Kulturhauptstädte 2018: Leeuwarden und Valletta
28. Dezember 2017Im niederländischen Leeuwarden wurde das Projekt "Kulturhauptstadt Europa" zum gesellschaftlichen Experiment ausgebaut. Anhand von Kunst und Kultur soll in der friesischen Regionalhauptstadt der Traum einer offenen Gesellschaft, auf Friesisch "iepen mienskip", erarbeitet werden. In zahlreichen Ausstellungen, Workshops und Performances sollen Themen wie Nachhaltigkeit, Diversität und soziale Ungerechtigkeit diskutiert werden. "Wir werden etwas wagen, was wir noch nie zuvor in diesem Umfang und auf diesem Niveau getan haben", heißt es dazu auf der Webseite "Leeuwarden-Fryslân 2018".
Landwirtschaft trifft Kunst in Friesland
Doch die großen Ambitionen werden bodenständig umgesetzt. Die Organisatoren besinnen sich auf das ländliche Erbe Frieslands. Zahlreiche Programmpunkte haben einen starken Bezug zur Landwirtschaft, dem stärksten Wirtschaftszweig der Region. Im Rahmen des Projekts "Farm of the World" wird auf einem ehemals verlassenen Bauernhof gleichzeitig Bio-Gemüse angebaut und nachhaltige Kunst gemacht. Das Musiktheaterstück "Verloren im Gewächshaus" erzählt die Geschichte der Freundschaft zwischen friesischen und polnischen Feldarbeitern und nimmt sich neben der Nachhaltigkeit auch dem Thema der Integration an.
Passend zum Motto der Kulturhauptstadt Leeuwarden ist das Besucherzentrum im "De Blokhuispoort", einem ehemaligen Gefängnis, untergebracht. In wöchentlichen Diskussionsveranstaltungen können Einheimische, Besucher und Künstler am gesellschaftlichen Wandel mitarbeiten. Wer es lieber etwas klassischer hat, wird außerhalb Leeuwardens fündig. Im Rahmen der Kulturhauptstadt findet in Groeningen unter dem Titel "Die Romantik im Norden - von Friedrich bis Turner" eine Ausstellung über romantische Landschaftsmalerei statt.
Finanziell kann Leeuwarden aus dem Vollen schöpfen. Mit knapp 80 Millionen Euro ist das Budget der niederländischen Kulturhauptstadt vergleichsweise groß. Valletta, die zweite europäische Kulturhauptstadt 2018, muss mit zehn Millionen Euro auskommen.
Barockes Erbe Maltas
Während die friesische Kulturhauptstadt nordisch-ruhig mit einem Kinderchor und gratis Museumsbesuchen eingeläutet wird, steht auf Malta eine einwöchige Eröffnungsparty auf dem Programm. Die Organisatoren versprechen ein traditionelles Inselfest, eine "Festa", mit Musik, Tanz und Straßenkünstlern. Und nicht nur auf der Hauptinsel Malta soll gefeiert werden, auch die Nachbarinsel Gozo soll in den Eröffnungsakt einbezogen werden.
Trotz des kleineren Budgets ist der maltesische Kulturkalender prall gefüllt. 140 Projekte und 400 Veranstaltungen sind über das ganze Jahr in und um Valletta geplant. Thematisch schließt sich Malta dem "Europäischen Jahr des kulturellen Erbes" an, das ebenfalls 2018 stattfindet. Die Kulturhauptstadt Valletta will das "einzigartige Erbe der maltesischen Inseln" hochleben lassen.
Darunter fällt einerseits die barocke Architektur der Insel, die in neuem Glanz erstrahlen soll, andererseits auch die Verbundenheit zum Wasser, die bei einem spektakulären Wettkampf zur Schau gestellt werden soll. Aber auch ein Film- sowie ein Literaturfestival und eine Modenschau stehen auf dem Programm von "Valletta 2018".
Brexit verhindert britische Kulturhauptstadt
Griechenlands Hauptstadt Athen war die erste europäische Kulturhauptstadt in Jahr 1985. Ins Leben gerufen wurde die Initiative von der damaligen griechischen Kulturministerin Melina Mercouri. Ziel war es, die kulturellen Besonderheiten der verschiedenen europäischen Städte bekannt zu machen. Seither hat sich das Projekt, für das auch Fördermittel der EU zur Verfügung stehen, zu einem Katalysator für Stadtentwicklung und Tourismus entwickelt.
Die britische Stadt Liverpool, die 2008 europäische Kulturhauptstadt war, hat damals nach eigenen Angaben 170 Millionen Pfund (ca. 200 Millionen Euro) investiert, aber seither 750 Millionen Pfund (ca. 900 Millionen Euro) an Mehreinnahmen generiert. Auch die Übernachtungszahlen stiegen sprunghaft an. Umso bitterer dürfte die Entscheidung der EU-Kommission für einige britische Städte gewesen sein, nach dem Ausscheiden Großbritanniens aus der Union keine britischen Bewerbungen mehr zuzulassen.
Kulturhauptstädte werden nach dem Rotationsprinzip vergeben. Großbritannien wäre 2023 wieder dran gewesen, wird dann voraussichtlich aber kein EU-Mitgliedsland mehr sein. Neben EU-Ländern können auch Mitglieder des europäischen Wirtschaftsraums und Staaten, die sich für den EU-Beitritt bewerben, an dem Wettbewerb teilnehmen. Die britischen Städte Leeds, Dundee und Nottingham hatten bereits kostspielige Bewerbungen eingereicht, die jetzt nicht mehr berücksichtigt werden. Für 2019 stehen die Kulturhauptstädte bereits fest: Matera in Italien und Plowdiw in Bulgarien.