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Politik

Europa zu Hongkong: Klare Worte, keine Taten

Barbara Wesel
29. Mai 2020

Die EU pocht auf die Freiheit der Hongkonger und fordert China auf, die Regel "Ein Staat, zwei Systeme" zu respektieren. Doch vor konkreten Maßnahmen schrecken die EU-Außenminister zurück. Aus Brüssel, Barbara Wesel.

Hongkong & Sicherheitsgesetz China | Passanten
Die Sitzung des chinesischen Volkskongresses wurde live in die Hongkonger Innenstadt übertragenBild: picture-alliance/AP Photo/V. Yu

Mit "großer Besorgnis" reagieren die EU-Außenminister auf das Sicherheitsgesetz, mit dem China das Prinzip "ein Land, zwei Systeme" in Hongkong jetzt in Frage stelle. Aber die Europäer setzten auf Dialog statt Sanktionen, erklärt Chefdiplomat Josep Borrell: "Wir betonen, dass unser Verhältnis zu China auf gegenseitigen Respekt und Vertrauen beruht. Und diese Entscheidung stellt Chinas Willen infrage, seine internationalen Verpflichtungen einzuhalten".

Robustere China-Strategie - vielleicht später

Zu mehr als dieser knappen Verbalnote hat die Einigkeit bei den EU-Außenministern im ersten Anlauf nicht gereicht. Josep Borrell stellte das magere Ergebnis des gemeinsamen "Brainstorming" zur Hongkong-Frage denn auch eher schmallippig vor. Anfang der Woche noch hatte er beim Botschaftertreffen in Berlin gefordert, die EU müsse angesichts eines immer selbstbewusster und mächtiger werdenden Chinas zu einer "robusteren" Strategie finden.

Darüber müsse man aber noch nachdenken und reden, erst später solle ein neues Papier zum Verhältnis EU-China formuliert werden, sagt Borrell. "China ist ein systemischer Rivale, und dieser Aspekt wird immer stärker." Jedoch könne man das Verhältnis nicht in eine Kiste oder Kategorie stecken. "China ist ein Rivale, ein Partner und ein Konkurrent", und man brauche die Zusammenarbeit in globalen Krisen, beim Klimawandel oder beim Handel.

"Nachdenken und reden": EU-Außenbeauftragter Josep BorrellBild: picture-alliance/dpa/European Council/Zucchi-Enzo

Sanktionen seien nicht der richtige Weg, um Probleme mit China zu lösen. Die EU will mit dem Handelskrieg der USA erkennbar nichts zu tun haben, und auch eine Absage des geplanten Gipfeltreffens mit China kommt für Borrell nicht infrage.

Deutschland hält sich zurück

"Wir erwarten, dass die Rechte und Freiheiten der Bürger durch den Grundsatz 'ein Land, zwei Systeme' gewahrt werden." Das hohe Maß an Autonomie für Hongkong dürfe nicht ausgehöhlt werden, sagt Bundesaußenminister Heiko Maas. Die EU müsse sich sehr deutlich dafür einsetzen, dass die Meinungs- und Versammlungsfreiheit in der Stadt gewahrt bleibe. Aber er will mit der Forderung  keine Maßnahmen verbinden.

Auf die Frage nach möglichen Sanktionen reagiert Maas fast brüsk: "Es wird immer gleich über Sanktionen gesprochen." Die Vergangenheit habe gezeigt, wie wichtig es sei, einen Dialog zu führen, um das Verhältnis zwischen beiden Seiten so zu gestalten, dass man auch auf China einwirken könne. Daran wolle Berlin in den kommenden sechs Monaten während der EU-Ratspräsidentschaft arbeiten.

Gibt sich bedeckt: Bundesaußenminister Heiko MaasBild: picture-alliance/dpa/B. Pedersen

Wichtigster Termin für diesen von der deutschen Regierung gewünschten Dialog ist das für September geplante Gipfeltreffen mit dem chinesischen Präsidenten in Leipzig. Investitionsschutz, der Marktzugang für europäische Unternehmen, die Zusammenarbeit in Afrika und Klimaschutz sollen dann endlich voran gebracht werden, hofft die Bundesregierung nach wie vor. Der hochrangige Termin war als Krönung der deutschen EU-Ratspräsidentschaft gedacht.

