Europa geht ins Netz
7. April 2006Mit dem Punkt und den drei Buchstaben "com" enden ungefähr acht Milliarden Internetadressen. Überall sind sie vertreten, von aaa.com, der Seite des US-amerikanischen Automobilclubs, bis zu zztop.com, Homepage der bärtigen Rockband aus Texas. .com ist eine Top-Level Domain, eine Art Postleitzahl im Internet. Ursprünglich war die Adresse nur für den Internetauftritt von US-Unternehmen verfügbar, mittlerweile wird sie weltweit genutzt.
EU mit eigener Domain
"Aber Dot-com gilt immer noch als Markenzeichen der USA", sagt Martin Selmayr, Sprecher der EU-Kommission in Brüssel. Aus Sicht der EU ist das ein Wettbewerbsnachteil für europäische Firmen. Im Jahr 1999 kam die EU-Kommission daher auf die Idee, die Vorherrschaft der USA im weltweiten Netz mittels einer eigenen Domain einzuschränken. Der Entscheidungsapparat der EU lief an, und 2002 einigte man sich schließlich auf das nahe liegende Kürzel .eu.
Grenzüberschreitendes Marketing
Vier Jahre später ist .eu auch bei den Bürgern angekommen: Privatleute und Unternehmen mit Sitz in der EU können sich ab Freitag (7.4.) für eine .eu-Domain registrieren lassen. "Unternehmen können sich damit eine sichtbare europäische Identität geben; .eu ermöglicht ihnen ein grenzüberschreitendes Marketing," sagt Selmayr.
Ein Unternehmen, das europaweit tätig ist, müsste dann nicht mehr für jedes Land einen eigenen Domain-Namen führen. Der deutsche Chemie-Konzern Bayer beispielsweise könnte sein Webangebot auf .eu zusammenlegen. Die Domains .de für Deutschland, .se für Schweden oder .fr für Frankreich wären dann nicht mehr nötig. Vorausgesetzt, der Konzern möchte sich ein europäisches Image zulegen. Einen Antrag auf Registrierung von bayer.eu hat die Bayer AG zumindest schon eingereicht – bei der zentralen Vergabestelle EURid.
Vorfahrt für die Großen
EURid, eine gemeinnützige Organisation mit Sitz in Brüssel, nimmt seit Dezember 2005 Registrierungsanträge entgegen. Bisher jedoch nur von Firmen, die nachweisen können, dass ihr Name Bekanntheitsgrad hat. Den Antrag der Privatperson Josef Bayer für die Domain bayer.eu lehnte EURid daher umgehend ab. "Trotzdem haben wir schon jetzt mehr als 300.000 Anträge, die meisten davon aus Deutschland und den Niederlanden" sagt Patrik Lindén von EURid. Für den 7. April, den Stichtag der Privaten, erwartet Lindén noch einmal 700.000 Anträge. Dann will er auch einen Domain-Namen für sich selbst registrieren lassen. Schließlich gilt das Prinzip: Wer zuerst kommt, kriegt den Namen.
Über Kalifornien nach Leverkusen
Die neuen Domain-Namen werden auf den Servern von EURid gespeichert. Tippt ein Internetnutzer die Adresse bayer.eu in seinen Browser, dann leiten EURids Rechner die Anfrage an die entsprechende Webseite weiter. Vorher macht der Datenstrom allerdings einen Umweg: Alle Anfragen gehen zunächst nach Kalifornien, zum Sitz der Internet-Behörde ICANN (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers). Denn ICANN ist für die Verwaltung aller Top-Level Domains im Internet zuständig, inklusive der Endungen .com und .eu.
Wirklich weltweit?
Im Direktorium der ICANN sitzen zwar Experten aus der ganzen Welt, die Behörde untersteht jedoch dem US-Handelsministerium. Länder wie China oder der Iran fürchten daher, dass die amerikanische Regierung im Zweifelsfall den Zugriff auf ihre Seiten verhindern könnte. EU-Sprecher Selmayr sieht das gelassener: "So lange die ICANN als internationale Organisation entscheidet, haben wir kein Problem."
Euro-Qualität
Die Domäne .eu sei zumindest ein Schritt hin zu mehr Unabhängigkeit, so Selmayr: "Schließlich können wir selbst festlegen, wer sich für die Domain registrieren darf. Deshalb steht .eu für solide europäische Standards. Quantitativ können wir den Amerikanern damit sicher keine Konkurrenz machen, qualitativ schon."
Am stärksten umkämpft ist jedoch ein Domain-Name, der nicht unbedingt höchste Qualität verspricht: für sex.eu gingen bisher 280 Anträge bei EURid ein.