Für Europa
14. Mai 2010Europas höchstes Gebot heiße Solidarität. Besonders in Krisenzeiten wie jetzt werde klar, wie wichtig und attraktiv das Modell der Europäischen Union sein, sagte Donald Tusk mit Blick auf die jüngste Finanzkrise in Griechenland. "Je schwieriger, je schmerzlicher die Erfahrung ist und je mehr Zweifelnde um uns herum sind, desto mehr sollen wir die Fahne Europas hochhalten und laut wiederholen, dass Europa eine phänomenale Erfindung sei."
Europa muss offen bleiben
Tusk hob hervor, dass die Europäische Union mehr Integration brauche und warb dafür, die EU für eine Erweiterung offen zu halten. "Wir werden uns selbst, die anderen Europäer und die Kandidaten immer wieder fragen: Teilt ihr unser Wertesystem? Wollt ihr euch an der Gemeinschaft beteiligen, wo jeder für den anderen einsteht, wo Solidarität und Freiheit keine leeren Worte sind? Diese Frage werden wir den Türken, den Ukrainern stellen. Europa darf keineswegs verschlossen bleiben."
Donald Tusk, der am Donnerstag (13.05.2010) den Karlspreis in Aachen bekam, nahm Griechenland wegen der Finanzkrise in Schutz. Er wies darauf hin, dass auch andere Länder, die zum "harten Kern Europas" gehörten, sich nicht an die beschlossenen Haushaltsregeln halten. Den Beitritt Polens zum Euro-Raum machte Tusk von der Erfüllung der so genannten Maastricht-Kriterien abhängig. Diese Kriterien bestimmen unter anderem das zulässige Haushaltsdefizit.
Völkerverständigung fördern
Zu den Schwerpunktthemen der polnischen EU-Ratspräsidentschaft im kommenden Jahr zählt Tusk die Unabhängigkeit der europäischen Energieversorgung, die europäische Sicherheitspolitik, die Verbesserung der Beziehungen zu den östlichen Nachbarn der EU und die Stärkung des europäischen Binnenmarktes.
Auf die Frage nach den Konsequenzen des Flugzeugunglücks bei Smolensk (10.04.2010), bei dem Polens Staatspräsident Lech Kaczynski und andere hochrangige Politiker starben, antwortete Tusk, dass die Tragödie "zwar die Herzen, aber nicht die Stabilität des Staates erschütterte". "Wir versuchen aus der Tragödie die positiven Schlüsse für die Zukunft zu ziehen, auch die politischen Schlüsse, was die polnisch-russischen Beziehungen anbetrifft. Diese Beziehungen sind der Schlüssel zu besseren Beziehungen zwischen EU und Russland. Die Bemühungen um das bessere Verhältnis wurden durch die Tragödie beschleunigt. Vielleicht sollen wir es als ein Testament der Verstorbenen verstehen: Dieses Testament erfüllen, heißt Völkerverständigung fördern."
Das Interview führte Marcin Antosiewicz
Redaktion: Julia Kuckelkorn