Euro-Rettungsversuche
15. Dezember 2010Wenn man nach den Äußerungen der vergangenen Tage geht, dann steht bei dem am Donnerstag (16.12.2010) beginnenden Gipfel sehr viel auf dem Spiel. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy, der im vergangenen Monat von einer "Überlebenskrise" des Euro gesprochen hatte, gab sich in einer Videobotschaft zwar betont gelassen. Die EU sei "entschlossen, alles Notwendige zu tun, um die finanzielle Stabilität des Eurogebiets zu wahren". Er sei sogar überzeugt, die Euro-Zone werde "gestärkt aus der Krise hervorgehen." Doch gerade diese demonstrative Zuversicht sehen viele als Beweis für den Ernst der Lage.
Die gemeinsame Richtung fehlt
Worin das Notwendige besteht, darüber gehen die Meinungen jedenfalls weit auseinander. Es sind Meinungsunterschiede zwischen Staaten, zwischen Parteien und zwischen europäischen Institutionen. Kommissionspräsident José Manuel Barroso forderte daher vor dem Europaparlament vor allem Geschlossenheit. "Was wir nicht brauchen, ist ein Schönheitswettbewerb der Staats- und Regierungschefs, eine Kakophonie unterschiedlicher Szenarien oder Ankündigungen ohne Folgen." Tatsächlich zeigt die mitunter schrill geführte Diskussion vor allem, dass eine einheitliche Richtung fehlt.
Guy Verhofstadt, der Fraktionschef der Liberalen im Parlament, legte den Finger auf das, was er als zentrales Problem der Währungsunion sieht. "Nirgendwo auf der Welt gibt es eine Währung, die nicht von einer Regierung, einer Wirtschaftsstrategie und einem Anleihemarkt gestützt würde." Als Konsequenz fordern er und viele andere mehr gegenseitige Abstimmung in der Wirtschafts- und Haushaltspolitik - aber auch gemeinsame Euroanleihen. Die wiederum lehnt die deutsche Regierung entschieden ab, und damit steht sie nicht allein.
Die doppelte Vertrauenskrise
Sozialistenchef Martin Schulz beklagt eine Vertrauenskrise in Europa. Die Regierungen würden immer nur scheibchenweise mit der Wahrheit um den Euro herausrücken, sei es bei der Griechenlandhilfe oder beim Rettungsschirm. "Es ist eine schwere Erschütterung des Vertrauens, wenn Regierungen dem Volk sagen: 'Alles easy, wir haben alles im Griff' und plötzlich über Nacht kommen und sagen: 'Wir brauchen unzählige Milliarden Hilfe.'" Doch genauso vertrauenzerstörend sei es, wenn manche Regierungen sagten, man brauche nicht zu helfen, "obwohl sie wissen, dass wir selbstverständlich am Ende zusammenstehen müssen und zahlen werden, im eigenen Interesse". Gemünzt war das vor allem auf Berlin.
Aber während der Sozialist Schulz Solidarität mit den Schuldenländern einfordert, kommen konservative Abgeordnete zu einem ganz anderen Ergebnis. Der Belgier Derk Jan Eppink erinnerte an die Äußerungen des flämischen Separatisten Bart de Wever. Der hatte flämische Transferleistungen an das relativ arme Wallonien als Hauptursache für die Unzufriedenheit vieler Flamen genannt. Eppink sieht sein Land als warnendes Beispiel. "Wir verwandeln eine Leistungsgemeinschaft in eine Transfergemeinschaft. Wenn wir so weitermachen, ist die EU innerhalb einiger Jahre in der gleichen Lage wie Belgien jetzt: eine Transfergemeinschaft, deren politische Grundlage abbröckelt." Doch im Streit um Haushaltsdisziplin und Solidarität macht sich auch immer mehr die Erkenntnis breit: Teuer wird es auf jeden Fall, und zwar für alle Beteiligten.
Autor: Christoph Hasselbach
Redaktion: Dirk Eckert