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Europas Balanceakt zwischen China und USA

Dang Yuan
14. Juli 2025

Ist dem alten Verbündeten der USA nach der Zolldrohung noch zu trauen? Ist das kommunistische China eine Option für Europa? Die Globalisierung erfordert gemeinsames Handeln. Die EU sitzt zwischen Stühlen.

Malaysia Kuala Lumpur 2025 | Treffen von US-Außenminister Marco Rubio und Chinas Außenminister Wang Yi
US-Außenminister Rubio traf seinen chinesischen Amtskollegen Wang (r.)Bild: Mandel Ngan/Pool Photo/AP/picture alliance

Es war ein ungewöhnliches Treffen, das so hätte nicht stattfinden dürfen. Chinas Außenminister Wang Yi traf vergangene Woche am Rande des Gipfeltreffens des Südostasiatischen Staatenbundes ASEAN in Kuala Lumpur US-Außenminister Marco Rubio, den China seit fünf Jahren mit scharfen Sanktionen belegt: Einreiseverbot, Einfrieren von Vermögenswerten, Einstellung sämtlicher wirtschaftlicher Aktivitäten mit dem Betroffenen und dessen Verbündeten.

Doch dieser lässt sich von all diesen Maßnahmen nicht beeindrucken. Bevor er ins Kabinett von Trump geholt wurde, war er als republikanischer Senator von Florida Mitglied der Exekutivkommission für China (The Congressional-Executive Commission on China, CECC) des US-Kongresses, also von beiden Kammern: Repräsentantenhaus und Senat. Die Kommission hat den gesetzlichen Auftrag, die Menschenrechte und die Entwicklung der Rechtsstaatlichkeit in China zu überwachen. Einmal im Jahr erstellt die Kommission einen Bericht an den US-Präsidenten.

In dieser Funktion hatte Rubio scharfe Kritik an der chinesischen Regierung wegen der Unterdrückung der Demokratiebewegung in der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong, später wegen drastischer Einschränkung der Bürgerrechte in der westchinesischen, hauptsächlich von Muslimen bewohnten Provinz Xinjiang geübt. Die Pekinger Regierung duldete die in ihren Augen "Einmischung in die inneren Angelegenheiten" nicht und setzte Rubio auf die Sanktionsliste, nachdem die US-Regierung chinesische Politiker mit Sanktionen belegt hatte. 

US-Regierung fordert hohe Einfuhrzölle für Waren aus China (Entwurf im April 2025)Bild: Alex Wong/Getty Images

US-China-Rivalität spitzt sich zu

Am letzten Freitag (11.7.25) fand nun das erste persönliche Treffen beider Außenminister hinter verschlossenen Türen statt. Aussagen zu konkreten Sachthemen gelangten kaum an der Öffentlichkeit. Die Gespräche seien "positiv, pragmatisch und konstruktiv", hieß es später in den chinesischen Staatsmedien. Auf der Abschlusspressekonferenz am Samstag (12.7.25) fasste Wang mit vier Stichworten die wichtigsten Ergebnisse in seinen Augen zusammen: Kontakte pflegen, Fehleinschätzung vermeiden, Differenzen managen und Zusammenarbeit ausbauen. Er erwähnte aber kein Wort, ob Rubio weiter sanktioniert wird.

Chinesische Fregatte führte im Februar 2025 Militärübung vor der Küste Australiens durchBild: AFP

In Washington wie in Peking gebe es zudem einen "starken Willen" dazu, ein Treffen zwischen US-Präsident Donald Trump und dem chinesischen Staatschef Xi Jinping zu organisieren, bestätigte Außenminister Rubio nach dem Gespräch. Das Treffen von Außenministern gilt als Indikator für einen Staatsbesuch. Es sei jedoch noch kein Datum vereinbart worden.

Jahrhundert des Pazifiks

Während im 20. Jahrhundert noch der atlantische Raum großen Einfluss auf die Weltpolitik hatte, ist es im Jahr 2025 schon absehbar, dass sich dieser in diesem Jahrhundert auf den pazifischen Raum verlagern wird. Politologen nennen das 21. Jahrhundert deswegen auch das "Jahrhundert des Pazifiks".

