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Europa setzt auf Wachstum

28. Juni 2012

Ein neuer Wachstumspakt soll Europa aus der Schuldenkrise führen. Der EU-Gipfel in Brüssel beschloss einen Kompromiss. Die Euro-Länder vereinbarten eine gemeinsame Bankenaufsicht und Hilfen für Spanien und Italien.

Pressekonferenz auf dem EU-Gipfel (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Es ist ein klares Signal: In der Schuldenkrise setzen die Europäer auf Impulse für mehr Wachstum. Der EU-Gipfel brachte deshalb einen gemeinsamen Pakt für Stabilität und Wachstum auf den Weg. Volumen: Rund 120 Milliarden Euro. Die Summe entspricht ungefähr einem Prozent der europäischen Wirtschaftsleistung und soll in die rasche Belebung der schwächelnden Wirtschaft und des Arbeitsmarktes fließen.

Einigung unter Vorbehalt

Wegen der anhaltenden Meinungsverschiedenheiten über kurzfristige Unterstützung für Wackelkandidaten wie Italien und Spanien gab es keine abschließende Einigung. Dem Vernehmen nach traten diese beiden Länder auf die Bremse und legten einen Vorbehalt ein. EU-Gipfelchef Herman Van Rompuy äußerte sich nach dem Kompromiss entsprechend zurückhaltend. Es seien weitere Debatten über die Finanzstabilität notwendig. Mit dem Wachstumsprogramm, das bereits vor dem Gipfeltreffen ausgehandelt worden war, wird der bereits beschlossene Fiskalpakt über Haushaltsdisziplin und Schuldenabbau ergänzt.

Die Staats- und Regierungschefs der 17 Euroländer verständigten sich bei einem gesonderten Treffen auf eine gemeinsame Bankenaufsicht. Diese solle unter Einbeziehung der europäischen Zentralbank EZB rasch geschaffen werden, sagte Van Rompuy am Freitagmorgen nach dem Treffen. Falls diese starke Aufsicht etabliert sei, könnten Banken direkt aus dem Krisenfonds ESM rekapitalisiert werden. Zugleich einigte sich die Euro-Gruppe auf Unterstützungsmaßnahmen für bedrängte Länder wie Spanien und Italien. Die beiden Länder, die derzeit große Mühe haben, sich frisches Geld zu beschaffen, hatten das Treffen beim EU-Gipfel erzwungen, um schnelle Hilfsmaßnahmen für sich zu erreichen.

Mit Blick auf die wachsende Finanznot Spaniens und Italiens hatte Frankreichs Staatschef François Hollande "sehr schnelle Lösungen" angemahnt. Die betroffenen Staaten hätten Schwierigkeiten, sich an den Finanzmärkten mit neuen Krediten zu versorgen, "obwohl sie beträchtliche Anstrengungen unternommen haben". Hohe Berliner Regierungskreise konterten, akute Finanzierungsnot gebe es weder in Italien noch in Spanien.

Dänemarks Regierungschefin Helle Thorning-Schmidt (l) will keine Souveränität an Brüssel abgebenBild: AP

Berlin zunehmend isoliert

Doch Italiens Regierungschef Mario Monti und sein spanischer Kollege Mariano Rajoy erhielten nicht nur von Hollande Unterstützung. Österreichs Kanzler Werner Faymann forderte die Schaffung eines europäischen Schuldentilgungsfonds und eine Bankenlizenz für den ESM. "Da wird man schon mehr Schritte brauchen. Das werden nicht gleich die Euro-Bonds sein, aber es wird der Tilgungsfonds sein, es wird die Bankenkonzession sein, es werden Maßnahmen sein, die Monti vorschlägt. Es müssten ausreichend Mittel zur Verfügung gestellt werden, "um die Bevölkerung davor zu schützen, dass die Eurozone auseinanderbricht".

Angesichts des steigenden Drucks zeigte sich Berlin immerhin bereit zu ersten Schritten in Richtung einer Banken-Union mit direkter Hilfe für die Kreditinstitute. Erste Etappe müsse eine europäische Aufsicht mit übernationaler Kontrolle und Durchgriffsrechten sein, hieß es in den Regierungskreisen. Dafür soll der Gipfel einen Auftrag erteilen. Und "wir sind bereit, das schnell und sorgfältig zu prüfen". Wenn die Aufsicht einmal stehe, dann müsse man auch die Frage nach "anderen Formen" der Bankenhilfe stellen.

Keine Abgabe von Souveränität

Doch Aussicht auf rasche Fortschritte gibt es nicht. Denn viele andere Länder sind strikt dagegen, darunter Dänemark und Luxemburg. So sagte der Niederländische Ministerpräsident Mark Rutte: "Ich bin klar dagegen, mehr Souveränität an Brüssel abzugeben." Also auch gegen eine Banken-Union. Das ist eine klare Absage an das Ziel, eine Währungs- und Wirtschaftsunion mit Eingriffsrechten in die nationalen Haushalte zu schaffen. Dies war das eigentliche Gipfelthema. Grundlage war ein Entwurf, den EU-Ratschef Herman Van Rompuy zusammen mit EU-Kommissionschef José Manuel Barroso, EZB-Präsident Mario Draghi und Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker auf den Tisch gelegt hat.

EU-Gipfel: Einigung über Hilfsmaßnahmen für Krisenländer # 29.06.2012 06 Uhr # eu06e # Journal

00:34

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Das Papier hat aus Sicht Deutschlands jedoch eine erhebliche Schieflage, weil darin wenig über eine schärfere Haushaltskontrolle und bindende Reformen stehe, dafür aber viel über den Einstieg in eine Schuldenteilung. Dass Berlin den Bericht schon zerpflückt hat, erzürnt Eurogruppen-Chef Juncker. "Es hilft, wenn man ihn in Gänze abwiegen und kommentieren würde, anstatt sich nur auf einen Aspekt zu konzentrieren", sagte er in Brüssel. Euro-Bonds stünden "nicht im Mittelpunkt der Überlegungen der vier Präsidenten".

Weitere Amtszeit für den Eurogruppen-Chef

Am Rande des Brüsseler Treffens wurde bekannt, dass Jean-Claude Juncker wohl weiterhin Chef der Eurogruppe bleibt. Nach monatelanger Hängepartie hätten sich die Staats- und Regierungschefs jetzt auf den Luxemburger verständigt, hieß es in Diplomatenkreisen. Der 57-Jährige hatte bisher erklärt, nach dem Ende seiner Amtszeit Mitte Juli gehen zu wollen. Die Bundesregierung brachte daraufhin Finanzminister Wolfgang Schäuble als Nachfolger ins Gespräch. Bereits an diesem Freitag könnte eine Entscheidung fallen - so wie es aussieht, wohl zugunsten Junckers.

pg/sc/fw/kle (dpa, dapd, afp, rtr)