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KonflikteUkraine

Europa uneins über Friedenstruppen für die Ukraine

20. August 2025

Im Streit um Sicherheitsgarantien für die Ukraine drängt US-Präsident Trump seine Bündnispartner dazu, Bodentruppen zur Sicherung eines Waffenstillstands zu entsenden. Doch welche europäischen Staaten wären dazu bereit?

Auf Panzern weht bei der Militärübung NATO Dragon im Jahr 2024 eine spanische und eine französische Flagge, mehrere Soldaten sind zu sehen
Spanische und französische Soldaten bei einer NATO-Übung in Polen: Die beiden Länder erklären sich grundsätzlich zu einer Beteiligung an einer europäischen Friedenstruppe für die Ukraine bereit - andere Länder sind deutlich skeptischerBild: AFP via Getty Images

Nach dem Ukraine-Gipfel in Washington Anfang der Woche arbeiten die westlichen Staaten mit Hochdruck daran, Details für verlässliche Sicherheitsgarantien für die Ukraine auszuarbeiten. Die wichtigste Frage: Wie kann ein möglicher Waffenstillstand entlang der über 1000 Kilometer langen Frontlinie in der Ostukraine abgesichert werden? Welche Staaten wären überhaupt dazu bereit, Soldaten in die Ukraine zu entsenden? In welchem Umfang und mit welchem Mandat?

USA: Keine Bodentruppen, aber womöglich Luftunterstützung

US-Präsident Trump hat sich zwar positiv darüber geäußert, Sicherheitsgarantien für die Ukraine mitzutragen. Wie genau diese aussehen sollen, ließ er jedoch zunächst offen. Einen Einsatz von US-Bodentruppen in der Ukraine schloss Trump bereits kategorisch aus.

Stattdessen gehe er davon aus, dass Deutschland, Frankreich und Großbritannien dazu bereit seien, zur Absicherung eines möglichen Friedens Soldaten in das Land zu schicken - das erklärte Trump einen Tag nach dem Ukraine-Gipfel in einem Interview mit dem US-Sender Fox News. Die USA seien unterdessen bereit, die Verbündeten - etwa aus der Luft - zu unterstützen, so Trump weiter.

Trumps Gipfel: Deal oder Desaster?

16:20

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Deutschland: noch zu vieles unklar bei den Sicherheitsgarantien

Ganz so weit wie Trump sie gerne sähe, ist die Bundesregierung in ihrer Entscheidung nicht. "Wie ein deutscher Beitrag zu den Sicherheitsgarantien aussehen wird, steht derzeit noch nicht fest und wird politisch und militärisch festzulegen sein", bremste Verteidigungsminister Boris Pistorius die Erwartungen des US-Präsidenten.

Noch gebe es zu viele Unklarheiten, etwa, was den Verlauf der weiteren Verhandlungen sowie den möglichen Beitrag der USA und anderer Verbündeter angehe. "Das wird man sorgfältig miteinander zu besprechen haben. Und diese Gespräche finden ja auch derzeit statt", erklärte auch Deutschlands Außenminister Johann Wadephul im DW-Interview: "An Deutschland und seiner Bereitschaft, Verantwortung in diesem Konflikt zu übernehmen, hat es bisher jedenfalls nicht gemangelt."

Bei einem Staatsbesuch in Japan äußerte sich Bundesaußenminister Johann Wadephul zurückhaltend zu einer möglichen Truppenentsendung in die UkraineBild: Thomas Imo/AA/IMAGO

Unklar bleibt, unter welchem Mandat eine solche internationale Friedenstruppe aufgestellt werden könnte. Die oppositionelle Linke im Bundestag sprach sich für einen UN-Blauhelm-Einsatz statt einer NATO-geführten Mission aus, um eine direkte Konfrontation der NATO mit Russland zu vermeiden. Auch Teile der mitregierenden SPD stehen einer Entsendung von NATO-Truppen in die Ukraine kritisch gegenüber.

Großbritannien: konkrete Pläne für die Ukraine in der Schublade?

Premierminister Keir Starmer hat sich grundsätzlich offen für die Entsendung britischer Friedenstruppen in die Ukraine gezeigt - aber erst nach einem möglichen Kriegsende. Dann sei London bereit, eine führende Rolle bei der Durchsetzung von Sicherheitsgarantien für die Ukraine zu übernehmen, so Starmer. Dazu könne auch die Stationierung von Truppen gehören, etwa zur Überwachung eines Waffenstillstands.

Bereits im Februar berichtete die britische Zeitung The Telegraph , die Regierung in London habe dazu bereits einen konkreten Plan entworfen. Demnach geht es dabei um die Entsendung von bis zu 30.000 Soldaten aus all den europäischen Staaten, die sich in der Ukraine engagieren wollten.

