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Politik

Chronik einer Abschottung

Helena Kaschel
23. Juni 2017

Stacheldrahtzäune, Patrouillen, Passkontrollen: Die Flüchtlingsdebatte und der Terrorismus haben die europäische Grenzpolitik verändert. Die EU ist zerstritten - wie der jüngste Gipfel erneut gezeigt hat. Ein Rückblick.

Ungarn Flüchtlinge in dern Nähe von Röszke
August 2015: Flüchtlinge durchbrechen eine Absperrung bei Röszke an der Grenze zwischen Ungarn und SerbienBild: picture-alliance/dpa/MTI/S. Ujvari

2015

16. Januar: Bulgarien kündigt an, den 33 Kilometer langen Zaun an der Grenze zur Türkei um weitere 130 Kilometer erweitern zu wollen. Nach Angaben der Regierung ist die Zahl der Flüchtlinge, die ins Land kommen, im Vergleich zu 2013 um 200 Prozent gestiegen. Der Balkanstaat rechnet mit einem weiteren Anstieg der Flüchtlingszahlen.

17. Juni: Die ungarische Regierung unter dem rechtskonservativen Ministerpräsidenten Viktor Orban ordnet den Bau eines Zauns an der Grenze zu Serbien an. Einen Monat später beginnen die Arbeiten an dem 175 Kilometer langen Abschnitt. Am 14. September steht der Grenzzaun. Mit 94 Millionen Euro ist er deutlich teurer als ursprünglich geplant. 

13. September: Deutschland führt Kontrollen an allen Landesgrenzen ein, insbesondere an der zu Österreich. Ziel sei es, "wieder zu einem geordneten Verfahren bei der Einreise zu kommen", erklärt Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Die Entscheidung stößt auf Kritik bei der Opposition. "Grenzen kann man schließen, aber die Probleme löst man damit nicht", sagt Linken-Fraktionschef Gregor Gysi. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt kritisiert, die Bundesregierung lenke mit den Grenzkontrollen "von ihrem eigenen Versagen ab".

16. September: Durch den harten Umgang Ungarns mit Flüchtlingen reisen immer mehr Menschen nach Österreich weiter. Das Land folgt dem deutschen Beispiel und führt Kontrollen an den Grenzen zu Ungarn, Italien, Slowenien und der Slowakei ein.

18. September: Ungarn beginnt mit dem Bau eines Sperrzauns an der kroatischen Grenze.

September 2015: Flüchtlinge warten im kroatischen Tovarnik nahe der serbischen Grenze auf einen Zug nach ZagrebBild: picture-alliance/AA/M. Ozturk

23. September: Deutschland verlängert erstmals die am 13. September eingeführten Grenzkontrollen - zunächst bis Mitte Oktober, danach immer wieder. Bis einschließlich Mai 2017 stimmt die EU-Kommission mehrmals der Verlängerung von Grenzkontrollen in Deutschland und anderen Schengen-Staaten zu. Die jüngste Regelung sieht ein Ende der Kontrollen nach dem 11. November 2017 vor.

24. September: Zwischen Kroatien und Serbien eskaliert ein Streit über den Umgang beider Länder mit Flüchtlingen: Kroatien macht die Grenze für Bürger aus Serbien dicht. Serbien sperrt die Grenze für den Güterverkehr aus Kroatien.

24. September: An der slowenischen Grenze beginnen Bauarbeiten für einen Zaun an der Grenze zu Ungarn - ohne Ankündigung. Zwei Tage später lässt Orbans Regierung die Befestigung wieder abbauen.

11. November: Slowenien beginnt mit dem Bau eines Zauns an der Grenze zu Kroatien.

12. November: Nach Deutschland und Österreich kontrolliert nun auch Schweden seine Landesgrenzen.

13. November: Bei islamistischen Terroranschlägen in Paris werden 130 Menschen getötet und 352 verletzt. Im Rahmen des Ausnahmezustands führt die französische Regierung Grenzkontrollen ein. Wegen der anhaltenden Terrorgefahr gilt die Regelung voraussichtlich noch bis zum 15. Juli 2017.

Februar 2016: Flüchtlinge im griechischen Idomeni protestieren gegen die Zustände an der mazedonischen GrenzeBild: L. Gouliamaki/AFP/Getty Images

13. November: Die österreichische Regierung einigt sich auf den Bau eines 3,7 Kilometer langen Zauns an der Grenze zu Slowenien.

