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Europarats-Gesandte besorgt über verschwundene Babys in der Ukraine

8. September 2005

Nach einem Besuch in der Ukraine hat die Europarats-Berichterstatterin Ruth-Gaby Vermot-Mangold sich besorgt über das Verschwinden von Babys geäußert. Sie schließt Fälle von Menschen- und Organhandel nicht aus.

Eltern in Charkiw sahen ihre angeblich gestorbenen Babys nieBild: dpa

Die ukrainische Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen über verschwundene Babys in Charkiw und anderen Städten längst ergebnislos abgeschlossen. Berichten zufolge sollen in den Jahren 2002 und 2003 Säuglinge aus Kliniken verschwunden sein. Die Berichterstatterin der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Ruth-Gaby Vermot-Mangold kam nun zum Abschluss ihres Besuchs in der Ukraine zu dem Ergebnis: Die Säuglinge sind offenbar doch verschwunden.

Säuglinge sollen gestorben sein

Mit dieser Erklärung stellte sich Vermot-Mangold auf die Seite der betroffenen Mütter, die weiterhin behaupten, gleich nach der Geburt ihrer Kinder seien ihnen diese weggenommen worden und am nächsten Tag habe man ihnen mitgeteilt, die Säuglinge seien gestorben. Eine Teilnahme an der Beisetzung habe man ihnen nicht ermöglicht. Damit stellte die Berichterstatterin des Europarates die Ergebnisse einer früheren Untersuchung in Zweifel, die wegen Mangels an Beweisen eingestellt wurde. Vermot-Mangold erklärte, in Charkiw habe sie sich auch mit Ärzten und Vertretern der Staatsanwaltschaft getroffen. Deren Aussagen seien widersprüchlich gewesen, deswegen seien sie weniger überzeugend gewesen als die Berichte der Eltern:

"Ich bin da natürlich ganz stark auf der Seite der betroffenen Eltern. Die Vermutungen, dass ihre Kinder verschwunden sind, liegen auf der Hand. Der Vize-Staatsanwalt von Charkiw hat sich lustig gemacht über uns. Er hat gesagt, er habe das im Internet gelesen. Er ist ohne Papiere gekommen und er hat das Gespräch gar nicht ernst genommen. Da wird mein Verdacht natürlich auch größer, dass hier etwas faul ist im Staat Ukraine, wenn es um die verschwundenen Kinder geht."

Neue Ermittlungen gefordert

Die Berichterstatterin gab nach Abschluss ihrer Reise der ukrainischen Seite die Empfehlung, erneute gründlichere Ermittlungen durchzuführen, die Leichen der Neugeborenen unter Beteiligung ausländischer Experten zu begutachten und den Kinderschutz und die Rechte der Eltern in der Ukraine gesetzlich zu verbessern. In Kiew wurden diese Empfehlungen begrüßt.

Die Generalstaatsanwaltschaft, das Gesundheitsministerium und das Ministerium für Familie und Jugend sicherten Vermot-Mangold zu, die Empfehlungen umzusetzen. Die Berichterstatterin des Europarates hofft, dass dies tatsächlich keine leeren Worte bleiben: "Eine der Frauen hat sich geweigert, Blut zu geben, um eine DNA-Analyse zu machen. Ich habe mich zunächst ein bisschen geärgert und gedacht, warum macht sie das nicht, dann gäbe es doch Klarheit, weil ja die Kinder exhumiert werden könnten. Nun, ich verstehe heute, dass diese Frau kein Vertrauen hat in die ukrainische Justiz, dass sie sich geweigert hat, weil sie befürchten muss, dass dann die Fakten wieder verwischt und falsche Resultate bekannt gegeben werden. Daher möchte ich gerne, dass hier ausländische Experten diese DNA-Analysen und Exhumierungen begleiten können. Das wären vertrauensbildende Maßnahmen, auch für die ukrainische Justiz."

Verdacht auf Menschenhandel

Nach Ansicht der Berichterstatterin könnten hinter dem Verschwinden von Babys kriminelle Vereinigungen zum Zweck des Menschen- und Organhandels stecken. Sie forderte die ukrainischen Behörden zu gründlichen Ermittlungen auf: "Ich kann der Ukraine nur empfehlen, dass sie wirklich ihre Justizarbeit leistet. Daran muss auch Präsident Juschtschenko, der uns eingeladen hat, interessiert sein. Ich denke das ist ein ganz wichtiger Schritt, auch für die Glaubwürdigkeit der Ukraine, nicht nur innerhalb des Staates, sondern auch gegenüber dem Europarat."

Andere Mechanismen wie Appelle an die verantwortlichen Behörden in der Ukraine hat der Europarat kaum. Frau Vermot-Mangold erklärt dazu: "Wir haben keine Möglichkeiten der Sanktionen. Länder, die ihre Aufgaben nicht machen, kann man zum Beispiel ausschließen, aber das ist kein gutes System. Ich denke, man muss im Gespräch bleiben mit der Ukraine und eben auch Druck ausüben durch das Monitoring, durch die Forderungen, dass die Ukraine sich wirklich mit diesen Fällen befasst."

In den kommenden Wochen wird Vermot-Mangold einen schriftlichen Bericht über die Ergebnisse ihrer Reise in die Ukraine verfassen und ihn dem Europarat vorlegen. Die Tatsache, dass die Organisation erst jetzt eine Vertreterin in die Ukraine entsandt hat, erläutert Vermot-Mangold so: "Das ist halt eine Maschine, die langsam agiert. Das hängt auch mit den Wahlen in der Ukraine zusammen. Ich wollte schon letztes Jahr diese Reise machen. Während der Wahlen war aber niemand bereit, Gespräche zu führen, was ich auch gut verstehe. Es gab ja die "orange Revolution", und da war nicht die Zeit, sich mit Europarats-, sich mit Menschenrechtsfragen auseinander zu setzen. Darum habe ich diese Reise auf dieses Jahr verschieben müssen."

Einige ukrainische Politiker werfen dem Europarat vor, er schaue in der Ukraine zu genau hin und übersehe gleichzeitig in anderen Ländern ähnliche Probleme. Dazu Vermot-Mangold: "Das stimmt nicht. Der Europarat befasst sich sehr intensiv damit. Ich habe bereits in verschiedenen Staaten Recherchen gemacht. Menschenrechtsverletzungen in allen Staaten werden untersucht."

Khrystyna Nikolaychuk
DW-RADIO/Ukrainisch, 6.9.2005, Fokus Ost-Südost