Die USA bleiben zwar noch die Supermacht. Aber China soll nach dem Willen von Staatspräsident Xi Jinping schon 2049, also zum 100-jährigen Jubiläum der Gründung der Volksrepublik, zu einer "starken, demokratischen, zivilisierten und harmonischen Starknation des Sozialismus" werden. Die Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) geht in einer Studie Anfang 2025 davon aus, dass China in den nächsten 30 Jahren die USA überholen und zur wirtschaftsstärksten Nation der Welt aufsteigen werde.

Die NATO in Kriegszeiten und der Preis für unsere Sicherheit

42:31

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Der Wettkampf um den ersten Platz als dominierende Weltmacht prägt schon heute unsere Welt. Washington und Peking stehen sich als Rivalen gegenüber. Die Folgen sind Handelskrieg, weltweite Aufrüstung und steigende geopolitische Spannung.

EU zwischen zwei Stühlen

Die USA nutzen jetzt das Recht des Stärkeren, um alle wirtschaftsschwächeren Länder zum Handelskompromiss zu zwingen. Am Samstag (12.7.) kündigte US-Präsident Donald Trump 30 Prozent Zölle auf Importe aus der EU ab 1. August an.  Laut Informationen der Nachrichtenagentur dpa sind Stahl und Aluminium davon zwar ausgenommen. Für sie fallen aber bereits jetzt hohe Zölle an. So belegen die USA aus der Europäischen Union importierte Autos und Autoteile mit einem Zollsatz von 25 Prozent, bei Stahl und Aluminium sind es 50 Prozent.

Prompt reagierte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, "alle notwendigen Schritte" zum Schutz der EU-Interessen zu ergreifen, einschließlich Gegenmaßnahmen. Gleichzeitig sei sie bereit, an einer "Vereinbarung" zu arbeiten. Am Montag (14.7.25) will der EU-Handelskommissar Maros Sefcovic mit dem US-Unterhändler Gespräche führen.

Wer gewinnt den Wettlauf im Weltall?

05:24

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Die deutsche Wirtschaft schlug Alarm. Die angedrohten Zölle könnten "der wirtschaftlichen Erholung, der Innovationskraft" schaden, sagt Wolfgang Niedermark, Mitglied der Hauptgeschäftsführung vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Auch das Vertrauen in die internationale Zusammenarbeit werde in Mitleidenschaft gezogen. Als exportorientierte Nation sind Deutschland genau wie China auf den Freihandel angewiesen.

USA auch als Partner, Wettbewerber und Rivale der EU?

De Frage steht nun im Raum, auf wen denn jetzt Verlass sei. Auf den alten Verbündeten der USA, die nun ihren Gleichgesinnten in Europa Steine in den Weg der Globalisierung werfen, oder das aufsteigende kommunistische China, das nun trotz ideologischer Unterschiede engeren Schulterschluss mit Europa und Deutschland sucht?

Sind die heutigen USA für Europa nun auch "Partner, Wettbewerber und Rivale"? Die China-Experten Paula Oliver Llorente und Miguel Otero-Iglesias von der spanischen Denkfabrik Elcano Royal Institute erlauben sich diese provokante Fragestellung. Dieser Dreiklang war ursprünglich die europäische Definition der Beziehungen zu China, die 2023 von der deutschen Bundesregierung in deren China-Strategie aufgenommen wurde.

US-Zölle: Unsicherheit ist schlecht fürs Geschäft

03:16

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"Die EU hat jedoch Schwierigkeiten, diese konzeptionelle Definition mit konkreten, einheitlichen Maßnahmen zu verbinden", schreiben beide Wissenschaftler. "Unsicherheit ist zum bestimmenden Faktor für die strategische Positionierung der EU im Kontext der Rivalität zwischen den USA und China geworden."

Die EU und die USA hätten sehr unterschiedliche Bedrohungswahrnehmungen in Bezug auf China, glauben Llorente und Otero-Iglesias. Die USA würden "einen hegemonialen Konkurrenten" und "eine existenzielle Bedrohung" bekämpfen. "Die EU strebt dagegen eine ausgewogene Beziehung zu einem globalen Akteur an." Deswegen habe Europa differenzierte Strategien zur Risikominderung zu entwickeln, um kritische Abhängigkeiten zu China zu verringern.

