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Politik

Europa will Corona-Krise gemeinsam meistern

Barbara Wesel
16. März 2020

Eine weitgehende Sperre für Einreisen nach Europa gehört zu den drastischen Maßnahmen, die die EU den Regierungen empfiehlt. Auch Schließungen von Binnengrenzen sollen möglich sein. Aus Brüssel berichtet Barbara Wesel.

Belgien Brüssel EU | G7 zu Coronavirus | Ursula von der Leyen & Charles Michel
Bild: Reuters/J. Geron

Nach Tagen des unkoordinierten Handels auf allen Ebenen europäischer Regierungen und Institutionen versucht die EU-Kommission in Brüssel jetzt, die Reaktionen auf das Coronavirus zu vereinheitlichen. "Wir schulden den europäischen Bürgern die Wahrheit", sagte Ratspräsident Charles Michel nach einer Videokonferenz mit den G7-Staaten. Es handele sich um eine "schwere und langwierige Krise". Das Wichtigste sei es nun, zusammenzuhalten und einen europäischen Ansatz zu entwickeln.

Sperre für außereuropäische Reisende

Die drastischste Maßnahme, die Kommissionschefin Ursula von der Leyen vorschlägt, ist eine Sperre für alle nicht notwendigen Reisen zwischen nicht-europäischen Ländern und der EU, die zunächst für vier Wochen gültig sein soll.

Am Dienstag sollen die EU-Regierungschefs bei ihrer geplanten nächsten Videokonferenz diese Richtlinie übernehmen. Das bezieht sich auf alle EU-Mitgliedsländer, auch diejenigen außerhalb der Schengen-Zone und auf die Mitglieder des Europäischen Wirtschaftsraums wie Norwegen und die Schweiz. Großbritannien wird aufgefordert, sich der Reisesperre anzuschließen, denn britische Bürger sollten weiter das Recht haben, in die EU zu reisen.

Allerdings gibt es eine ganze Menge Ausnahmen: "Notwendige Beschäftigte wie Ärzte, Krankenschwestern, Pflegepersonal und Experten, die helfen, das Coronavirus zu bekämpfen, sollen weiter in die EU einreisen dürfen", erklärte die Kommissionspräsidentin. Außerdem gelte das für Angehörige von EU-Bürgern, Menschen mit langjährigem Aufenthaltsrecht und Diplomaten. Auch Einreisen zum Transport  von Gütern sollten von der Sperre ausgenommen sein, ebenso wie Rückreisende. Der Vorschlag der Kommission dürfte sie sich also hauptsächlich auf Urlaubs- und nicht notwendige Geschäftsreisen beziehen.

Grenzschließungen innerhalb der EU in Absprache

Nach einer Reihe von unangekündigten und unkoordinierten Grenzschließungen in der EU will die Kommission jetzt die Maßnahmen der Mitgliedsländer vereinheitlichen. Nach EU-Recht ist die Aufhebung der Schengen-Regeln in Notfällen für eine begrenzte Zeit möglich. Zuletzt war das in der Flüchtlingskrise praktiziert worden. Nachbarländer aber sollten ihr Vorgehen harmonisieren und vor allem eine "grüne" Spur für den Gütertransport und für grenzüberschreitende Arbeitnehmer einrichten.

Kontrollen am deutsch-französischen Grenzübergang Goldene Bremm bei SaarbrückenBild: epd/O. Dietze

Zuletzt hatte Deutschland die Grenze zu Frankreich partiell geschlossen, was am Montagmorgen etwa im Saarland zu kilometerlangen Staus geführt hatte, genauso wie beim abendlichen Berufsverkehr in der Region um Luxemburg. Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte seit Tagen stark darauf gedrungen, dass solche Maßnahmen nach Absprache der Regierungen ergriffen werden. In einer TV-Ansprache am Abend unterstrich Macron nun die Absicht, die Einreisebeschränkungen ab Dienstagmittag zu verhängen. In Frankreich dürften die Menschen ihre Häuser nur noch verlassen, um einzukaufen oder zum Arzt oder zur Arbeit zu gehen.

Wirtschaftliche Folgen begrenzen

Zu den Maßnahmen auf europäischer Ebene gehört auch die Unterstützung der Forscher, die an Impfstoffen und Medikamenten gegen Corona arbeiten. Ob die US-Regierung sich in der Videokonferenz mit den G7 zu ihrem fehlgeschlagenen Versuch geäußert habe, die deutsche Biotech-Firma Curevac zu kaufen, um einen möglichen Impfstoff für die USA zu sichern, ließ Charles Michel offen. Die EU wolle auch den Zugang der Mitgliedsstaaten zu medizinischem Material wie Schutzkleidung und Atemgeräten sichern. Dazu gehört eine Ausfuhrsperre für solche Produkte in Nicht-EU-Länder.

Das Biotech-Unternehmen Vorevac forscht an einem Impfstoff gegen das Corona-VirusBild: picture-alliance/dpa/S. Gollnow

Dramatisch waren die Einschätzungen beider EU-Politiker zu den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise: "Wir müssen alle Kraft mobilisieren, um sie zu verringern", sagte Charles Michel. Betroffene Unternehmen wie auch die einzelnen Bürger, die Einkommensverluste erleiden würden, müssten unterstützt werden. Und Ursula von der Leyen forderte, das "globale ökonomische Vertrauen wiederherzustellen". Es sollten alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um Unterstützung und Investitionen für Unternehmen jeder Größe zu schaffen.

"Das ist eine globale Gesundheitskrise mit schwerwiegenden Folgen", ist vielleicht die zentrale Botschaft der Kommissionspräsidentin. Es gehe weiter darum, die Verbreitung des Virus zu begrenzen und zu verlangsamen. Nach Wochen der Desorganisation scheint die EU sich jetzt auf gemeinsame politische Linien zu einigen, wie sie mit der Krise umgehen will. Die Regierungschefs müssen in ihrer nächsten Videokonferenz am Dienstag zeigen, dass sie imstande sind, auch gemeinsame Maßnahmen zu vereinbaren und die entsprechenden Botschaften auszusenden, wenn sie das Vertrauen der Bürger in ihre Führungskraft behalten oder wiedergewinnen wollen.

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