Europarat setzt sich für Roma ein
21. Oktober 2010Der Europarat hatte am 20.10.2010 zu einer Konferenz über die Lage der Roma in Europa nach Straßburg eingeladen. Mit dabei: Fast alle 47 Mitgliedstaaten des Europarates, die EU, sowie Vertreter von 15 Roma-Organisationen aus ganz Europa. Das Treffen wurde einberufen, damit der Konflikt um die Abschiebung von Roma aus Frankreich entschärft wird und neue Ansätze für die Integration dieser Minderheit ins Auge gefasst werden.
Paris im Visier
Eine wichtige Frage, aus französischer Sicht sogar die allerwichtigste, wurde bereits vor Beginn der Konferenz geklärt: Die EU-Kommission wird das Verfahren gegen Frankreich wegen der massenweisen Abschiebung von Roma nach Bulgarien und Rumänien nicht weiter verfolgen. Allerdings soll das Verfahren noch nicht eingestellt, sondern nur suspendiert werden, so die EU-Justizkommissarin Viviane Reding: "Frankreich hat reagiert und Nachbesserungen im nationalen Recht in Aussicht gestellt. Wir werden dieses 'Dossier' erst dann abschließen, wenn das neue Recht auch umgesetzt worden ist."
Der entsprechende Entwurf wird im Januar 2011 dem französischen Senat vorgelegt, ein bis zwei Monate später soll das Gesetz in Kraft treten. Offen bleibt auch die Frage, ob die EU-Kommission wegen der bereits erfolgten Ausweisungen tausender Roma rechtlich gegen Frankreich vorgehen soll. Die französischen Behörden hätten auf Verlangen der Kommission große Mengen an Unterlagen zur Verfügung gestellt und diese werden erst einmal geprüft, erklärte dazu die EU-Justizkommissarin.
Mediation geplant
In Straßburg ging es erst einmal darum, die aktuellen Konzepte zur Integration der Roma zu überprüfen und konkrete Aktionen vorzuschlagen, so der Generalsekretär des Europarates Thorbjørn Jagland. Einen eigenen Vorschlag hat der ehemalige norwegische Außenminister gleich mitgeliefert: "Wir möchten ein Ausbildungsprogramm für Mediation ins Leben rufen, damit der Zugang der Roma zu Schulen, Krankenhäusern und öffentlichen Einrichtungen erleichtert wird."
Der Mediator soll eine Verbindung zwischen den Roma und der Zivilgesellschaft schaffen, erklärte Thorbjørn und fügte hinzu: "Schon im nächsten Jahr wären wir in der Lage, 450 Menschen zu Mediatoren auszubilden. Wir würden sogar 1.400 ausbilden, wenn wir die finanziellen Möglichkeiten dazu hätten."
Vorwurf des Fördermittelmissbrauchs
Beim Geld hört die Freundschaft auf. So nobel die in der "Straßburger Erklärung" zusammengefassten Ziele und Vorschläge auch sein mögen, über das nötige Geld wurde auch diesmal gestritten. Einige Konferenzteilnehmer werfen den zuständigen nationalen Behörden sogar Inkompetenz und Korruption vor.
Auch Rudko Kawczynski vom "European Roma and Travellers Forum" sieht große Probleme beim Umgang mit EU-Geldern für die Integration der Roma, insbesondere in Bulgarien und Rumänien: "Die Landesteile mit einer starken Roma-Bevölkerung gelten in der Regel als 'Regionen mit Entwicklungsrückstand' und werden von der EU gefördert. Aber wenn sie das Geld erhalten haben, werden die Roma von ihrem Land einfach weggeschickt, obwohl sie seit Jahrhunderten dort ohne gültige Papiere gelebt haben. Das heißt, diese Menschen werden praktisch mit EU-Geldern abgeschoben."
Herkunftsländer in der Pflicht
Nur in einem Punkt stimmen die Ansichten der Roma-Vertreter und des französischen Europaministers Pierre Lellouche überein: Die Herkunftsländer der Roma müssen mehr für ihre Integration tun. Lellouche formuliert seine Forderung noch viel drastischer und gibt sich empört über den EU-Partner Rumänien: "Frankreich zahlt jedes Jahr mehr als fünf Milliarden Euro in die EU-Kasse, im Jahr 2013 steigt dieser Beitrag sogar auf 7,3 Milliarden. Rumänien - nehmen wir einfach mal Rumänien als Beispiel - erhält jedes Jahr über drei Milliarden Euro, im Förderzeitraum 2007 bis 2013 sind es insgesamt 20 Milliarden. Ein Teil dieser Summe soll der Integration von Minderheiten sowie den Ärmsten dienen. Und wir erwarten, dass dieses Geld auch richtig eingesetzt wird."
In der "Straßburger Erklärung" werden Hilfsversprechen für Roma erneuert und erweitert, aber diesmal bleibt es nicht bei unverbindlichen Empfehlungen, so die Konferenzteilnehmer. Nun sind erst einmal die nationalen Regierungen in der Pflicht: Bis April 2011 sollen sie ihre nationalen Hilfspläne für die größte Minderheit Europas vorlegen.
Autor: Jannis Papadimitriou
Redaktion: Mirjana Dikic / Fabian Schmidt