Europa ringt um seine Rolle beim Wiederaufbau in Gaza
10. Oktober 2025
Nach Ansicht des deutschen Außenministers Johann Wadephul muss die Hilfe für die Menschen im Gaza-Streifen jetzt schnell beginnen. In Paris sagte der CDU-Politiker: "Wir stehen sofort bereit, humanitäre Hilfe in den Gazastreifen zu bringen." Wadephul nahm in der französischen Hauptstadt an einer eilig einberufenen Konferenz mehrerer Außenminister europäischer und arabischer Staaten teil. Es müsse jetzt schnell gehandelt werden, denn "abertausende Menschen sind dort nach wie vor bedroht", sagte Wadephul.
Für die Konferenz in Paris hatte Wadephul wieder einmal seine Reisepläne ändern müssen. Früher als geplant verließ er am Donnerstag die Westbalkan-Konferenz im nordirischen Belfast und machte sich auf den Weg in die französische Hauptstadt. Noch in Belfast sagte er mit Blick auf seinen Vorschlag vom Wochenbeginn, gemeinsam mit Ägypten zu einer Wiederaufbaukonferenz einzuladen: "Das wird aber eine politisch breiter angelegte Konferenz sein müssen, die auch den politischen Rahmen mit vorzeichnet für den Gazastreifen und die natürlich immer im Blick hält, dass am Ende eine Zweistaatenlösung wird stehen müssen."
Wadephul: "Israel muss dabei sein!"
Auf so einer Konferenz dürfe Israel nicht fehlen, anders als in Paris. Und Wadephul forderte ein UN-Mandat für die weitere Entwicklung im Gazastreifen: "Wir brauchen einen rechtlichen Rahmen für all das, was jetzt im Gazastreifen stattfindet." Ob solche weitgehenden Pläne aber Gehör finden bei den Hauptverhandlern in Ägypten - den Israelis, den Palästinensern und den USA - steht in den Sternen.
Schon vor der überraschenden Einigung Israels und der islamistischen Terrorgruppe Hamas auf einen Geisel- und Gefangenenaustausch und den Rückzug der israelischen Armee aus dem Gaza-Streifen hatte Wadephul die Initiative für einen Wiederaufbau des verwüsteten Küstengebiets am Mittelmeer ergriffen.
Der deutsche Minister hatte dafür seine Reise in den Nahen Osten am vergangenen Wochenende um die Stationen Israel und Ägypten verlängert. Im Kairo sagte er dann, Deutschland sei bereit, zusammen mit Ägypten eine Konferenz über den Wiederaufbau zu initiieren.
"Gaza auch wegen Staatsräson mit aufbauen"
In Berlin pflichteten ihm Politiker der Regierungsparteien von Konservativen (CDU und CSU) und Sozialdemokraten bei. Der Außenexperte der CDU, Jürgen Hardt, sagte der Funke-Mediengruppe: "Deutschland hat eine Vielzahl von Gründen, den Wiederaufbau Gazas mitzugestalten: Migrationspolitisch, sicherheitspolitisch, humanitär. Und nicht zuletzt aus Gründen der Staatsräson." Die deutsche Staatsräson, ein schwer zu greifender Begriff, meint im Kern das unbedingte Eintreten Deutschlands für die Existenz und die Sicherheit Israels. Aus Verantwortung für den von den Nazis zwischen 1933 und 1945 begangenen Völkermord an rund sechs Millionen europäischen Juden.
Der außenpolitische Sprecher der Sozialdemokraten, Adis Ahmetovic, schlug ebenfalls in Berlin vor, Deutschland könne sich besonders beim "Bau von Übergangsunterkünften, der Beseitigung von Trümmerteilen, der Wiederherstellung der Wasserversorgung und dem Bau von sanitären Anlagen" einbringen. Ähnliche Vorschläge hatte die deutsche Ministerin für Entwicklung, Reem Alabali Radovan (SPD), schon auf einer Israel-Reise Ende August gemacht.
Konkrete Planungen sind eher vage
Aber noch sind wirklich konkrete Planungen für den Wiederaufbau naturgemäß eher vage - auch in Berlin. Der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Giese, sagte auf Frage der DW: "Ich kann Ihnen da jetzt noch keine weiteren Details nennen, außer, dass die Konferenz stattfinden wird. Der Zusammenhang ist klar: Es geht um den Wiederaufbau Gazas. Aber natürlich auch um die langfristigen Lösungen für die Stabilität in der Region, auch um den Schutz Israels vor weiteren Aggressionen. Die Konferenz in Paris ist dafür der Startschuss."
Heftige Kritik aus Israel am Treffen in Paris
Wie schwierig die europäischen Bemühungen um einen Wiederaufbauplan für den Gaza-Streifen werden dürften, zeigt die Reaktion des israelischen Außenminister Gideon Sa'ar auf das kurzfristig anberaumte Treffen in Paris. Mit Sa'ar hatte sich Wadephul noch vor wenigen Tagen in Israel getroffen, die beiden verstehen sich gut. Jetzt sagte Sa'ar, die Konferenz in Paris sei "unnötig und schädlich." Auf der Plattform "X" schrieb er: "Wir betrachten dies als einen weiteren Versuch von Präsident Macron, auf Kosten Israels von seinen innenpolitischen Problemen abzulenken."
Die Beziehungen Israels zu Frankreich sind auf einem Tiefpunkt, nachdem Präsident Emmanuel Macron einen palästinensischen Staat Ende September anerkannt hatte. Wie viele andere europäische Länder auch. Deutschland gehört nicht dazu. Die Äußerung Sa'ars macht klar: Welche Rolle europäische Staaten und damit auch Deutschland beim Wiederaufbau Gazas spielen könnten, ist noch weitgehend unklar. Und bei den jetzt anstehenden ersten Schritten des 20-Punkte-Plans von US-Präsident Donald Trump spielt Europa, wenn überhaupt, nur eine Nebenrolle.