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Politik

Gemeinsam gegen die Flammen

Helena Kaschel | Doris Pundy
25. Juli 2018

Während in politisch turbulenten Zeiten viele das Ende der europäischen Solidarität heraufbeschwören, zeichnet die Bekämpfung der Waldbrände in Schweden und Griechenland ein anderes Bild. Wer hilft wem, wie und warum?

Griechenland | Waldbrände
Bild: Getty Images/AFP/A. Tzortzinis

In drei schmucklosen Büroräumen in der Rue Joseph II in Brüssel befindet sich das Herz der europäischen Katastrophenschutz-Maschinerie: Hier sitzt das Zentrum für die Koordination von Notfallmaßnahmen der Europäischen Union (ERCC). Fünf Mitarbeiter überwachen unter anderem mithilfe von Satellitendaten in wechselnden Schichten rund um die Uhr bestehende oder potenzielle Krisen innerhalb der EU.

Diese Woche haben sie alle Hände voll zu tun: In Schweden sind die vier größten der seit Wochen anhaltenden verheerenden Waldbrände weiterhin außer Kontrolle. In Griechenland sind bei Großbränden mindestens 74 Menschen ums Leben gekommen. Mehr als 150 weitere wurden verletzt, darunter viele Kinder. 

Unterdessen ist der Kampf gegen die Flammen in vollem Gange - und Europa kämpft gemeinsam: Schweden hat Hilfsangebote aus Deutschland, Italien, Frankreich, Litauen, Dänemark, Portugal, Polen und Österreich bekommen. Sieben Löschflugzeuge, sieben Hubschrauber und mehr als 340 Einsatzkräfte könnten die schwedische Feuerwehr unterstützen oder tun dies bereits. Allein aus Deutschland sind mehr als 50 Feuerwehrleute mit neun Spezialfahrzeugen sowie fünf Helikopter in dem skandinavischen Land im Einsatz.

Größte Löschaktion in EU-Geschichte

Nach EU-Angaben handelt es sich um die größte gemeinsame Anstrengung zur Bekämpfung von Waldbränden in der Geschichte der Europäischen Union. Christos Stylianides, EU-Kommissar für humanitäre Hilfe und Krisenschutz, ist zufrieden: "Wir haben rund um die Uhr gearbeitet, um Schweden zu helfen. Das ist unsere Pflicht in einem Europa, das seine Bürger schützt", heißt es in einer am Dienstag veröffentlichten Stellungnahme. Die Brände in Schweden zeigten, dass "der Klimawandel echt und kein Land immun gegen Naturkatastrophen ist", so Stylianides. Auch Griechenland hat Hilfsangebote aus anderen europäischen Ländern erhalten. Zypern, Spanien und Bulgarien stehen mit Flugzeugen, Feuerwehrleuten, Ärzten und Fahrzeugen bereit.

Monitore im ERCC-Büro zeigen die von Satelliten übertragenen Bodentemperaturen in Europa anBild: DW/D. Pundy

Zuvor hatten Stockholm und Athen den EU-Katastrophenschutz-Mechanismus aktiviert, dessen Noteinsätze das ERCC seit 2013 koordiniert. Das 2001 ins Leben gerufene Verfahren, an dem alle 28 EU-Mitgliedsstaaten und sechs weitere Länder teilnehmen, kommt bei Naturkatastrophen und vom Menschen verursachten Katastrophen zum Einsatz - auch außerhalb der EU: Seit 2010 wurde der Mechanismus etwa bei der Fukushima-Katastrophe in Japan, der Ebola-Epidemie in Westafrika und für Hilfsleistungen im syrischen Bürgerkrieg aktiviert. Zwischen 2001 und 2017 ist er der Europäischen Kommission zufolge insgesamt rund 300 Mal zum Einsatz gekommen.

"Viel Solidarität seitens der Mitgliedstaaten"

Bittet eine Regierung die EU um Hilfe, leitet das ERCC die Anfrage an die EU-Mitgliedsstaaten weiter. Wird der Katastrophenschutz-Mechanismus aktiviert, teilt das Land, das in Not ist, dem Zentrum mit, wie viel und welche Art von Hilfe es benötigt. Welche Länder sich in welcher Form an Notfalleinsätzen beteiligen, hängt hauptsächlich von den Kapazitäten der Staaten und ihren Erfahrungen mit den jeweiligen Szenarien zusammen. Dabei muss die Situation im eigenen Land berücksichtigt werden: Kommt es dort häufig zu Katastrophen wie Waldbränden, wird die Beteiligung an Einsätzen im Ausland zum Risiko.

Mit dem Hubschrauber gegen die Flammen: Waldbrand in SchwedenBild: Reuters/TT News Agency

"Der Mechanismus funktioniert auf freiwilliger Basis. Die Länder sind nicht verpflichtet zu helfen, tun es aber trotzdem. Sie helfen, so gut sie können und mit den Mitteln, die sie haben", sagt Carlos Martin Ruiz de Gordejuela, Pressesprecher der EU-Kommission, der Deutschen Welle. Deutschland etwa verfüge zwar möglicherweise nicht über Löschflugzeuge, biete dafür aber bei Waldbränden andere Formen der Unterstützung an. Da Schweden nicht viel Erfahrung mit derartigen Bränden habe, sei es sinnvoll, dass nun andere Länder Einsatzkräfte, Fahr- und Flugzeuge und Expertise zur Verfügung stellten.

Hilferufe bleiben mitunter unbeantwortet

Doch nicht immer funktioniert der Katastrophenschutz-Mechanismus reibungslos. "In den Fällen von Schweden und Griechenland konnten wir die Anfragen beantworten. Aber wir müssen zugeben, dass dies nicht immer der Fall gewesen ist, vor allem nicht letztes Jahr", räumt Ruiz de Gordejuela ein. 2017 wurde der Mechanismus nach EU-Angaben 17 Mal wegen Waldbränden aktiviert. Sieben der Anfragen konnten demnach nicht beantwortet werden. "Wenn wir wegen eines Brandes eine Anfrage bekommen, brennt es in der Regel auch anderswo, und manchmal sind die benötigten Mittel nicht verfügbar", so Ruiz de Gordejuela.

Nun wolle man das Verfahren mit gezielten Maßnahmen verbessern. Vorstellbar sei etwa eine Beteiligung der EU an den Kosten der Einsätze. Bisher wird etwa die Hälfte der Transportkosten aus dem EU-Haushalt bezahlt, während die Einsatzkosten ausschließlich von den Mitgliedsstaaten getragen werden - zunächst vom Geberland. Später kann das Empfängerland diese zurückerstatten.

Ein zweiter Vorschlag zur Verbesserung des Katastrophenschutz-Mechanismus sei die strategische Positionierung von EU-Einsatzkräften, die im Notfall schnell an Krisenorte gelangen könnten, erklärt Ruiz de Gordejuela. Außerdem wolle man an der Krisenprävention, dem Training und dem Informationsaustausch arbeiten. Dies alles bedeute aber nicht, dass die EU-Mitgliedsstaaten in Zukunft weniger Verantwortung hätten. "Sie werden immer der hauptverantwortliche Akteur sein, wenn es darum geht, Krisen zu bewältigen."