1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
PolitikEuropa

Europa-Gipfel im Schatten von Trumps Wahlsieg

7. November 2024

Die USA waren das Hauptthema beim Gipfel der Europäischen Politischen Gemeinschaft. Die deutsche Regierungskrise spielte nur eine Nebenrolle. Aus Budapest Bernd Riegert.

Ungarn | Europa-Gipfel in Budapest
Europa-Gipfel in Budapest: Der bekennende Trump-Fan Viktor Orban freut sich über den WahlausgangBild: Marton Monus/REUTERS

Seit feststeht, dass Donald Trump in das Weiße Haus zurückkehren wird, ist von europäischen Spitzenpolitikern kein schlechtes Wort mehr über ihn zu hören. Die allermeisten der 47 in Budapest zum Gipfel der "Europäischen Politischen Gemeinschaft" (EPG) versammelten Staats- und Regierungschefs setzen auf eine Fortsetzung der Partnerschaft mit den USA. Da sie wissen, dass der Wahlsieger in Washington für persönliche Schmeicheleien empfänglich ist, lobten viele europäische Politiker den "grandiosen" Wahlkampf, den "historischen" Erfolg und das "große Comeback" des egozentrischen Präsidenten.

Selbst der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, dem Donald Trump den Geldhahn in seinem Abwehrkampf gegen Russland zudrehen will, lobte sein sehr gutes Telefongespräch mit dem EU-Kritiker Trump. "Ich habe seine Familie und sein Team für ihre großartige Arbeit gewürdigt", so Wolodymyr Selenskyj. Er freue sich auf "eine Ära mit starken Vereinigten Staaten unter der tatkräftigen Führung von Präsident Trump." Das dürfte Donald Trump gefallen, der im Wahlkampf behauptet hatte, er könnte den Krieg Russlands gegen die Ukraine in 24 Stunden sogar noch vor seiner Amtseinführung beenden. Präsident Selenskyj mahnte in Budapest in einer emotionalen Rede aber auch, dass Zugeständnisse an Russland "Selbstmord für Europa" seien.

Politisches Spiel vor leeren Rängen in der Puskas-Arena: Im Plastikverschlag über dem blauen Banner tagen alle Europäer, außer Russland und BelarusBild: Bernd Riegert/DW

Mit Freude auf Trump zugehen?

Der neue Generalsekretär der NATO, Mark Rutte, sagte beim EPG-Gipfel im Fußballstadion von Budapest, er freue sich sogar auf eine Zusammenarbeit mit der Trump-Regierung, "um Frieden mit Stärke zu erreichen". Das habe ja auch in dessen ersten vier Amtsjahren so wunderbar geklappt, meinte Rutte. Wirklich? Vergessen sind offenbar die Drohungen Trumps aus dem Wahlkampf, NATO-Staaten, die ihre Militäretats nicht erhöhen, nicht gemäß dem NATO-Vertrag zu verteidigen.

Der französische Präsident Emmanuel Macron argumentierte in der Gipfelrunde, Europa dürfe seine Verteidigung nicht für alle Zeiten den Amerikanern überantworten. "Wollen wir, dass andere, dass die Kriege des Wladimir Putin, die US-Wahlen oder Chinas Handelspolitik Geschichte schreiben? Oder wollen wir unsere eigene Geschichte schreiben? Ich denke, wir haben die Stärke, sie zu schreiben", sagte Macron.

Kontakt halten, schmeicheln, überzeugen: Der ukrainische Präsident Selenskyj im September in New York bei Donald TrumpBild: Ukrainian Presidency/abaca/picture alliance

Der Ministerpräsident Albaniens, Edi Rama, mahnte seine europäischen Kollegen, man sollte nicht "hysterisch" auf den Wahlsieg Trumps reagieren, sondern sich die Realität anschauen, die konkrete Politik Trumps abwarten. "Das kann auch eine Chance für Europa sein, die Dinge zu verändern und anders zu sehen", sagte Edi Rama. Schließlich hätten die höheren Verteidigungsausgaben in Europa unter Trumps Druck zu einer stärkeren NATO geführt. Allerdings: Die Ausgaben in Richtung zwei Prozent des Bruttosozialprodukts hatten sich vor allem nach dem russischen Angriff auf die Ukraine 2022 schneller erhöht - als Präsident Joe Biden im Amt war.

Der serbische Präsident Aleksandar Vucic, eher Russland als dem Westen zugeneigt, sieht im Wahlsieg Trumps eine Chance. "Ich hoffe, es wird jetzt möglich, über einen Waffenstillstand und Frieden in der Ukraine zu sprechen", meinte Vucic. Jede Vereinbarung sei besser als der heutige Kriegszustand.

Orban fühlt sich bestätigt

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban, auch eher ein Verbündeter des Kremls, strahlte über das ganze Gesicht, als er seine Gäste in Budapest begrüßte. Er war der einzige EU-Regierungschef, der offen Wahlkampf für Trump gemacht hatte. Orban hält sich, so vermuten EU-Diplomaten, jetzt für den natürlichen Vermittler zwischen der neuen Administration in Washington und Europa. Für seine selbst mandatierte "Friedensmission" im Sommer in Moskau und Peking war Orban von der EU noch heftig kritisiert worden. Mit der EU-Kommission liegt der rechte Nationalist in einem Dauerzwist wegen der mangelnden Rechtsstaatlichkeit in Ungarn. Viktor Orban forderte beim Gipfeltreffen erneut, dass europäisches Recht und höchstrichterliche Urteile in Sachen Migration für sein Land nicht gelten sollten. Der albanische Regierungschef Edi Rama, der im nächsten Jahr den EPC-Gipfel ausrichten wird, nannte Orban halb im Scherz "das schwarze Schaf Europas. "Wir sind alle in deinen Schafsstall gekommen", so Rama zu Orban. 

