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PolitikEuropa

Europäische Staaten und ihre Haltung zu Palästina

25. September 2025

Seit Beginn des Gazakrieges im Oktober 2023 ringen Europas Staaten um eine gemeinsame Haltung zum Nahen Osten. Bis heute sind die Positionen vor allem zu einem eigenen Palästinenserstaat sehr verschieden. Ein Überblick.

Eine riesige palästinensische Flagge flattert vor einer Menschenmenge bei der "Lift The Ban"-Demonstration in London. Im Hintergrund ist Big Ben zu sehen
Pro-palästinensische Demonstration in London, September 2025Bild: Carlos Jasso/REUTERS

Frankreich

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte seit Beginn des Gazakrieges im Oktober 2023 mehrfach öffentlich die Anerkennung Palästinas in Aussicht gestellt, diese dann aber doch immer wieder hinausgezögert. Im Vorfeld der UN-Generalversammlung hat Macron diesen Schritt nun aber vollzogen.

Macron hatte zuvor das israelische Vorgehen in Gaza wiederholt scharf kritisiert. Er bezeichnete die humanitäre Krise sowie die hohe Zahl von Opfern unter der Zivilbevölkerung als "intolerabel". Auch lehne Paris jede Form von erzwungener Vertreibung der Palästinenser ab. 

Emmanuel Macron (links) bei einem Treffen mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas in Ramallah (2023)Bild: Christophe Ena/Pool/ABACA/picture alliance

Der französische Präsident positioniert sich als klarer Verfechter der Zwei-Staaten-Lösung. In einem eigenständigen Palästinenserstaat dürften Organisationen wie die radikalislamische Hamas, die von Deutschland, der USA, der Europäischen Union und einigen arabischen Staaten als Terrororganisation eingestuft wird, keinesfalls Teil der Regierung werden.

Paris fordert einen Waffenstillstand im Gazastreifen, die Freilassung von Geiseln, ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfe und eine Stabilisierung der Region. Zudem erwartet Paris von Israel, dass es den Ausbau von Siedlungen im Westjordanland stoppt und alle etwaigen Annexionspläne begräbt.

Großbritannien

Bereits am Sonntag hatte Großbritannien Fakten geschaffen: Premierminister Keir Starmer verkündete die Anerkennung Palästinas als eigenständigem Staat. Wie Macron will auch Starmer an der Zwei-Staaten-Lösung festhalten.

Großbritannien hat historisch gesehen eine besondere Verbindung zu der Region in Nahost: Die einstige Kolonialmacht verwaltete Palästina per Mandat des Völkerbundes. 1917 erließen die Briten die sogenannte Balfour-Deklaration und verpflichteten sich dazu, "in Palästina eine Heimat für das jüdische Volk" zu errichten.

Die Mandatszeit endete 1948 mit der Gründung Israels und dem ersten Arabisch-Israelischen Krieg. Diese Zeit prägt bis heute das historische und politische Verhältnis zu Israel und den Palästinensern.

Premierminister Starmer bei einer Erklärung zu GazaBild: Youtube/@KeirStarmer

Spanien

Spanien unterstützt sehr deutlich die Seite der Palästinenser; schon im Mai 2024 hat Madrid den Staat Palästina offiziell anerkannt. Es sieht eine Zwei-Staaten-Lösung als einzig realistische Möglichkeit, den Konflikt im Nahen Osten zu beenden. Spanien baut derzeit seine Hilfe für die Palästinensischen Gebiete sowohl finanziell als auch institutionell aus - so gab es etwa bereits ein erstes zwischenstaatliches Treffen mit Vertretern der palästinensischen Autonomiebehörde in Madrid, bei dem gemeinsame Projekte in den Bereichen Bildung und Arbeit besprochen wurden.

