1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Griechenland gibt Widerstand auf

Bernd Riegert21. Februar 2015

Das Drama ist zu Ende: Griechenland lenkt ein und die Euro-Gruppe verlängert die Finanzhilfen. Wird jetzt alles gut? Das Abkommen lässt Spielraum für Auslegungen. Bernd Riegert aus Brüssel.

Treffen der Eurogruppen Finanzminister Yanis Varoufakis
Yanis Varoufakis: Eingelenkt, aber nicht aufgegebenBild: Reuters/E.Vidal

Griechenland ist gerettet. Vorerst und im Prinzip zu den gleichen Bedingungen, die auch vorher schon für das laufende Hilfsprogramm galten. Das ist das Fazit nach der Pressekonferenz des Chefs der Euro-Gruppe, Jereon Dijsselbloem. Der niederländische Finanzminister gab am Freitag Abend bekannt, dass das Hilfsprogramm für Griechenland für vier Monate bis Ende Juni verlängert wird. Das sei möglich geworden, weil der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis in einer zusätzlichen Erklärung zum ursprünglichen Antrag aus Athen die Bedingungen der Euro-Gruppe erfüllt habe. "Die Behörden haben sich heute zu weiteren und tieferen Strukturreformen verpflichtet. Sie haben mit sofortiger Wirkung zugesagt, vollzogene Reformen nicht umzukehren. Einseitige Aktionen, die die haushaltpolitischen Ziele, wirtschaftliche Erholung oder finanzielle Stabilität untergraben würden, werden unterlassen. Das sind die drei Hauptsäulen des Programms", sagte Dijsselbloem.

Schäuble setzt sich durch

Damit hat Griechenland auch die Forderungen von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble akzeptiert, die am Donnerstag noch zu heftigem Streit geführt hatten. Die Erfüllung der Bedingungen wird wie bisher von der EU-Kommission, von der Europäischen Zentralbank und vom Internationalen Währungsfonds (IWF) überprüft. Diese drei Institutionen, vormals Troika genannt, legen der Eurogruppe dann einen abschließenden Bericht vor. Fällt dieser positiv aus, gibt die Eurogruppe, wie bisher auch schon üblich, die noch ausstehenden Kreditraten und Zinsgewinne aus griechischen Anleihen in Höhe von insgesamt 3,9 Milliarden Euro frei. "Beides wird von der Eurogruppe beschlossen, aber unter der Voraussetzung, dass es eine abschließende Überprüfung gibt. Das ist eine Bedingung", bekräftigte Dijsselbloem. Die griechische Regierung ist also entgegen ihrer bekundeten Absicht weder die Bedingungen noch die Troika losgeworden.

Beide Seiten einigten sich in der mittlerweile dritten Verhandlungsrunde darauf, Zeit zu gewinnen, indem das alte, das zweite Hilfsprogramm verlängert wird. In den kommenden vier Monaten soll dann über ein möglicherweise drittes Hilfsprogramm verhandelt werden.

Finanzminister Schäuble: Erst Streit, dann EinigungBild: picture-alliance/AP/Geert Vanden Wijngaert

Varoufakis sieht wesentliche Erfolge

Der griechische Finanzminister Varoufakis bestand nach der Sitzung darauf, dass er seine wesentlichen Ziele doch erreicht habe. Er verwies darauf, dass der strukturelle Überschuss, der im Haushalt erwirtschaftet wird, jetzt eventuell nicht mehr so hoch ausfallen muss, wie die Euro-Gruppe das ursprünglich gefordert hatte. Dazu findet sich in der Tat eine etwas weichere Formulierung in der Abschlusserklärung. Die Zahl von drei Prozent, die für 2015 vorgesehen war, kommt im Text nicht mehr vor. Außerdem wies Varoufakis darauf hin, dass seine radikale Links-Rechts-Koalition jetzt eine eigene Liste von Reformen und Maßnahmen vorlegen könne, die sich von denen der Vorgängerregierung unterscheiden werde. Diese Liste soll bereits am kommenden Montag von den Institutionen (vormals Troika) geprüft werden. Die Finanzminister der Euro-Gruppe wollen über die Reformliste dann am Dienstag in einer Telefonkonferenz befinden. Wenn die Liste stimmig ist, sollen Ende der Woche dann die Parlamente, unter anderem der Bundestag, einer Verlängerung des Hilfsprogramms bis Ende Juni zustimmen. Das Programm wäre sonst am 28. Februar ausgelaufen.

