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Politik

Streit um Brexit und Flüchtlinge

Barbara Wesel
19. September 2018

Bundeskanzlerin Angela Merkel will Respekt und Zusammenarbeit beim Brexit, während die britische Premierministerin May von der EU Entgegenkommen verlangt. Und der Streit über die Flüchtlingsfrage geht weiter.

UK Theresa May
Bild: Reuters/P. Nicholls

Die Bundeskanzlerin wünscht sich gegenseitigen Respekt beim EU-Austritt Großbritanniens und eine gute Atmosphäre. Das ist für so kontroverse Gespräche ziemlich viel verlangt. Zwar bleiben die EU-Unterhändler diplomatisch, aber zwischen Michel Barnier und seinem britischen Gegenüber soll es auch schon gekracht haben. Und zu Hause tritt Brexit-Minister Dominic Raab gern auch mit heftigen Angriffen gegen europäische Positionen auf. Merkel aber will in Salzburg nur über das Positive reden: "In bestimmten Bereichen ist auch eine gute Zusammenarbeit möglich". Sie nennt da als Bespiel das Thema Sicherheit, bei dem es keinen Dissens gibt. Was sie weglässt, sind die künftigen Wirtschaftsbeziehungen. Hier strebt Theresa May einen Binnenmarkt für Güter an, den die EU ihr nicht geben will.

Appell an die EU 27

Ihre Regierung habe ihre Positionen in den Gesprächen weiterentwickelt, sagt Theresa May vor dem gemeinsamen Abendessen, bei dem sie einen Appell an ihre europäischen Kollegen richtet. Jetzt müsse sich auch die EU bewegen, sagt May, die hofft, durch ihren persönlichen Einsatz Kompromissbereitschaft zu erzeugen. "Ich bin zuversichtlich, dass wir mit gutem Willen und Einsatz einen Vertrag schließen (können), der für beide Seiten richtig ist". Das ist aber deshalb schwierig, weil die Positionen beider Seiten sich teilweise ausschließen.

Wohin geht die Reise? Theresa May verhandelt auch in Salzburg wieder über den BrexitBild: Getty Images/C. McQuillan

Besonders bei der Frage nach der irischen Grenze stecken die Gespräche weiter fest. EU-Unterhändler Barnier will neue Vorschläge vorlegen, wonach künftige Kontrollen von Gütern etwa in grenzfernen Häfen oder durch technische Registrierungen stattfinden könnten. Die EU will der britischen Seite die Zustimmung erleichtern. London allerdings bleibt bei dem Thema prinzipiell und hält eine künftige Grenzziehung in der irischen See, auch wenn sie theoretischer Natur bliebe, für unzumutbar.

Mit der Forderung nach einer Teilnahme am Binnenmarkt nur für Güter überschreitet wiederum Mays sogenannter "Chequers-Vorschlag", den sie inzwischen als einzigen Lösungsweg anpreist, die roten Linien der EU. Allerdings wird das in Salzburg niemand so deutlich sagen, denn die Regierungschefs wollen, dass die Premierministerin den Parteitag ihrer Konservativen in zehn Tagen und die Attacken ihrer Brexit-Hardliner überlebt. Einen Regierungswechsel und noch größeres politisches Chaos in London wollen sie möglichst vermeiden. Sie sprechen - wie neuerdings üblich - in Mays Abwesenheit an diesem Donnerstag über den aktuellen Stand beim Brexit.

Klar ist auch der Fahrplan: Mitte November soll der entscheidende Brexit-Gipfel in Brüssel stattfinden. Das gibt der britischen Regierung noch gut sechs Wochen Zeit, ihre Positionen zu klären.

Hört auf mit den Spielchen!

EU Ratspräsident Donald Tusk versucht derweil, den EU-Regierungschefs beim Dauerbrenner Migration ins Gewissen zu reden. In diesem Jahr würden nicht einmal 100.000 neue Flüchtlinge in Europa ankommen. "Das ist weniger als vor der Flüchtlingskrise". Deshalb sollten sich die Mitgliedsländer nun auf die Lösung der tatsächlich verbleibenden Probleme konzentrieren. Man dürfe sich nicht spalten in solche, die Lösungen wollten und diejenigen, "die die Situation für politische Spielchen nutzen wollen". Dabei hat er vermutlich an Ungarn, Polen und Italien gedacht, die Namen der Länder allerdings nicht genannt.

Die Stärkung der EU-Grenzschutzagentur Frontex soll weiter vorangetrieben werdenBild: picture-alliance/dpa/C. Charisius

Gastgeber Sebastian Kurz schlug sich zunächst selbst auf die Schulter dafür, dass er früh erkannt habe, wie explosiv die Migration für Europa sei. "Früher hat man das noch rechtsradikal genannt", jetzt sieht er sich an der Spitze einer Bewegung, die auf die umfassende Abwehr jeglicher Migration abzielt.

Um die illegale Migration über das Mittelmeer und insbesondere die Schleuser zu stoppen, will der österreichische Kanzler die im Juni beschlossene Stärkung der EU-Grenzagentur Frontex vorantreiben. Die Kommission in Brüssel hat einen Vorschlag gemacht, wie sie finanziert und auf 10.000 Beamte aufgestockt werden kann. Allerdings räumt Kurz auch ein, dass es bei Italien, Griechenland und Spanien noch Bedenken gibt, weil sie einen Souveränitätsverlust befürchten. Auch Europas Störenfried, der ungarische Premier Viktor Orban, schimpfte gegen die Frontex-Pläne: "Das ist unser Job", er brauche keine Hilfe beim Grenzschutz. Gegen seine Regierung läuft derzeit ein Verfahren wegen schwerer Übergriffe gegen Migranten am ungarischen Grenzzaun.

Zusammenarbeit mit Afrika

Kurz lobte auch die Zusammenarbeit mit Ägypten. Er will weiter in die Ausbildung der libyschen Küstenwache investieren, die Boote mit Migranten möglichst schon vor dem Ablegen oder noch in libyschen Gewässern abfangen sollten. Zur Zukunft der stillgelegten EU-Beobachtungs- und -Seenotrettungsmission Sophia allerdings hielt er sich bedeckt.

In der Frage sogenannter "Anlandezentren" für Flüchtlinge in Nordafrika gibt es bislang keine FortschritteBild: imago/Agencia EFE/Reduan

Keine Freiwilligen gibt es bei nordafrikanischen Ländern nach wie vor für die Einrichtung sogenannter "Anlandezentren" außerhalb Europas, wo Migranten vor ihrer Rückführung in die Heimat geparkt und eventuelle Asylberechtigte ausgewählt werden sollen. Auch das gehört zu den Beschlüssen von Juni, sieht aber eher nach einem undurchführbaren Plan aus.

Der Schwerpunkt der Aktivitäten soll jetzt auf der Zusammenarbeit mit Afrika liegen. Merkel will über ihre jüngste Reise nach Westafrika berichten, Anfang nächsten Jahres soll es einen Gipfel zwischen der EU und der Arabischen Liga geben und die Kommission in Brüssel hat ihre Pläne für eine Aufstockung der Investitionen und Intensivierung der Zusammenarbeit vorgelegt. Politisches Ziel ist inzwischen, dass Migranten schon in ihren Heimat-, spätestens aber in den Transitländern von der Weiterreise nach Europa abgehalten werden. 

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