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Politik

Europa stellt sich gegen Bolsonaro

23. August 2019

Scheinbar machtlos schaut die Welt auf die schwersten Waldbrände seit Jahren in Brasilien. In der EU regt sich nun Widerstand. Der Hebel: das kürzlich ausgehandelte Freihandelsabkommen und brasilianische Rindersteaks.

Brasilien Waldbrände
Die "grüne Lunge der Welt", wie das Amazonasgebiet oft genannt wird, steht vielerorts in Flammen Bild: Reuters/B. Kelly

Im Streit mit Brasilien um die Waldbrände im Amazonas-Gebiet hat neben Frankreich, Irland und Finnland nun auch die EU-Kommission mit Konsequenzen gedroht. Man beobachte die Feuer im größten Regenwald der Erde mit großer Sorge und sei bereit zu helfen, sagte Sprecherin Mina Andreeva. Das beste Instrument der EU, Einfluss auf die brasilianische Regierung auszuüben, sei das kürzlich ausgehandelte Mercosur-Freihandelsabkommen. Dieses verpflichte die Vertragspartner, darunter Brasilien, auf Einhaltung von Umweltstandards und des Pariser Klimaabkommens von 2015.

Mit dem Mercosur-Vertrag wollen die Europäische Union und vier südamerikanische Länder die größte Freihandelszone der Welt aufbauen. Das soll Unternehmen in der EU jährlich vier Milliarden Euro an Zöllen ersparen und die Exporte ankurbeln. Zum Mercosur gehören Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay. 

Keine effektiven Regeln? 

Das Ende Juni vereinbarte Mercosur-Abkommen ist allerdings noch längst nicht von den EU-Staaten ratifiziert. Die deutschen Grünen hatten kritisiert, die EU habe den Versprechen des brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro vertraut, aber keine effektive Regeln zur Durchsetzung von Klimaschutz und Menschenrechten vereinbart. Auch die Linke verlangte den Stopp des Abkommens.

Handschlag zwischen dem brasilianischen Präsidenten Bolsonaro und seinem argentinischen Amtskollegen Macri: Erst im Juni wurde das Abkommen beschlossen Bild: Imago Images/Agencia EFE/J. I. Roncoroni

Die EU-Kommission begrüßte, dass die Regenwaldbrände auf Wunsch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron Thema beim G7-Treffen am Wochenende in Biarritz werden sollen. Dafür sprach sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel aus, wie ihr Sprecher Steffen Seibert in Berlin sagte. Angesichts der globalen Bedeutung und der "wirklich erschreckenden Situation mit Tausenden von Bränden" sei es angemessen, darüber auf dem G7-Gipfel zu sprechen.

Über Umweltschutz-Absichten "belogen"

Frankreich kündigte derweil an, das Handelsabkommen zu blockieren. Präsident Emmanuel Macron sei zu dem Schluss gekommen, dass der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro ihn über seine Umweltschutz-Absichten "belogen" habe, sagte ein hochrangiger Mitarbeiter Macrons. "Unter diesen Umständen lehnt Frankreich das Mercosur-Abkommen in seiner jetzigen Form ab."

Auch Irland droht einem Medienbericht zufolge mit einer Blockade des EU-Handelsabkommens mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten, wenn Brasilien den Regenwald am Amazonas nicht besser schützt. Ministerpräsident Leo Varadkar sei sehr besorgt über das rekordträchtige Ausmaß der Regenwald-Zerstörung, berichtete die Zeitung "Irish Independent" unter Berufung auf Aussagen des Regierungschefs. "Irland wird keinesfalls für das EU-Mercosur-Freihandelsabkommen stimmen, falls Brasilien seinen Umweltschutzverpflichtungen nicht nachkommt", so Varadkar. 

Kein brasilianisches Rindfleisch mehr? 

Finnland brachte ein Einfuhrverbot für brasilianisches Rindfleisch in die EU ins Gespräch. Angesichts der Zerstörung des Regenwaldes schlägt Finanzminister Mika Lintila vor, dass die EU und Finnland dringend die Möglichkeit eines Verbots brasilianischer Rindfleisch-Importe prüfen sollten. Regierungschef Antti Rinne rief die EU zum Handeln auf. Die Waldbrände im brasilianischen Regenwald seien eine "Bedrohung für den gesamten Planeten", sagte er. "Wir müssen sofort handeln." Finnland hat derzeit die rotierende EU-Ratspräsidentschaft inne. 

Leo Varadkar, Irlands Premierminister, will das Freihandelsabkommen blockierenBild: Getty Images/C.McQuillan

Die von der schwedischen Klimaschutzaktivistin Greta Thunberg initiierte Bewegung "Fridays for Future" warf Bolsonaro vor, mit seiner Umweltpolitik zu den Feuern beizutragen. Dessen Regierung sehe den Amazonas-Regenwald lediglich als "Milchkuh". Unter dem Schlagwort "SOS Amazonas" rief die Bewegung dazu auf, an diesem Freitag vor diplomatischen Vertretungen Brasiliens in aller Welt zu demonstrieren.

Bolsonaro erwägt Armee-Einsatz am Amazonas 

Der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro kündigte derweil an, er wolle die Flammen mit Hilfe der Armee unter Kontrolle bringen. Eine Entscheidung dazu soll es noch am Freitag geben. Er wolle sich zudem mit Ministern über das weitere Vorgehen beraten. Satellitenaufnahmen zeigen eine Vielzahl von Bränden auch in abgelegenen Gebieten des Amazonas.

Auch dafür wird in Brasilien Regenwald gerodet: Siloanlagen für Soja in Minas Gerais Bild: picture-alliance

In Brasilien wüten derzeit die schwersten Waldbrände seit Jahren. Seit Januar nahmen die Feuer und Brandrodungen im größten Land Südamerikas im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 83 Prozent zu, wie die Zeitung "Folha de S. Paulo" berichtete. Insgesamt wurden demnach 72.843 Brände registriert. In den meisten Fällen waren Flächen in Privatbesitz betroffen, aber auch in Naturschutzgebieten und Ländereien der indigenen Bevölkerung brechen immer wieder Feuer aus.

sth/rb (afp,rtr,dpa)  

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