Euro-Zone bangt um Finnlands Verlässlichkeit
18. April 2011Nach dem massiven Zugewinn der eurokritischen Partei "Wahre Finnen" bei der Parlamentswahl in Finnland macht sich Sorge breit über die Zukunft des Euro-Stabilitätspakts. Die EU-Kommission erklärte in einer ersten Reaktion, sie habe volles Vertrauen, dass Finnland seinen Verpflichtungen nachkomme.
Man erwarte, dass sich das Land weiterhin am Euro-Rettungsfonds beteiligen werde, sagte eine Sprecherin am Montag (18.04.2011) in Brüssel. Die Vorbereitung des Hilfsprogramms für das hoch verschuldete Euro-Land Portugal gehe wie geplant weiter.
Bislang haben Kompromisse gehalten
Zuvor hatte auch die deutsche Bundesregierung an die Vertragstreue der Nordeuropäer appelliert. "Es war gute Tradition und auch das Erfolgsrezept von Europa, dass unabhängig von Regierungswechseln bereits vereinbarte Kompromisse auch über den Tag hinaus gehalten haben", sagte ein Regierungssprecher in Berlin.
Mit Parolen gegen den Euro und gegen Finanzhilfen für verschuldete Euro-Länder war es den "Wahren Finnen" gelungen, bei der Abstimmung vom Sonntag drittstärkste Kraft zu werden. Damit werden sie wahrscheinlich an der neuen Regierung in Helsinki beteiligt sein.
Ratifizierung steht noch aus
Sie hätten dann einen entscheidenden Einfluss auf die Politik der EU, denn Finnland ist der einzige Euro-Staat, in dem neben der Regierung auch das Parlament jedem einzelnen Rettungsprogramm für Partnerländer zustimmen muss.
Für das Inkrafttreten des Stabilitätspaktes einschließlich Hilfen an Portugal müssen alle 27 EU-Länder zustimmen. Die bisherige Regierung in Helsinki hatte dem Paket zugestimmt, die Ratifizierung im Reichstag aber bis nach der Wahl aufgeschoben.
Zu nachgiebig in Brüssel
Der Chef der "Wahren Finnen", Timo Soini, bekräftigte nach Bekanntgabe der Wahlergebnisse vor Journalisten in Helsinki, es sei nicht hinnehmbar, dass Finnland "für die Fehler anderer bezahlt" und fügte vollmundig hinzu: "Wir waren bisher zu weich gegenüber Europa. Das muss sich ändern."
Der 48-Jährige davon aus, dass seine Partei an den Gesprächen zur Regierungsbildung teilnehmen wird. Die konservative Nationalpartei des scheidenden Finanzministers Jyrki Katainen, die aus der Wahl mit 20,4 Prozent knapp als stärkste Kraft hervorging, wird voraussichtlich noch diese Woche zu Koalitionsverhandlungen einladen. Auf Platz zwei hinter den Konservativen kamen die bislang oppositionellen Sozialdemokraten mit 19,1 Prozent.
Wahlergebnis beeinflusst Koalitionsgespräche
Ob sie sich die "Wahren Finnen" im Falle einer Regierungsbeteiligung dann auch mit ihrem EU-kritischen Programm durchsetzen können, ist unklar. Der deutliche Zuspruch der Bevölkerung für diese Partei dürfte aber in jedem Fall die Gespräche beeinflussen.
"Für die finnische Politik ist das ein Paukenschlag. Das ist ein immenser Bruch. Es wird den Inhalt der finnischen Politik verändern", prognostiziert Jan Sundberg, Professor an der Universität in Helsinki. Somit spiegelt sich in dem Wahlergebnis auch der zunehmende Frust der Bevölkerung über die Politik wider. Offenbar lehnen es viele Finnen ab, die Rechnung für andere hoch verschuldete Euro-Länder zu übernehmen.
Gegen die EU, gegen Ausländer, gegen Abtreibung
In dem nordeuropäischen Land sind traditionell alle Parteien zur Zusammenarbeit in einer Regierung bereit. Darin schlossen die bisher führenden Parteien im Wahlkampf ausdrücklich auch die populistischen "Wahren Finnen" ein. Neben ihrer Anti-EU-Linie und der Forderung nach einer schärferen Ausländerpolitik treten sie auch für ein Verbot gleichgeschlechtlicher Ehen sowie umfassende Abtreibungsverbote ein.
Die bisherige Ministerpräsidentin Mari Kiviniemi vom bäuerlich-liberalen Zentrum erklärte, sie sei zum Wechsel in die Opposition bereit. Ihre Partei war mit 15,8 Prozent klare Verliererin der Wahl. Die 42-Jährige hatte erst im vorigen Juni ihr Amt als zweite Frau an der Regierungsspitze in Finnland angetreten.
Als wichtiger Grund für die hohen Verluste des Zentrums - bisher stärkste Partei mit 23,1 Prozent - gelten Vorwürfe wegen zweifelhafter Finanzierungspraktiken bei früheren Wahlkämpfen. Sie gaben den Ausschlag für den Rücktritt von Kiviniemis Vorgänger und Parteikollegen Matti Vanhanen neun Monate vor der Wahl.
Autorin: Eleonore Uhlich (dpa, rtr)
Redaktion: Sabine Faber