19. November: Slowenien, Kroatien, Serbien und Mazedonien lassen nur noch Syrer, Iraker und Afghanen passieren.

26. November: Auch Norwegen kontrolliert ab sofort seine Grenzen, insbesondere die Fährverbindungen.

29. November: Mazedonien beginnt mit dem Bau eines Sperrzauns an Teilen der Grenze zu Griechenland.

2016

4. Januar: Schweden führt Kontrollen an der Grenze zu Dänemark ein. Dänemark wiederum beginnt mit stichprobenartigen Kontrollen an der Grenze zu Deutschland.

20. Januar: Mazedonien schließt kurzzeitig die Grenze zu Griechenland für Flüchtlinge. Nach knapp 48 Stunden wird sie wieder geöffnet. Durchgelassen wird aber nur, wer in Deutschland oder Österreich einen Asylantrag stellen will.

29. Februar: Zwischen dem griechischen Ort Idomeni und der mazedonischen Stadt Gevgelija kommt es zu dramatischen Szenen: Hunderte Flüchtlinge versuchen, den mazedonischen Grenzzaun zu durchbrechen. Die Grenzpolizisten setzen Tränengas ein.

8. März: Als erster Balkanstaat schließt Slowenien seine Grenzen für alle Menschen ohne gültige Pässe und Visa. Serbien, Mazedonien und Kroatien folgen. Damit ist die Balkanroute geschlossen.

März 2016: Im griechischen Idomeni sitzen nach der Schließung der Balkanroute rund 12.500 Flüchtlinge festBild: picture alliance/dpa/K. Nietfeld

10. April: Wieder kommt es zu Ausschreitungen an der mazedonisch-griechischen Grenze. Grenzschützer feuern Tränengas, Blendgranaten und Gummigeschosse auf Flüchtlinge, die den Grenzzaun durchbrechen wollen. Nach Augenzeugenberichten werden mehr als 300 Menschen verletzt.

12. Mai: Deutschland kontrolliert ab sofort nur noch an der Grenze zu Österreich.

20. bis 21. Oktober: Beim EU-Gipfel in Brüssel fordern einige Länder, darunter Polen, Tschechien, die Slowakei, Ungarn und Italien, ein Ende der Grenzkontrollen im Schengenraum. Die illegale Migration sei durch das Schließen der Balkanroute ausreichend überwacht und die aktuellen Kontrollen unangemessen.

25. Dezember: Bundesinnenminister Thomas de Maizière kündigt in einem Interview mit der "Bild"-Zeitung an, die bislang bis Februar 2017 befristeten Kontrollen an der Grenze zu Österreich deutlich über den Stichtag hinaus fortsetzen zu wollen. "Im Moment kann ich kein Ende absehen", so der CDU-Politiker.

2017

7. Januar: Auch Österreich kündigt an, die Grenzkontrollen auf unbestimmte Zeit verlängern zu wollen.

25. Januar: Die EU-Kommission erlaubt Deutschland, Österreich, Dänemark, Schweden und Norwegen zum wiederholten Mal eine Verlängerung der Grenzkontrollen - diesmal um weitere drei Monate bis Mitte Mai.

26. Januar: Aus einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen im Bundestag geht hervor, dass die Bundesregierung die Grenzkontrollen auch über Mitte Mai hinaus beibehalten will. Die Bundespolizei stelle einen "anhaltend hohen Migrationsdruck auf Europa" fest, eine Fristverlängerung sei "angesichts der Gesamtlage" notwendig.

Nach vielen Ausnahmeregelungen will die EU-Kommission bis spätestens Ende 2017 zum Schengensystem zurückkehren

7. April: An den Außengrenzen des Schengenraums tritt eine Regelung in Kraft, die die EU-Kommission bereits im Dezember 2015 als Reaktion auf die Anschläge von Paris ausgearbeitet hatte: Ab sofort werden die Daten aller Reisenden beim Grenzübergang elektronisch überprüft.

8. April: Wegen kilometerlanger Staus an der kroatisch-slowenischen und der ungarisch-kroatischen Grenze setzen Kroatien, Slowenien und Ungarn die gerade erst verschärften Kontrollen kurzzeitig aus.

2. Mai: Die EU-Kommission erlaubt den Schengen-Ländern Deutschland, Österreich, Dänemark, Schweden und Norwegen "ein letztes Mal" seine sechsmonatige Verlängerung der temporären Grenzkontrollen. EU-Innenkommissar Dimitri Avramopoulos erklärt, es sei an der Zeit, "zu einem voll funktionierenden Schengensystem" zurückzukehren. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann versichert jedoch der "Bild am Sonntag", die Kontrollen an der Grenze zu Österreich würden "mindestens bis Jahresende weitergeführt".

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