1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Euro ohne Deutschland?

Maya E. Shwayder / dk27. Juli 2015

Monatelang haben sich Europas Politiker gefragt, ob Griechenland den Euro nicht besser aufgeben sollte. Nun fragen einige Ökonomen, ob nicht besser Deutschland den Euro verließe. Dieser Ansicht ist nicht jeder.

EU Deutschland Finanzkrise Euro-Krise 1 Euro Münze und 1 D-Mark
Bild: dapd

Während in den vergangenen Monaten der Streit um einen möglichen Grexit tobte, die Uneinigkeit um die richtige Rettungspolitik die Schlagzeilen bestimmte, um Deutschlands Beharren auf der Austeritätspolitik gerungen wurde und die Angst der Gläubiger, ihr Geld von den Griechen nie mehr zurückzubekommen, immer größer wurde, haben einige prominente Ökonomen ganz unaufgeregt und fast nebenbei einen weiteren Weg aus der Krise aufgezeigt: einen deutschen Austritt aus dem Euro.

Deutschland, so der Gedanke, verlässt die Gemeinschaftswährung und macht damit den Weg frei für die südlichen Euro-Länder, ihre Verschuldung mit einer dann deutlich abgewerteten Währung zu stabilisieren und in der Folge auch ihre Wirtschaft in den Griff zu bekommen. Gemeint sind damit Griechenland, Italien, Spanien und unter Umständen auch Portugal.

Große Freude über die neue Währung - und jetzt soll der Euro nur ein großer Irrtum gewesen sein?Bild: picture-alliance/dpa

Zuletzt hat Ashoka Mody von der Universität Princeton in den USA dieses Modell verteidigt. In einem Kommentar, der am 17. Juli erschienen ist, legt er dar, warum ein Gerxit (also ein "German Exit") einem Grexit (einem Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone) vorzuziehen wäre.

"Eine Umorganisation der Währungsunion in den nächsten 25 bis 30 Jahren ist unausweichlich", sagte Mody gegenüber DW. "Die einzige Frage ist: Welches ist der vernünftigste Weg, was richtet die wenigsten Zerstörungen an?"

Eine fiskalische Zwangsjacke

Mody vertritt die Ansicht, dass Deutschlands Finanzminister irrt, wenn er das Problem der griechischen Staatsverschuldung und das "Eurozonen-Experiment" miteinander verschmilzt.

"Schäubles Annahme ist: Wenn die Griechen den Euro verlassen, wird die Eurozone mit ihren verbleibenden Mitgliedern reibungslos funktionieren. Schäuble sieht das Problem nicht in der Konstruktion der Eurozone, sondern lediglich in der Unfähigkeit der Griechen, die europäischen Spielregeln zu befolgen", so Mody.

Mody erkennt durchaus, dass Griechenland ein Schuldenproblem hat, betont aber, dass die Schulden nichts mit den anderen Problemen zu tun haben, mit denen die Währungsunion zu kämpfen hat. "Wenn nichts geschieht, außer dass Griechenland die Eurozone verlässt, dann wird mit Sicherheit schon bald ein anderes "griechisches" Problem auftauchen. Das Problem, dass so verschiedene Volkswirtschaften nicht in eine monetäre und fiskalische Zwangsjacke gesteckt werden können, wird bestehen bleiben."

Er hält, wie viele andere Ökonomen und Eurozonen-Kritiker auch, Italien als das unvermeidliche neue Sorgenkind des Euro. "Wir wissen nicht, ob Italien je in der Lage sein wird, seine Schulden zu bezahlen", sagt Mody und fügt hinzu: "Der Versuch, Länder mit verschiedenen Möglichkeiten, verschiedenen geschichtlichen Voraussetzungen und verschiedenen Kulturen in Eins zu zwingen, funktioniert einfach nicht."

"Eine unüberlegte Union"

Für Mody ist klar, dass es der am wenigsten zerstörerische Ausweg aus der Krise wäre, wenn Deutschland zur D-Mark zurückkehrte: "Deutschland würde durch einen Austritt aus dem Euro am wenigstens leiden."

Die Idee, ein "Gerxit" sei einem "Grexit" vorzuziehen, ist nicht neu. Sie geht wenigstens auf das Jahr 2012 zurück. Damals beschrieb der amerikanische Investor George Soros in einem Blog, wie ein deutscher Rückzug aussehen könnte und warum er segensreich wirken könnte: Deutschland bekäme seine eigene, starke Währung und die schwächeren Volkswirtschaften könnten sich mit einem deutlich geschwächten Euro wieder erholen. Die Deutschen würden reicher und die südlichen Europäer wären weniger arm.