"Historische Herausforderung" für Deutschland

In diesem Kontext sei "die Politik von Donald Trump und der US-China-Konflikt die historische Herausforderung für Deutschland", sagen die China-Experten Claudia Wessling und Bernhard Bartsch von der Berliner China-Denkfabrik MERICS. Die lang gehegte Gewissheit einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den USA sei ins Wanken geraten. Ein Business as usual sei nicht mehr möglich.

Es liegt aber auf der Hand: Kommt Deutschland China zu nahe, würde es Washington verärgern. Noch sind die USA im europäischen Nachkriegssicherheitskonstrukt unersetzbar. Nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine wurde die Bedeutung der US-Militärpräsenz in Europa noch deutlicher. Die Bundesregierung stehe unter beispiellosem Druck, sich in einer geopolitisch geprägten Welt zurechtzufinden, während die Gesellschaft im eigenen Land zunehmend polarisiert sei, glauben Wessling und Bartsch.

Deutsche Fregatte im Südchinesischen Meer

03:14

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Aber auch die Beziehungen zwischen Deutschland und China hätten sich trotz intensiver Handels- und Wirtschaftsbeziehungen abgekühlt. So bestellte Letzte Woche das Auswärtige Amt den chinesischen Botschafter ein. Eine Fregatte der Volksbefreiungsarmee habe ein deutsches Militärflugzeug über dem Roten Meer beim EU-Überwachungseinsatz feindselig angelasert, behauptete Deutschland; ein Vorwurf, den China zurückweist. Die Fregatte habe sich im Golf von Aden befunden, nicht im Roten Meer, sagte das chinesische Verteidigungsministerium.

China dominiert Seltene Erden

02:48

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Die China-Strategie der Bundesregierung 2023 sah einen Abbau von Risiken unter dem Stichwort "De-risking" vor. In der Folge haben viele Unternehmen nicht nur in China, sondern auch in den USA investiert. Allerdings hätten deutsche Firmen inzwischen erkannt, dass diese Dualstrategie "den Interessen der deutschen Wirtschaft zuwiderlaufen und möglicherweise zu einer Krise führen könnte, die durch rückläufige Exporte und Arbeitsplatzverluste gekennzeichnet ist", schreiben die Experten Wessling und Bartsch. "Daher könnte sich der Slogan 'De-risking, aber richtig' als schwierige Aufgabe für die Bundesregierung erweisen."

Neustart zwischen Brüssel und Peking?

Ende Juli wird der EU-China-Gipfel in Peking stattfinden. Peking hofft auf einen Neustart der Beziehungen mit Europa. Noch hat die US-Regierung die Zollsätze für Waren aus China nicht bekannt gegeben. Aber die großen US-Verbündeten in Asien, Japan und Südkorea, müssen ab dem 1. August Importabgaben von 25 Prozent leisten. Man kann schon jetzt ahnen, was für ein Zollsatz auf China kommen würde.

Ein Handelskrieg zwischen den USA und China könnte dazu führen, dass der EU-Markt die chinesischen Überkapazitäten absorbiert. Die USA könnten auch Produkte, die in der EU durch chinesische Direktinvestitionen hergestellt werden, als chinesische Produkte definieren und hohe Abgaben verlangen.

Handelskrieg USA - China: Der Zollstreit eskaliert

02:19

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Beim Abbau von Abhängigkeit müssten alle EU-Staaten an einem Strang ziehen, fordern Llorente und Otero-Iglesias. Die Mitgliedsstaaten unterhalten unterschiedliche Beziehungen zu den USA und China. Ihre wirtschaftliche Interdependenz von der größten und zweitgrößten Volkswirtschaft sei unterschiedlich. Diese "inhärente Heterogenität" führe auch zu unterschiedlichen außenpolitischen Kursen.

"Partnerschaften sind für die EU unverzichtbar, auch mit China", resümieren die beiden spanischen Experten. "China muss seinen Markt für europäische Unternehmen öffnen. Und dafür sind konkrete Maßnahmen und nicht nur Versprechungen erforderlich."

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