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Europas erdrückender Schuldenberg

Zhang Danhong23. April 2014

Laut Eurostat ist die Neuverschuldung in der Eurozone zwar gesunken, die Gesamtverschuldung aber weiter angestiegen. Zu den Staatsschulden gesellen sich noch die Privatschulden. Hilft da nur noch ein Schuldenschnitt?

Taschenrechner Schulden (Foto: Gina Sanders)
Bild: fotolia/Gina Sanders

Für den Unternehmensberater und Finanzkrisenexperten Daniel Stelter ist das, was wir seit Jahren erleben, weder eine Bankenkrise noch eine Staatsschuldenkrise, sondern eine Verschuldungskrise der gesamten westlichen Welt. Seit 1980 habe sich die Verschuldung von Staaten, Unternehmen und Privathaushalten mehr als verdoppelt, von 160 auf über 320 Prozent des Bruttosozialprodukts, schreibt er in seinem Buch "Die Billionen-Schuldenbombe".

Warum haben sich Staaten und Privatpersonen so extrem verschuldet? Laut Stelter ist das die Folge einer falschen Wirtschafts- und Geldpolitik. Nach dem Fall der Berliner Mauer und dem WTO-Beitritt Chinas verspürten die Industrienationen einen enormen Kostendruck, vor allem aus Asien. Statt in Bildung und Innovation zu investieren, wählten Politiker und Bürger lieber den bequemeren Weg - den Weg der Verschuldung. Während sich die Amerikaner per Kredit den Traum des eigenen Hauses erfüllten, finanzierte Europa den Wohlfahrtsstaat auf Pump.

Die Verlockung der niedrigen Zinsen

Zur Schuldenorgie vor allem in den südeuropäischen Ländern lud auch die Gemeinschaftswährung ein, noch vor ihrer offiziellen Einführung. "Der Euro wurde 1995 auf dem Gipfel von Madrid angekündigt. Zwei Jahre danach waren die Zinsen praktisch auf das deutsche Niveau gefallen. Und dann hat man sich verschuldet und kreditfinanziert die Löhne erhöht", sagt Hans-Werner Sinn, Präsident des ifo-Instituts, gegenüber der Deutschen Welle. Das ging so lange gut, so lange die Finanzmärkte bereit waren, immer neue Kredite zur Verfügung zu stellen.

Doch 2007 platzte die Immobilien- und Kreditblase, zuerst in den USA, dann in Europa. Als die griechischen Staatsschulden einen Flächenbrand in der Eurozone zu entfachen drohten, machte das Wort der Staatsschuldenkrise die Runde. Dabei sei Griechenland eher eine Ausnahme, meint Moritz Schularick von der Universität Bonn. Die Krise in Irland und Spanien beispielsweise habe mit der Staatsverschuldung nichts zu tun. "Das waren ganz klassische Immobilienblasen, die mit viel Kredit finanziert wurden, teilweise aus dem Ausland, die dann irgendwann geplatzt sind", so Schularick im Interview mit der DW.

Im Privatsektor steckt das größere Risiko für Finanzkrisen, sagt Moritz SchularickBild: privat

Privatschulden wiegen schwer

Zwar ist die Staatsverschuldung in beiden Ländern durch die Bankenrettung rapide angestiegen, doch private Verbindlichkeiten machen immer noch den Löwenanteil der Gesamtschulden aus. So kommen von den 2,5 Billionen Euro Schulden in Spanien über 70 Prozent aus dem Privatsektor. Irland hat zwar den Euro-Rettungsschirm verlassen. Doch der einstige keltische Tiger steht bei seinen Gläubigern mit Schulden in Höhe von 400 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in der Kreide. Weit mehr als zwei Drittel davon sind privater Natur. Mit anderen Worten: Im Privatsektor schlummert das größere Risiko.

Spanien und Irland verlassen Rettungsfonds

01:27

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Zu diesem Ergebnis ist auch eine Studie gekommen, die ein Team um den Bonner Ökonomen Moritz Schularick durchgeführt hat. Mit 90 Finanzkrisen seit 1870 haben sich die Wissenschaftler auseinandergesetzt. "In der Regel sind Finanzkrisen und Zusammenbrüche des Finanzsystems, so wie wir sie jetzt erlebt haben, das Resultat von Verschuldungszyklen im privaten Sektor", sagt Schularick.

Falsche Diagnose, falsches Rezept?

Bisher lautete die gängige Diagnose, dass die überschuldeten Staaten den ganzen Schlamassel allein ausgelöst haben. Und das entsprechende Rezept heißt: Sparen, um die Staatsschulden zu senken. Falsches Rezept aus der falschen Diagnose?

Die bisherigen Sparmaßnahmen belasteten das Wachstum, was die Entschuldung zusätzlich bremse, sagt Schuldenexperte Daniel Stelter. Umgekehrt würden neue Schulden auch nicht helfen, um der Schuldenfalle zu entkommen. Seiner Meinung nach hilft nur noch ein drastischer Schuldenschnitt. Den Krisenländern schlägt er einen Schuldenerlass von 30 Prozent der Wirtschaftsleistung vor. So weit würde Moritz Schularick nicht gehen, außer im Falle Griechenlands: "Es ist wahrscheinlich ökonomisch sinnvoll, das zu tun, weil man sonst Griechenland dazu verdammt, über viele Jahrzehnte mit diesen extrem hohen Schulden auf des Messers Schneide zu agieren."