Die palästinensische Frage wurde in Spanien schon früh als Teil des globalen Kampfes gegen Kolonialismus und Unterdrückung gesehen. Ende der 1970er Jahre, als Spanien gerade selbst die Franco-Diktatur abgeschüttelt hatte und seine demokratischen Werte festigte, entwickelten sich starke linke Parteien und Bewegungen, die sich mit antikolonialen Befreiungskämpfen weltweit - und auch mit den Palästinensern unter israelischer Besatzung - solidarisierten.

In Spanien führten im September 2025 Proteste gegen den Krieg in Gaza zu einem Abbruch des Radrennens La VueltaBild: Manu Fernandez/AP Photo/dpa/picture alliance

Die spanische Regierung betont, dass ihre Anerkennung Palästinas nicht gegen Israel gerichtet sei. Auch Israel wird von Madrid als Staat anerkannt; jedoch kritisierte die Regierung in Madrid wiederholt Verletzungen des Völkerrechts durch Israel oder den Siedlungsbau im Westjordanland.

Gespaltenes Europa

Neben diesen drei Ländern haben auch andere europäische Staaten Palästina bereits als Staat anerkannt: dazu gehören etwa Irland, Polen, oder Norwegen. Im Rahmen der UN-Vollversammlung kommen unter anderem Portugal, Belgien und Finnland hinzu.

Andere europäische Staaten, allen voran Deutschland, äußern sich gegenüber einer Anerkennung Palästinas als eigenem Staat deutlich zurückhaltender. Diese könne nicht einseitig, sondern nur nach Erreichen einer Verhandlungslösung geschehen, so die Position.

Tschechische Republik

Zu diesen Staaten gehört etwa die Tschechische Republik. Sie zählt zu den offensten Unterstützern Israels in der EU. Das Land pflegt enge diplomatische, wirtschaftliche und sicherheitspolitische Beziehungen zu Israel. Kritik äußert Prag in internationalen Debatten nur zurückhaltend.

Die Tschechische Republik - und zuvor die Tschechoslowakei - pflegte schon seit der Gründung Israels enge Beziehungen; bereits in den 1940er und 1950er Jahren lieferte Prag dem noch jungen Staat Israel Waffen. Die Unterstützung des Landes ist in Tschechien parteiübergreifend Konsens.

Und auch die Bevölkerung blickt traditionell positiv auf Israel. Eine Anerkennung Palästinas als eigenständigen Staat lehnte Prag bislang immer ab - obwohl die 1993 aufgelöste Tschechoslowakei Palästina 1988 mit einer Reihe mittel- und osteuropäischer Länder anerkannt hatte.

Ungarn

Die damalige Volksrepublik Ungarn hat zwar ebenfalls bereits 1988 Palästina als Staat anerkannt. Es gibt auch eine palästinensische Botschaft in Budapest. Dennoch ist das heutige Ungarn in vielen Belangen klar pro‑israelisch. 2024 erklärte Premier Viktor Orban, Ungarn erkenne Palästina nicht an.

Innerhalb der EU zählt seine Regierung zu den vehementesten Unterstützern Israels: So verweigerte Budapest mehrfach die Unterstützung für EU‑Erklärungen, die einen Waffenstillstand in Gaza fordern, oder sanktionierende Maßnahmen gegen israelische Siedler.

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban (links) empfing Benjamin Netanjahu im April - ungeachtet eines internationalen Haftbefehls gegen Israels PremierBild: Attila Kisbenedek/AFP/Getty Images

Als Reaktion auf die Ausstellung eines Internationalen Haftbefehls gegen Israels Premierminister Benjamin Netanjahu hat Ungarn beschlossen, den Internationalen Strafgerichtshof (IStGh) zu verlassen. Begründet wurde der Schritt damit, dass das Gericht insbesondere in Hinsicht auf den Nahostkonflikt "politisch voreingenommen" sei. Der Schritt fiel zusammen mit offiziellen Besuchen israelischer Spitzenpolitiker in Ungarn und mit der Weigerung, einen durch den IStGh ausgestellten Haftbefehl gegen Netanjahu umzusetzen. 

Thomas Latschan Langjähriger Autor und Redakteur für Themen internationaler Politik
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