Berliner Regierungskrise wirft leichte Schatten

Einer war bei den Diskussionen über Trump und die Ukraine abwesend: Bundeskanzler Olaf Scholz. Er musste in Berlin zunächst den Bruch seiner Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP managen. Am Mittwochabend hatte Scholz seinen liberalen Finanzminister gefeuert und für Deutschland eher ungewöhnliche Neuwahlen im kommenden März angekündigt. Scholz will nach seiner Absage am Donnerstag aber am Freitag beim informellen Treffen der 27 EU-Staaten in Budapest anwesend sein.

Nach dem Sieg Trumps in wirtschaftlich und sicherheitspolitischen schwierigen Zeiten kommt den Europäern die Regierungskrise in Deutschland eigentlich wenig gelegen. Alle europäischen Kolleginnen und Kollegen von Olaf Scholz sagten jedoch, ein Regierungswechsel sei ein ganz normaler demokratischer Vorgang. Schließlich haben auch Österreich und Belgien im Moment mit zähen Koalitionsverhandlungen zu kämpfen. In Irland sind Neuwahlen ausgerufen und in Frankreich regiert ein Premierminister mit wechselnden Mehrheiten.

Es gelte aber, "dass es ein starkes Europa nur mit einem starken Deutschland geben kann", sagte die Präsidentin des Europäischen Parlaments, Roberta Metsola. Sie nimmt ebenfalls an dem Gipfeltreffen der Europäischen Politischen Gemeinschaft in der ungarischen Hauptstadt teil. NATO-Generalsekretär Rutte geht optimistisch davon aus, dass Deutschland trotz Regierungskrise seine Verpflichtungen in der Verteidigung auf der internationalen Bühne erfüllen wird.

Steinmeier appelliert in Regierungskrise an Verantwortung

02:39

This browser does not support the video element.

Zeitplan kommt der EU nicht ungelegen

Die offizielle Linie der EU-Kommission lautet ebenfalls: Ein Regierungswechsel in Deutschland wirft die Union nicht aus der Bahn. Staaten hätten Schwierigkeiten, Herausforderungen allein zu meistern, so die Chefin der EU-Kommission. "Wenn wir zusammenstehen haben wir große Macht. Und das ist unsere größte Stärke", sagte EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen (CDU), der nicht das beste Verhältnis zum deutschen Kanzler Scholz (SPD) nachgesagt wird. 

Von EU-Diplomaten in Budapest hieß es, manche Dinge könnten ohne die Ampel-Regierung aus SPD (rot), Liberalen (gelb) und Grünen einfacher werden. Die zerstrittene Koalition hatte bei Abstimmungen in Brüssel mehrfach mit einem abrupten Meinungsumschwung für Unmut gesorgt. Das Schmähwort von "The German Vote" machte die Runde. Die Verhandlungen über den nächsten Haushaltsrahmen der Europäischen Union, der im Juli 2025 vorgelegt werden soll, könnten jetzt sogar einfacher werden, weil die Wahlen in Deutschland vor diesem Termin und nicht wie geplant erst im September 2025 stattfinden werden. Das ist allerdings nur eine vage Hoffnung unter EU-Diplomaten. Ob bis zum Sommer die nötigen Verhandlungen zur Bildung einer neuen Koalition abgeschlossen sein werden, ist auch in Deutschland nicht gewiss.

EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen (CDU) und Bundeskanzler Scholz (SPD): Wegen Zwist in der Ampel war das Verhältnis manchmal getrübtBild: Ebrahim Noroozi/AP/picture alliance/dpa

"Strategische Intimität"

Die Europäische Politische Gemeinschaft (EPG) war 2022 als Forum gegen Russland gegründet worden - auf französische Initiative hin. Hier sollen sich die EU-Mitglieder, die EU-Beitrittskandidaten und Staaten, die nicht in die EU wollen, miteinander austauschen und politische Strategien besprechen. Formale Beschlüsse fallen auf dem Gipfel der EPG nicht.

Das Ganze ist eher eine Art "Speed-Dating" für Spitzenpolitiker, die sich sonst nicht so oft begegnen. "Die EPG ist natürlich ein eher informelles Ereignis, auch wenn sich hier die Führungspersönlichkeiten treffen. Sie ist ein Platz für strategische Intimität sozusagen, mit freier Zeit einfach zu reden, ohne Vorgaben", meint Steven Blockmans, Europaexperte bei der Brüsseler Denkfarbik CEPS. Der Schwerpunkt liege auf sozialem Austausch und Diskussionen über die Sicherheitsfragen, die den Kontinent berühren.

 

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen

Mehr zum Thema

Weitere Beiträge anzeigen
Den nächsten Abschnitt Top-Thema überspringen

Top-Thema

Den nächsten Abschnitt Weitere Themen überspringen