Die Sache mit der Lücke

Die finanziellen Sorgen Griechenlands sind damit aber nicht beseitigt. Minister Varoufakis räumte ein, dass es eine "finanzielle Lücke" geben würde, die in den nächsten Wochen und Monaten überbrückt werden müsse. Mit seinen Amtskollegen in der Euro-Gruppe will Varoufakis bis Ende Juni ein neues Konzept ausarbeiten, um Griechenland sozialverträglicher aus der Schuldenkrise zu führen. "Es ist jetzt entscheidend, dass wir in der Euro-Gruppe eine einfühlsame Diskussion über einen neuen fiskalpolitischen Rahmen für Griechenland führen. Der soll uns erlauben, aus den Schulden herauszuwachsen und sie am Ende uns gegenseitig und anderen Ländern zurückzuzahlen", kündigte Varoufakis an.

Schäuble: Mühsames Ringen für beide Seiten

EU-Diplomaten hoffen nach den harten Verhandlungen über das auslaufende Rettungskonzept, dass die Gespräche über ein neues Programm konstruktiver und sachlicher verlaufen. Syriza und Anel, die Koalitionsparteien in Athen, müssten dafür wohl auf eine Reihe ihrer Wahlversprechen verzichten.

Der deutsche Finanzminister Schäuble, der den härtesten Widerstand gegen die griechsichen Begehrlichkeiten geleistet hatte, gab sich am Ende versöhnlich. "Wir haben versucht, die Vereinbarungen so zu machen, dass Griechenland damit zurande kommen kann, aber wir unserer Verantwortung auch gerecht werden. So ist das mühsame Ringen zu erklären. Das Wetter war in Berlin viel schöner. Wir sind nicht aus Jux und Dollerei heute hierher gekommen", sagte Schäuble. Das Ergebnis hätte man aber auch schon vorletzten Mittwoch haben können, meinte der CDU-Politiker. Da hatte sich Yanis Varoufakis noch gegen die Zusagen, die er am Freitag gab, gesperrt. "Es ist jetzt sehr wichtig, dass gilt, was gilt", sagte Schäuble. Griechenland seien seit Beginn der Krise 2010 nur Zugeständnisse gemacht worden. Insgesamt hat Athen Hilfskredite von 240 Milliarden Euro in Anspruch genommen.

Dem Euro-Gruppen-Chef Jereon Dijsselbloem war anzumerken, dass er nach tagelangen Verhandlungen mitgenommen war. Er habe Vertrauen in die Verlässlichkeit der Partner verloren. "Heute abend haben wir den ersten Schritt gemacht, Vertrauen wieder herzustellen. Wie Sie wissen, kann man Vertrauen viel schneller verspielen als aufbauen. Deshalb war das ein sehr wichtiger Schritt in diesem Prozess." In den nächsten Monaten werde man das Vertrauen brauchen, um Griechenland weiter zu stabilisieren.

Euro-Gruppen-Chef Dijsselbloem: Vertrauen verlorenBild: Reuters/Y.Herman

Unterschiedliche Auslegung der Vereinbarung

Varouvakis verabschiedete sich aus Brüssel mit einer Drohung. Wenn am Dienstag die Euro-Gruppe die griechischen Reformvorschlage nicht akzeptiere, dann sei die ganze Vereinbarung wieder hinfällig. Euro-Gruppen-Chef Dijsselbloem konterte, alle Maßnahmen, die Griechenland vorschlage, müssten haushaltsneutral sein. Wenn an einer Stelle mehr ausgegeben werde solle, müsse das an anderer Stelle wieder hereingeholt werden. Wie die Syriza-Partei ihre Versprechen, Sozialausgaben und Mindestlohn zu erhöhen, unter diesen Umständen durchsetzen will, blieb in Brüssel unklar.

Djisselbloem stellte noch einmal klar, dass der gesamte Hilfsvertrag mit Griechenland verlängert werde. Der umfasse selbstverständlich auch das "Memorandum of understanding", eine lange Liste von wirtschaftlichen und finanzpolitischen Maßnahmen, auf die sich die Euro-Gruppe und die damalige griechische Regierung 2012 verständigt hatten. Yanis Varoufakis widersprach. Das "Memorandum" sei tot, sagte er. Es scheint also noch Spielraum für unterschiedliche Interpretation der in Brüssel beschlossenen Texte zu geben.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen

Mehr zum Thema

Weitere Beiträge anzeigen
Den nächsten Abschnitt Top-Thema überspringen

Top-Thema

Den nächsten Abschnitt Weitere Themen überspringen