1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Europa und der Iran-Deal: Weiter ohne die USA?

8. Mai 2018

Donald Trump hat sich gegen den Iran-Deal entschieden. Die Europäische Union muss nun überlegen, wie es Teheran in einem beschädigten Atomabkommen ohne die USA halten kann. Grundrisse eines Plan B.

Belgien EU-Gipfel  | Macron, May und Merkel
Bild: picture alliance/AP Photo/F. Lenoir

"Europa hat keinen Plan B", behauptete Frankreichs Präsident Emmanuel Macron kürzlich in Washington, als er für das Atomabkommen mit dem Iran warb. Allerdings ist bekannt: In der Politik spricht man auch dann nicht über einen Plan B, wenn man einen hat. Insofern darf es nicht überraschen, wenn Diplomaten und Politiker sich nicht öffentlich zu den Möglichkeiten einer Rettung des Iran-Deals ohne die USA äußern wollen. Für Wissenschaftler und Experten gilt diese Zurückhaltung nicht. 

Formal heißt das Abkommen mit dem Iran "Joint Comprehensive Plan of Action", kurz JCPOA. Ellie Geranmayeh von der außenpolitischen Denkfabrik 'European Council of Foreign Relations' argumentiert seit mehr als einem Jahr, Europa könne gemeinsam mit den anderen Vertragsstaaten des JCPOA - neben dem Iran sind auch noch Russland und China beteiligt - das Atomabkommen retten, selbst wenn die USA es, wie nun angekündigt, aussteigen wollen. Natürlich, schränkt Geranmayeh im Gespräch mit der Deutschen Welle ein, werde es sehr viel schwieriger, den Deal ohne die USA umzusetzen. "Dazu braucht es eine Menge politischen Willen und kreatives Denken." 

Kernelement Öllieferungen

Der JCPOA besteht aus 159 Seiten mit zahlreichen technischen Einzelheiten. Im Kern steht aber ein simpler Gedanke: Der Iran beschränkt sein Atomprogramm und lässt ein umfassendes Kontrollregime zu, wird dafür aber im Gegenzug von den meisten nuklearbezogenen Sanktionen befreit. Für die Iran-Expertin Geranmayeh ist deshalb klar: Damit der Iran sich weiter an die Kernelemente des Abkommens hält, muss Teheran weiter wirtschaftliche Anreize erhalten. Und da sei vor allem sicherzustellen, "dass iranische Öl- und Energielieferungen an Europa weiter möglich sind. Sollten die wegen US-Sekundär-Sanktionen blockiert werden, könnte das einen Schock für die iranische Wirtschaft auslösen."

ECFR Iran-Expertin Geranmayeh fordert: Ölexporte weiter ermöglichenBild: picture-alliance/dpa

Die sogenannten Sekundär-Sanktionen bestrafen nicht US- oder iranische Unternehmen, sie zielen auf Unternehmen aus anderen Ländern, etwa aus EU-Staaten. Die vom JCPOA geforderte Aussetzung - oder eben Wiedereinsetzung - von Sanktionen, die Präsident Trump nun angekündigt hat, betreffen iranische Öl- und Energieexporte, deren Bezahlung sowie Rückflüsse von Guthaben auf iranischen Konten im Ausland nach Teheran. Dass solche Sanktionen schmerzlich sind, haben die Iraner zwischen 2012 und 2015 erfahren. In dieser Zeit haben sich die Ölexporte mehr als halbiert; mehr als 120 Milliarden US-Dollar Guthaben auf ausländischen Banken waren nicht zugänglich. Inzwischen sind die Ölexporte wieder fast auf Vorsanktionsniveau.

Einzelinitiativen bündeln

Neysan Rafati von der 'Crisis Group' hat Vorschläge, wie neue Sekundär-Sanktionen umgangen oder zumindest gemildert werden können. Im DW-Interview erinnert Rafati an Beispiele aus Frankreich und Italien. Dort habe man Mechanismen entwickelt, damit staatseigene Finanzinstitutionen Iran-Geschäfte finanzieren. Iran-Experte Rafati schlägt vor, "diese individuellen Initiativen mehrerer individueller Staaten zu systematisieren und zu bündeln. Damit könnten Geschäfte, die der JCPOA erlaubt, gefördert werden - entweder durch Koordinierung unter den verschiedenen Regierungen oder auf EU-Ebene." 

Zudem sollten die Europäer deutlich erklären, sie würden sich an das JCPOA gebunden fühlen, solange sich auch der Iran daran halte. Zusätzlich müssten die europäischen Vertragspartner des Iran-Deals - also Deutschland, Frankreich, Großbritannien - zeigen, dass "sie kreativ darüber nachdenken, wie man die Risiken von US-Sanktionen minimieren kann, wie sie ihren eigenen Unternehmen Sicherheit im Iran-Geschäft geben", fordert Rafati. Diese Kombination von politischer Willensäußerung mit wirtschaftlichen Schritten könne den Iranern signalisieren: "Die Wiedereinsetzung von US-Sanktionen bedeutet nicht, dass eure Seite des Deals vernachlässigt wird."

Braucht wirtschaftlliche Argumente, um Hardliner vom Verbleiben im JCPOA zu überzeugen: Irans Präsident RuhaniBild: picture-alliance/Iranian Presidency Office

Europa hat keine Kontrolle

Der Sanktionsforscher Sascha Lohmann sieht solche Vorschläge skeptisch. Lohmann, zur Zeit an der Harvard-Universität, erklärt im Gespräch mit der Deutschen Welle: "Angesichts der Macht-Asymmetrie in dem wirtschaftlichen Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und den europäischen Unternehmen wird es grundsätzlich schwierig, dem Iran substanziell etwas anzubieten. Weil man zum Beispiel die großen Banken nicht zwingen kann, bestimmte Geschäfte mit Iran zu machen. Die werden sich immer eher an die US-Sanktionen halten, weil sie auch der US-Rechtsprechung unterliegen, sobald sie den Dollar nutzen." Es kommt erschwerend hinzu, dass mehrere europäische Banken in der Vergangenheit bereits empfindliche Strafen für vermeintliche Sanktionsverletzungen zahlen mussten.

Die Europäer hätten einen wesentlicher Fehler gemacht, kritisiert Lohmann: In der Vergangenheit bei US-Sekundär-Sanktionen überhaupt mitgemacht zu haben, habe diese legitimiert. Mit der Trump-Administration aber habe man jetzt eine "strategische Divergenz im transatlantischen Verhältnis hinsichtlich des Iran, aber man hängt weiterhin mit drin". Lohmanns ernüchterndes Fazit: "Damit hat Europa keine Kontrolle über die eigenen Unternehmen. Die werden nicht in Brüssel kontrolliert, sondern eben in Washington."

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen