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Gericht verurteilt Türkei wegen Kavala-Haft

11. Juli 2022

Die Türkei missachtet ein früheres Urteil, das die Freilassung des seit 2017 inhaftierten türkischen Kulturförderers anordnete. Dafür hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte das Land nun gerügt.

Türkei Osman Kavala
Osman Kavala (Archivbild) Bild: Kerem Uzel/dpa/picture alliance

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat die Türkei zu einer Geldstrafe verurteilt. Ankara habe das Urteil des EGMR aus dem Jahr 2019 zur sofortigen Freilassung des türkischen Menschenrechtsaktivisten und Verlegers Osman Kavala missachtet, teilte das Gericht in Straßburg mit. Die Türkei muss 7500 Euro an Kavala zahlen (Aktenzeichen: 28749/18).

Der Kulturförderer sitzt seit Oktober 2017 im Gefängnis. Die türkischen Behörden machten den Regierungskritiker für die Demonstrationen und Ausschreitungen vom Mai 2013 in Istanbul wegen des geplanten Abrisses des Gezi-Parks mitverantwortlich. Außerdem unterstellten sie Kavala eine Unterstützung des niedergeschlagenen Militärputsches gegen die türkische Regierung im Juli 2016 und beschuldigten ihn der Spionage.

Politisch motiviertes Vorgehen

Der Menschenrechtsgerichtshof bewertete das Vorgehen gegen den 64-Jährigen als politisch motiviert, ohne sachlichen Grund und ordnete im Dezember 2019 seine Freilassung an. Die Türkei ignorierte dies. Stattdessen wurde Kavala abermals angeklagt und im April in Istanbul zu lebenslanger Haft unter erschwerten Bedingungen und ohne Aussicht auf vorzeitige Entlassung verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Hunderte Menschen protestieren am 26. April in Istanbul gegen das Kavala-Urteil Bild: Umit Bektas/REUTERS

Die Große Kammer in Straßburg befand nun am Montag, dass die Türkei fortlaufend ihre vertraglichen Verpflichtungen zur Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention verletzt. Weder die Anordnung einer neuerlichen Untersuchungshaft vom 9. März 2020 noch die dazugehörige Anklage enthielten "irgendwelche substanziellen neuen Tatsachen", so das Gericht. Wie bei der anfänglichen Inhaftierung seien die Kavala zur Last gelegten Tätigkeiten gänzlich legal. Die Türkei könne nicht glaubhaft machen, dass sie "in Übereinstimmung mit den Schlussfolgerungen und dem Geist" der Entscheidung des Menschenrechtsgerichtshofs gehandelt habe. 

Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet

Das Ministerkomitee des Europarates hatte im Dezember 2021 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Türkei eingeleitet. Ein solches Verfahren wegen Nichtumsetzung eines verbindlichen Urteils des Menschenrechtsgerichtshofs wurde bislang erst einmal aktiviert: 2017 gegen Aserbaidschan. Damals lenkte die Regierung in Baku vor einem Ausschluss ein, indem sie den inhaftierten Politiker Ilgar Mammadov freiließ.

Im September will sich das Ministerkomitee des Europarates abermals mit dem Fall befassen. Theoretisch ist ein Ausschluss der Türkei aus dem Europarat möglich.

se/fab (dpa, kna, epd, afp, ap)

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