Am gleichen Tag, als Mody seinen Beitrag veröffentlichte, schrieb Ben Bernanke, der ehemalige Chef der US-amerikanischen Notenbank Fed, einen Kommentar für das Brookings Institute, einem einflussreichen Think-Tank in Washington. Darin schrieb er, dass Europa seinen Anteil bei der Lösung der griechischen Schuldenkrise nicht leiste.

Während in der Eurozone die Arbeitslosenquote in den vergangenen Jahren um die elf Prozent schwanke, sei sie in den USA auf 5,3 Prozent, den niedrigsten Wert seit Jahren, gefallen. Es gäbe zu große Unterschiede in der Eurozone: In Deutschland liege die Arbeitslosigkeit gegenwärtig unter fünf Prozent, während sie in anderen Ländern des Euro-Raumes um die 13 Prozent liege.

"Das Versprechen des Euro war, den Wohlstand zu mehren und die europäische Integration zu befördern", schrieb Bernanke. Dies geschehe aber nicht und werde nicht geschehen, solange die Euro-Länder wirtschaftlich so unterschiedlich stark seien.

Diese Länder seien, sagen Analysten, nicht nur unterschiedlich leistungsfähig, sie hätten auch ganz verschiedene wirtschaftliche Voraussetzungen. Darum, argumentiert Mody, sei der Gedanke, mit so unterschiedlichen Ländern eine Währungszone zu schmieden, nicht sehr klug gewesen: "Die Union war schlecht überlegt und verursacht nun große Schmerzen.".

Einen Ausgleich finden

Ohne einen starken politischen Willen, die Währungsunion am Leben zu erhalten, wird sie unweigerlich zerbrechen, warnen Experten. Das Land, das am wenigsten darunter leiden würde, darin sind sich Mody, Bernanke, Soros und viele andere einig, wäre Deutschland.

Vor 13 Jahren noch verschrottet: Die D-MarkBild: picture-alliance/dpa

"Diese Erkenntnis", so Mody, " zeigt, wie ein Gleichgewicht für die verschiedenen Länder zu finden ist. Der Ausgleich könnte so aussehen, dass es zwei Währungen gibt: einen Euro im Süden und die Deutsche Mark im Norden. Es könnte aber auch 15 neue Währungen in den kommenden 30 Jahren geben."

Eine Katastrophe droht

Gleichzeitig melden sich andere, wie etwa die beiden Professoren Iain Begg und John Ryan von der Londoner School of Economics, die einen deutschen Euro-Austritt für ein "Desaster" halten.

"Nach der Gründung der Europäischen Union ist die Einführung des Euro eine der größten Errungenschaften Deutschlands in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts", so Ryan zur DW. "Aus politischer Sicht ist da sehr viel Kapital investiert worden."

Darüber hinaus ist der Euro eine geopolitische Errungenschaft mit starkem Potential. Europa, stellt er fest, sei ein sicherer Hafen für Investments und Geschäftsbeziehungen.

"Und ein Deutschland, das den Euro verließe, würde eine verheerendes Signal aussenden. Es ist nicht anzunehmen, dass die Eurozone das überleben würde."

Verließe Deutschland den Euro, würden in rascher Folge auch die Niederlande, Belgien, Österreich und die baltischen Staaten zum Notausgang rennen, sagt Iain Begg. Der Kontinent bräche auseinander und sowohl der Norden als auch der Süden würden darunter leiden. Und Länder wie Irland, die Slowakei und Slowenien hingen dann in der Luft.

Ein Deutschland ohne Euro, mit einem in der Folge auseinanderbrechenden Europa, hätte "tiefgreifende Folgen für die europäische Integration und für den Euro sowieso. Das würde in Berlin als Katastrophe empfunden werden."

Eine wiederbelebte D-Mark, sagen sowohl Ryan als auch Begg, wäre schnell eine sehr starke Währung. Aber, fügen sie hinzu, das klänge nur gut, sei in Wirklichkeit aber eine hohe Bürde für die deutschen Exporteure, die einen gewaltigen Einbruch ihrer Wettbewerbsfähigkeit verkraften müssten.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen

Mehr zum Thema

Weitere Beiträge anzeigen