Die europäischen Soldaten sollten in Städten, Häfen und in der Nähe besonders kritischer Infrastruktureinrichtungen wie Kernkraftwerken stationiert werden - fernab der Frontlinie. Außerdem solle die Mission stark auf technische Überwachung setzen. Denkbar seien etwa Drohnen, Satelliten, Aufklärungsflugzeuge und Marinepatrouillen im Schwarzen Meer.

Britische Soldaten in der Ukraine? Denkbar, aber nur fernab der Front, so Premierminister StarmerBild: Justin Tallis/AFP/Getty Images

Starmer zufolge wollen sich Vertreter der sogenannten "Koalition der Willigen" voraussichtlich noch in dieser Woche mit ihren US-Partnern treffen, um die Sicherheitsgarantien für Kyjiw zu konkretisieren. Möglich, dass dabei die bisherigen Pläne weiter diskutiert und ausgearbeitet werden. 

Frankreich: "Absicherungsstreitkräfte" möglich

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron warnte zuletzt davor, einen Friedensvertrag vorschnell und ohne Absicherung abzuschließen. "Dieser Frieden darf nicht überstürzt werden und muss durch solide Garantien abgesichert sein, sonst stehen wir wieder am Anfang", sagte Macron dem Sender TF1/LCI.

Zuvor hatte Macron bereits mehrfach erklärt, einen Einsatz französischer Bodentruppen in der Ukraine nicht auszuschließen. Macron hatte dabei – analog zu Keir Starmers möglichen Plänen - von sogenannten "Absicherungsstreitkräften" gesprochen. 

Bereits im März hatte er er einen Plan vorgelegt, demzufolge lediglich "ein paar tausend Soldaten pro Nation" an strategischen Orten – wie Kyjiw, Odessa und Lwiw – stationiert werden sollten. Die Mission wäre defensiv angelegt, nicht für direkte Kampfhandlungen bestimmt, und sollte vor allem Abschreckung, Training und Stabilisierung gewährleisten.

Emmanuel Macron schließt einen Einsatz französischer Truppen in der Ukraine nicht ausBild: Yoan Valat/REUTERS

In der Vergangenheit führte Frankreich bereits Manöver unter realitätsnahen Bedingungen durch, bei denen ein Einsatz in der Ukraine simuliert wurde - allerdings auf französischem Boden. In den Übungen trainierten Soldaten etwa das Verhalten in Szenarien wie einen russischen Angriff aus Belarus. Zudem wurden Strategien zur Drohnenabwehr, elektronischen Kriegsführung und taktischen Koordination trainiert.

Friedenstruppen für die Ukraine? Europa bleibt gespalten

Insgesamt ist das Bild in Europa jedoch sehr uneinheitlich, wenn es um eine Beteiligung an einer möglichen Friedenstruppe in der Ukraine geht. Grundsätzliche Bereitschaft dazu signalisierten etwa Dänemark, Schweden, die Niederlande, Spanien, Portugal und die baltischen Staaten.

Andere europäische Länder äußerten sich jedoch deutlich zurückhaltender. So lehnte etwa Polens Regierungschef Donald Tusk eine Entsendung polnischer Soldaten klar ab. Diese wäre auch in seiner Bevölkerung äußerst unpopulär. Laut Umfragen lehnen über 85 Prozent der Polen eine Entsendung eigener Soldaten ab – selbst für eine Friedensmission.

Ungarns Premier Orban hält nichts von einer möglichen Entsendung europäischer Truppen in die Ukraine Bild: Tudor Pana/Inquam Photos/REUTERS

Ebenfalls deutlich gegen die Bereitstellung europäischer Truppen positionieren sich Ungarn und die Slowakei. Ungarns Premier Viktor Orbán bezeichnete eine mögliche Entsendung westlicher Truppen gar als "Kriegstreiberei".

Zurückhaltend äußerten sich auch Österreich und Italien. Insbesondere Italiens Premierministerin Giorgia Meloni zeigte sich skeptisch gegenüber der Entsendung von NATO-Truppen; sie bevorzugt eine UN-geführte Mission und vermied bisher klare Zusagen.

Ohne Russland geht nichts

Ohnehin geht nichts ohne eine vorherige Vereinbarung mit Moskau. Russland jedoch lehnte bislang eine Stationierung von Truppen aus NATO-Staaten in der Ukraine kategorisch ab. Bislang hat der Kreml keinerlei Anzeichen erkennen lassen, dass sich an dieser Haltung so schnell etwas ändern könnte - auch wenn es Anzeichen gibt, dass sich Russlands Staatschef Putin und der ukrainische Präsident Selenskyj womöglich bald persönlich treffen könnten.

Auch der deutsche  Außenminister bremste im DW-Interview zunächst die Erwartungen: "Ich rate dazu, dass wir jetzt erst einmal abwarten, ob es überhaupt Gespräche gibt", so Johann Wadephul. "Und zweitens, wenn es Gespräche gibt, ob es eine Vereinbarung gibt, die belastbar ist. Und da warten wir alle auf Russland."

Thomas Latschan Langjähriger Autor und Redakteur für Themen internationaler Politik