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Eurokrise Ökonomen

Klaus Ulrich16. Oktober 2014

Schlechte Konjunkturdaten, sinkende Börsenkurse, steigende Arbeitslosigkeit: Europa befindet sich weiterhin im Krisenmodus. Ohne Gegensteuern könnte die Existenz der Eurozone gefährdet sein.

Portugal, Protest gegen Jugendarbeitslosigkeit (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Viele Ökonomen sind sich einig: Die Gefahr, dass Europa in den wirtschaftlichen Abgrund taumelt, ist noch lange nicht überwunden. "Wir haben jetzt eine andere Form der Eurokrise", sagt der Analyst Robert Halver von der Baader Bank im Gespräch mit der DW. Nach der Staatsverschuldung stehe nun die Eurokonjunktur im Mittelpunkt der Krisendiskussion.

In vielen Ländern der Eurozone würden Reformen zur Standortverbesserung nicht ergriffen. "Aber nur die Reformen schaffen es ja, Unternehmensinvestitionen in die Länder zu bringen und damit stabile Arbeitsplätze", so Halver. Er befürchtet einen Rückfall in "die Zeit der kalten Schuldenbarberei, wo man meint, mit Schulden die Wirtschaft stabilisieren zu müssen". Und das sei sehr gefährlich.

Gefährlicher als die Lehman-Pleite

Der Wormser Ökonom Max Otte hatte als einer der wenigen Volkswirte bereits 2006 die spätere Weltfinanzkrise voraus gesagt. Er glaubt, dass der gegenwärtige wirtschaftliche Abschwung noch viel gefährlicher sein könnte, als zur Zeit der Lehman-Pleite 2008.

"Bei der Finanzkrise vor sechs Jahren war es eine Panik. Da hätte auch das Weltfinanzsystem auseinander fliegen können. Das haben wir mit viel billigem Geld gelöst", so Otte zur DW. Strukturreformen seien danach aber ausgeblieben, grundsätzliche Probleme wurden weder angegangen, geschweige denn gelöst.

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Häufung von negativen Trends

Das räche sich jetzt. Hinzu käme aktuell eine Häufung von negativen Trends: Die Staatsschulden stiegen noch weiter in Europa, der Süden befinde sich in einer katastrophalen Depression mit 50 Prozent Arbeitslosigkeit und mehr. Die Wachstumspolitik versage. "Der Wirtschaftskrieg, den wir dummer Weise mit Russland führen, belastet vor allem Deutschland und Österreich. Isis und der Nahe Osten verschlechtern auch noch die Stimmung", sagt Otte. So komme eins zum anderen Außerdem sei die politische Instabilität in Europa ein "Konjunkturgeschenk" für die USA: "Die Konzerne fangen an, ihre Investitionen von Europa nach Amerika zu verlagern."

Hans-Werner Sinn, der Präsident des Münchner Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung befürchtet ein jahrelanges Siechtum der Wirtschaft in Europa. Die Lage in den südlichen Euroländern lasse keinen leichten Ausweg erkennen, sagte er kürzlich vor Journalisten. "Die Krise ist eindeutig noch nicht vorbei."

Alarmierendes Signal aus Italien

In Italien beobachtete das Ifo-Institut in den vergangenen Monaten eine Kapitalflucht wie zuletzt vor dem EZB-Anleiheversprechen vor zwei Jahren. 67 Milliarden Euro Kapital seien im August und September abgezogen worden, indem Gläubiger Kredite nicht verlängert hätten. "Das ist ein alarmierendes Signal und zeigt, dass die Kapitalmärkte wieder in Aufregung sind", sagte Sinn.Im Jahr 2012 hatte die Europäische Zentralbank den unbegrenzten Kauf von Staatsanleihen angekündigt und damit die Krise entschärft.

Seitdem können sich Länder in der Eurozone zu günstigsten Konditionen verschulden. Das lädt natürlich dazu ein, immer neue Schulden zu machen. Dadurch werden die Probleme zwar überspielt, aber nicht gelöst. Denn irgendwann müssen auch die neuen Schulden wieder getilgt werden, und das wird immer schwieriger. "Mittlerweile haben wir Länder in der Eurozone, die neue Schulden machen, um die Kredite der alten Schulden einigermaßen zurück zu zahlen", sagt Robert Halver.

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Beherztes Vorgehen

Der Analyst kritisiert aber auch die Sparpolitik der Bundesregierung. Sie dürfe "nicht sklavisch" an der schwarzen Null für 2015 festhalten. "Wir haben ab 2008 sehr deutlich gesehen, wie aus einem Aufschwung ein massiver Abschwung geworden ist."

Hans-Werner Sinn spricht sich erneut für ein beherztes Vorgehen mit einem offenen Schuldenschnitt in den Krisenländern aus. "Meine Meinung ist, wir kommen mit dem Klein-Klein nicht weiter in der Eurozone."

Die Europäische Union sei viel zu abhängig von Amerika, lasse sich also "von außen" diktieren, was zu tun sei, spielt Max Otte auf die anglo-amerikanische Anti-Krisen-Strategie an. Die besteht ja bekanntlich darin, mit Hilfe der Notenbank immer mehr extrem billiges Geld in die Märkte zu pumpen. Von diesem Vorbild müsse sich Europa lösen.

Einschneidende Maßnahmen

Wie Sinn fordert Otte außerdem wirklich einschneidende Maßnahmen: "Am Konstrukt des Euros muss etwas verändert werden, das ist eine wichtige Sache." Dazu gehöre ein sofortiger Ausstritt einiger Randstaaten aus der Eurozone, nicht aus der Europäischen Union - "das muss man immer wieder betonen", so Otte.

Abwarten und hoffen, dass sich die Krise quasi von selbst irgendwann lösen könnte, ist jedenfalls keine seriöse Option. Dafür ist die Situation zu gefährlich. In diesem Sinne meint Robert Halver: "Der Schuss muss jetzt sitzen. Wir dürfen keine weitere Verschärfung der Konjunkturkrise zulassen. Im Extremfall stellt sich sogar die Existenzfrage der Eurozone."

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