Gipfel sollte ein "No-go" sein

"Abstoßend und beleidigend" nennt Judy Dempsey von Carnegie Europe dagegen die zurückhaltende Reaktion der EU. "Die Bürger von Hongkong haben die EU um Hilfe gebeten, denn sie gilt immer noch als Leuchtturm für demokratische Werte", und jetzt bekämen sie nichts als ein Stück Papier, sagt sie der DW. Wichtig wäre es, China sehr deutlich auf das Einhalten internationaler Verträge zu verpflichten. So wie sich China bei Corona verhalten habe, sollte die Regierung an ihre internationalen Verpflichtungen erinnert werden.

Wenn man aber etwas Konstruktives tun wolle, sei dies der Zeitpunkt, sich auch strategisch zu überlegen, nach welchen Anlagen China in der EU greife, wie Pharmaunternehmen, Technologiefirmen, Häfen und ähnlich zentralen Gütern, sagt Dempsey. "Es ist Zeit für Europa, Resilienz zu entwickeln", um die eigene Unabhängigkeit und Krisenfestigkeit zu stärken. Manche würden das Protektionismus nennen, aber es gebe ja überhaupt gar keinen fairen Wettbewerb auf gleicher Basis mit China.

Judy Dempsey: "Keine Hilfe, nur Papier" (Archivbild)Bild: DW

Den Gipfel in Leipzig aber nennt Dempsey ein "No-Go", er müsse aufgeschoben oder abgesagt werden, man könne jetzt nicht weiter machen wie bisher. Der Westen befinde sich mit China in einem Kampf der Ideen, in dem es darum gehe, welches System wir wollen. "Es geht nicht um eine Wahl zwischen China und den USA, denn wir sind Teil des Westens", gibt sie zu bedenken. Wirtschaftsvertreter, Organisationen und die Zivilgesellschaft – alle müssten jetzt aufstehen und für ihre Werte gegenüber China einstehen.

Schlag gegen Hongkong war vorhersehbar

"Der Schlag gegen Hongkong war vorhersehbar, wenn auch etwas unerwartet", sagt Janka Oertel, Asienexpertin beim Council for Foreign Relations. Die chinesische Regierung halte dies für den richtigen Zeitpunkt, Dinge zu Ende zu bringen. Sie habe auch ihr Säbelrasseln gegenüber Taiwan verstärkt. Diese Eskalation wird bestätigt durch die jüngste Drohung eines hohen chinesischen Generals, China werde Taiwan angreifen, wenn es keinen anderen Weg gebe, die Unabhängigkeit zu verhindern.

Bereitschaftspolizei riegelte am Mittwoch die Innenstadt von Hongkong abBild: picture-alliance/AP/V. Yu

Chinas Politiker haben den "Vorwärtsgang" eingelegt, um "territoriale Integrität" und Vorherrschaft in Asien zu sichern, sagt Ortel. Für Europa komme das zum schlechtesten Zeitpunkt. "Die europäische Antwort war bisher schüchtern. In den letzten Jahren haben die EU-Mitgliedsländer generell davon abgesehen, China gegenüber rote Linien zu ziehen: Eine Million Menschen in Erziehungslagern in Xinjiang, Vordringen im südchinesischen Meer, eine massive Expansion des Militärs, Desinformation in Taiwan – das alles hat die Geschäftsbedingungen zwischen Europa und China nicht grundlegend verändert."

Aus all dem wird deutlich, dass die Bürgerrechtler in Hongkong kaum auf tatkräftige Hilfe von Europa hoffen können. Immerhin, so sagt der außenpolitische Sprecher der Grünen im Europaparlament, hätte die EU ihre Verurteilung in deutlichen Worten formuliert. Aber der nächste Schritt müsse sein, so Reinhard Bütikofer, Peking einen Preis für die Usurpation Hongkongs zahlen zu lassen. Und Europa sollte zusammen kommen, um den jungen Aktivisten in Hongkong ein Rettungsboot anzubieten. Letzteres ist noch am ehesten denkbar. Aber auf einen politischen Preis kann sich derzeit noch niemand einigen.

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