Vorbild USA?
2. Oktober 2008Spätestens seit dieser Woche hat die von den USA ausgehende Finanzkrise Europa voll erfasst: Der deutsche Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate, die Finanzkonzerne Fortis und Dexia in den Benelux-Staaten und die britische Hypotheken-Bank Bradford and Bingley wurden mit Milliarden Steuergeldern vor dem Zusammenbruch gerettet.
Vor diesem Hintergrund nimmt die politische Diskussion über ein mögliches gemeinsames Vorgehen der EU-Staaten bei der Eindämmung der Finanzkrise Fahrt auf. Eine einheitliche Linie ist jedoch noch nicht erkennbar. Bisher liegt in der EU die Bankenaufsicht in der nationalen Verantwortung der einzelnen Mitgliedsstaaten.
Paris für EU-Rettungsfonds
Die französische Finanzministerin Christine Lagarde brachte einen eigenen europäischen Rettungsplan für die Finanzbranche nach dem Vorbild der USA ins Gespräch. Es bestehe in der EU Einigkeit, dass der Finanzsektor gestützt werden müsse, sagte Lagarde am Donnerstag (2.10.2008) der deutschen Zeitung "Handelsblatt". Daraus ergebe sich Frage, ob ein europäischer Rettungsfonds geschaffen werden solle.
Unterstützung erhielt die Regierung in Paris von den Niederlanden. Ministerpräsident Jan Peter Balkenende befürwortet nach einem Bericht der Agentur ANP einen EU-Fonds, für den die Mitgliedsstaaten jeweils drei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts aufbringen sollten.
Die Bundesregierung erteilte derartigen Vorschlägen eine Absage. Bundeskanzlerin Angela Merkel wandte sich in der "Bild"-Zeitung gegen "Blankoschecks für alle Banken".
Merkel: Regeln auch für Banken
Die CDU-Chefin betonte: "Es kann nicht sein, dass jeder Handwerker nach DIN-Normen arbeiten soll und viele Geräte vom TÜV geprüft werden, während auf dem Finanzmarkt etliche Milliarden-Produkte umlaufen, für die keine ausreichenden Regeln gelten."
Auch der Chef der so genannten Euro-Gruppe, Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker, hält nichts von französischen Überlegungen für ein eigenes Hilfspaket der Europäer für die Finanzbranche. Dazu sehe er keine Notwendigkeit, sagte Juncker dem Deutschlandradio. Die Krise komme aus den USA, sei dort viel tiefer und müsse vornehmlich dort und von dort gelöst werden.
Juncker fordert Transparenz
Ebenso wie Merkel plädierte Juncker für eine stärkere Kontrolle des Finanzbereichs. "Ich glaube, wir brauchen eine vernünftigere und intensivere Regulierung", sagte der Ministerpräsident. Zudem sei mehr Transparenz nötig, eine stärkere Finanzmarktintegration in Europa und eine Neubewertung der Rolle der Rating-Agenturen.
Schützenhilfe bekam der französische Vorstoß hingegen vom Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann. Es gebe zwar in Europa keinen unmittelbaren Bedarf für ein Rettungspaket. Doch solche Pläne müssten in der Schublade sein, um im Fall der Fälle gewappnet zu sein.
Frankreich lädt zu Vierer-Gipfel
Klarheit über das weitere Vorgehen könnte ein von Frankreich als EU-Ratspräsident für Samstag einberufendes Treffen der Regierungschefs der vier europäischen Mitglieder der G8-Staatengruppe bringen. Neben Präsident Sarkozy werden Bundeskanzlerin Merkel, der britische Premier Gordon Brown und der italienische Regierungschef Silvio Berlusconi in Paris zusammenkommen.(wl)