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PolitikEuropa

Europa: Impfpflicht gegen Corona?

Daniel Heinrich
13. Juli 2021

Die Debatte um eine Corona-Impfpflicht als Mittel gegen die Pandemie wird in Europa ganz unterschiedlich geführt. Das zeigt der Blick auf ausgewählte europäische Staaten in allen Himmelsrichtungen.

Symbolfoto Impfpass
Bild: Martin Dziadek/Die Videomanufaktur/imago images

Frankreich

Mit einer Fernsehansprache, die mehr Zuschauer als das Finale der Fußballeuropameisterschaft hatte, hat Präsident Emmanuel Macron am Montagabend der Impfkampagne in seinem Land neuen Schwung verliehen. Im Kern betreffen die Maßnahmen vor allem Beschäftigte im Gesundheitswesen: Sind Angestellte in Krankenhäusern und Pflegeheimen bis September nicht geimpft, droht ihnen der Verlust des Arbeitsplatzes. Darüber hinaus verkündete der Präsident Einschränkungen für nicht Immunisierte.  Mit dem Aufruf zur Impfpflicht reagiert die Regierung in Paris zum einen auf die Ausbreitung der hoch ansteckenden Delta-Variante. Hinzu kommt: Nicht einmal 39 Prozent der Franzosen sind bisher vollständig geimpft. Kritik an den Ankündigungen oder Diskussionen über verpflichtende Impfungen gibt es in Frankreich nicht. Ganz im Gegenteil: Direkt nach Macrons Rede buchten die Franzosen im Internet fast eine Million Corona-Impftermine. Wie die Buchungsseite Doctolib mitteilte, waren es vor allem die unter 35-Jährigen, die sich überzeugen ließen.

Auf die Verkündung der Impfpflicht in Frankreich reagierten die Franzosen mit der Buchung von ImpfterminenBild: Delphine Goldsztejn/MAXPPP/dpa/picture alliance

Griechenland

Mit markigen Worten und Taten versucht auch der griechische Regierungschef derzeit die Coronakrise in seinem Land in den Griff zu bekommen: "Wir werden das Land wegen der Haltung einiger nicht wieder schließen", so  Premier Kyriakos Mitsotakis Anfang dieser Woche. Im gesamten Land dürfen sich die Menschen künftig nur noch dann in den Innenräumen von Gastronomie- und Kulturbetrieben aufhalten, wenn sie gegen Corona geimpft sind. Beschäftigte im Gesundheitssektor und in der Altenpflege müssen sich zudem verpflichtend impfen lassen, sonst können sie von ihrer Arbeit freigestellt werden. Der öffentliche Protest hält sich in Grenzen. Das mag auch daran liegen, dass Eile geboten scheint. Die Zahl der Neuinfektionen war in den vergangenen  zwei Wochen nach umfassenden Lockerungen in die Höhe geschnellt. Die Ursache sehen die Corona-Experten vor allem im ausufernden Nachtleben und bei feiernden Jugendlichen. Angesichts des maroden griechischen Gesundheitssystem Grund genug für die Verantwortlichen in Athen, Alarm zu schlagen.

Auch in Griechenland gibt es kaum Protest - die Zahlen waren hier wieder deutlich nach oben geschossenBild: Aris Messinis/AFP

Deutschland

Nur kurze Zeit nach Bekanntwerden der Impfpflicht in anderen Ländern, kam aus Deutschland schon klarer Widerspruch gegen eine Impfpflicht. Allen voran Bundeskanzlerin Angela Merkel schloss diese am Dienstag ungewöhnlich deutlich aus: "Wir haben nicht die Absicht, diesen Weg zu gehen, den Frankreich vorgeschlagen hat. Wir haben gesagt, es wird keine Impflicht geben". Merkel kann sich sicher sein, mit dieser Aussage keinen großen öffentlichen Widerstand zu erregen. Der Grund liegt unter anderem darin, dass eine generelle Impfpflicht in Deutschland kaum durchzusetzen wäre.

Das Recht auf körperliche Unversehrtheit ist im Grundgesetz verankert. Allerdings gibt es Ausnahmen. Zum Beispiel müssen Kinder beim Eintritt in die Schule oder den Kindergarten eine Masernimpfung vorweisen. Auch bei der Betreuung durch eine Kindertagespflegeperson muss in der Regel ein Nachweis über die Masernimpfung erfolgen. Gleiches gilt für Personen, die in Gemeinschaftseinrichtungen oder medizinischen Einrichtungen tätig sind wie Erzieher, Lehrer, Tagespflegepersonen sowie ein Großteil des medizinischen Personals. Auch Asylbewerber und Flüchtlinge müssen den Impfschutz vier Wochen nach Aufnahme in eine Gemeinschaftsunterkunft aufweisen.

England

Die fußballerische Leistung des englischen Teams während der Fußball-Europameisterschaft hat viele Menschen positiv beeindruckt. Die Zuschauermassen im Londoner Wembley-Stadion, ohne Abstand und die allermeisten Fans ohne Maske, hatte weltweit für Kritik gesorgt. In England selbst macht die hochansteckende Delta-Variante inzwischen rund 85 Prozent der Neuinfektionen aus. Die Regierung in London fährt dennoch einen Schlingerkurs. Zwar hat der britische Premier Johnson die Bevölkerung zu Vorsicht und Rücksichtnahme aufgefordert. Dazu passt, dass die Regierung erst vor wenigen Wochen eine Impfpflicht für Mitarbeiter in Seniorenheimen verkündet hatte. Eine Pflicht, die zudem für Friseure und andere Dienstleister sowie freiwillige Helfer zu gelten habe. Auf der anderen Seite fährt Johnson unter dem Druck der öffentlichen Meinung einen rigorosen Öffnungskurs, der sämtliche Lebensbereiche betrifft. So sollen fast alle Corona-Regeln vom 19. Juli an aufgehoben werden.

Auch für Geimpfte mahnt Premier Johnson zur Vorsicht, hält aber dennoch an Öffnungen festBild: Yui Mok/empics/picture alliance

Tschechien

In dem osteuropäischen Land müssen sich Kinder schon jetzt verpflichtend gegen neun Krankheiten, darunter Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten, Hepatitis B, Masern, Röteln und Mumps, impfen lassen. Kindergärten und Krippen können eine Aufnahme ohne nachgewiesenen Impfschutz ablehnen. Den Eltern droht zudem eine Geldbuße. Eine größere öffentliche Debatte darüber gibt es nicht. Dies mag auch daran liegen, dass Unterstützung für diese rigide Linie im Frühjahr vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR)kam. Die tschechische Gesundheitspolitik sei im "besten Interesse" der Kinder, so die Richter in ihrer Urteilsbegründung. 

Steht die Impfpflicht in Tschechien vor der Tür?Bild: Slavomir Kubes/CTK/dpa/picture alliance

Nimmt man den bisherigen Umgang mit verpflichtenden Impfungen als Gradmesser, ist es gut möglich, dass auch die politisch Verantwortlichen in Prag bald laut über eine Impfpflicht gegen Corona nachdenken. Nach aktuellen Zahlen des Robert-Koch-Instituts liegt die Anzahl der vollständig Geimpften in Tschechien gerade einmal bei 36 Prozent und damit im europäischen Vergleich im unteren Drittel.