeitung "Kathimerini", sind diese Vorschläge allerdings letztendlich nicht in der Eurogruppe diskutiert worden.

Das Wort des Abends: Vertrauen

Sehr wohl aber sollen die Geldgeber an einer Erklärung zur Vorlage an die Staats- und Regierungschefs gearbeitet haben, in welchen Punkten der vorgelegten Liste an Reform- und Sparplänen Griechenland nachbessern sollte und von welchen Gesetzen man von Athen erwartete, dass sie sehr zügig durchs Parlament gebracht würden.

Denn die Kernfrage, die bei den Gesprächen am Samstag im Raum stand, war die, die Eurogruppen-Chef Dijsselbloem eingangs formuliert hatte: "Können wir den Griechen vertrauen, dass sie tatsächlich tun werden, was sie zu tun versprechen?" Wie solle man einer Regierung vertrauen, die vorgelegten Reform- und Sparvorschläge tatsächlich umzusetzen, wenn dieselbe Regierung fast identische Vorschläge noch vor zwei Wochen in Bausch und Bogen abgelehnt und die Bevölkerung aufgerufen hatte, diese in einem Referendum abzulehnen? Wenn die Wähler den Kurs der Regierung dann mit einer überdeutlichen Mehrheit von rund 60 Prozent bestätigt hatten? Und wie solle man einer Regierung vertrauen, Reformpläne Wirklichkeit werden zu lassen, die von zahlreichen Abgeordneten der eigenen Koalition kein Mandat bekommen hatte, über weitere Spar und Reformmaßnahmen zu verhandeln?

"Ein Schritt nach vorne", so ist diese Skulptur vor dem Brüsseler Tagungsgebäude benannt - doch der Schritt führt ins LeereBild: DW/A. Rönsberg

Wiedervorlage an diesem Sonntag

Diese Fragen konnten die Finanzminister am Samstag nicht beantworten - und ob sie es bei einem erneuten Treffen am Sonntag ab 11 Uhr können werden, ist fraglich. Ab 16 Uhr treffen sich die Staats- und Regierungschefs der Euro-Länder, die möglicherweise auch ohne eine von den Finanzministern erarbeitete Grundlage Entscheidungen werden fällen müssen.

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