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Politik

Fragwürdige Kooperation mit Afrikas Regimen

Katrin Matthaei4. September 2015

Um den Zustrom afrikanischer Migranten einzudämmen, ist die EU offenbar sogar bereit, mit Regimen wie Eritrea und Sudan zu kooperieren. Menschenrechtler kritisieren das.

Grenzzaun in Oujda Marokko
Bild: Alexander Göbel

Es ist nicht leicht, Informationen zu dem Maßnahmenpaket zu finden, das die EU mit afrikanischen Ländern zur Flüchtlingskrise umsetzen will. Im Internet sucht man vergeblich nach dem Papier, das den Namen "Sharm El Sheikh Plan of Action" trägt. Vielleicht hat das einen Grund: In dem Aktionsplan geht es um Kooperationen zwischen der EU und diktatorischen Regimen wie Eritrea oder dem Sudan.

Jeden Monat fliehen rund 5000 Eritreer aus ihrem Land, schätzen die Vereinten Nationen. Aus dem ostafrikanischen Land am Horn von Afrika stammen die meisten der afrikanischen Flüchtlinge, die versuchen, nach Europa zu gelangen. Was sie zu der gefährlichen Fahrt übers Mittelmeer treibt, lässt sich im jüngsten Bericht der UN-Menschenrechtskommission nachlesen. Eritreas Regierung verübe "umfassende grausame Menschenrechtsverletzungen", heißt es dort. Es herrsche ein "totaler Mangel an Rechtsstaatlichkeit". Es gebe außergerichtliche Hinrichtungen und Folter. Frauen seien einem "extremen Risiko" von sexueller Gewalt ausgesetzt. Eritreer dürften sich nicht frei bewegen. Oft wird Eritrea auch als "Nordkorea Afrikas" bezeichnet.

Zweifelhafte Kooperationspartner

Ausgerechnet dieses Land will die Europäische Union nun laut Aktionspapier dabei unterstützen, die "personellen und institutionellen Kapazitäten von Eritreas Regierung beim Kampf gegen Menschenhandel und -schmuggel zu stärken". So steht es in dem vertraulichen Papier, das der DW vorliegt. Erstmals hatte das deutsche Fernsehmagazin "Monitor" im Juli darüber berichtet.

Misshandelter Flüchtling aus Eritrea: "umfassende grausame Menschenrechtsverletzungen"Bild: DW/Meron Estefanos

Der Aktionsplan wurde von einem Ausschuss verabschiedet, der den sperrigen Namen "Steering Committee of the EU - Horn Of Africa Migration Route Inititiative" trägt. In dem Ausschuss sitzen von europäischer Seite Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien, Malta, die EU-Kommission sowie der Europäische Auswärtige Dienst (EEAS). Die afrikanischen Länder sind vertreten durch die Afrikanische Union, Ägypten, Äthiopien, Sudan, Südsudan und Eritrea - Länder, in denen die Menschenrechtssituation kritisch bis katastrophal ist.

Der Ausschuss wurde im Rahmen des sogenannten Khartum-Prozesses gegründet, einer breit angelegten Kooperation zwischen Europäischer Union und afrikanischen Staaten. Auch auf mehrfache Nachfrage war es nicht möglich, ein Interview mit der EU-Kommission zu dem Aktionsplan zu bekommen. In einer schriftlichen Antwort an die DW fasst sie lediglich die wichtigsten Ziele des Prozesses zusammen: "Das Problem des Menschenhandels und des Schmuggels von Migranten angehen, Hilfe für die Opfer, Aufnahmezentren leiten, gestrandeten und gefährdeten Migranten beistehen." Menschenhandel sei ein schwerwiegendes Verbrechen und eine Verletzung der Menschenrechte der Opfer.

Alles nur ein Vorwand?

Auf ihrer Flucht Richtung Europas werden viele Flüchtlinge aus Eritrea bereits im Nachbarland Sudan von Menschenhändlern aufgegriffen und nach Ägypten auf den Sinai verschleppt. Dort würden sie übel misshandelt, um von den Familienangehörigen daheim Geld zu erpressen, schreibt die Nichtregierungsorganisation Human Rights Watch (HRW) in einem Bericht vom März 2014.

Kooperationspartner mit internationalem Haftbefehl: Sudans Präsident Omar al-BashirBild: picture-alliance/dpa/S. Elmehedwi

Dass die EU jetzt aber den Schutz von Flüchtlingen anführe, um Kooperationen mit Regimen wie Sudan oder Eritrea zu begründen, hält Lotte Leicht, Leiterin des Brüsselers Büro von Human Rights Watch schlicht für "zynisch". Die EU verschließe die Augen vor der fehlenden Rechtsstaatlichkeit und den täglichen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die die Regierungen dieser Länder in vollkommener Straflosigkeit an ihren Bürgern verübten, kritisiert Leicht.

Natürlich müsse man Menschenhandel bekämpfen, sagt Barbara Lochbihler, Abgeordnete der Grünen im Menschenrechtsausschuss des Europäischen Parlaments. Letztlich hält aber auch sie das Argument für vorgeschoben. "Die Flüchtlinge werden ja gerade von denen verfolgt, mit denen man hier zusammenarbeitet. Da sehe ich einen Widerspruch." Man müsse organisiertes Verbrechen wie Menschenschmuggler bekämpfen, aber nicht auf Kosten derer, die eigentlich Schutz bräuchten, so die Europaabgeordnete.

"Verbesserte Grenzkontrollen" für den Südsudan

Auch im Fall Sudan ist die Kooperation problematisch: Gegen Sudans Präsident Umar al-Bashir liegt ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag wegen mutmaßlichen Völkermordes, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen in der Region Darfur vor. Trotzdem soll seine Regierung laut Aktionspapier nun ein "regionales Trainingszentrum zum Kampf gegen Menschenhandel und -schmuggel" bekommen.

Migranten am Eurotunnel in Frankreich: "Verhindern, dass Flüchtlinge für uns Europäer sichtbar werden"Bild: Getty Images/AFP/P. Huguen

Der benachbarte Südsudan versinkt seit zwei Jahren in einem blutigen Konflikt. Zehntausende Menschen sind auf der Flucht. Ausgerechnet diesem Land wollen die Europäer helfen, "die Grenzkontrollen zu verbessern".

Letztlich mache man es Menschen so nur noch schwerer, außerhalb solcher Länder Schutz zu suchen, sagt HRW-Aktivistin Leicht. Sie kommt zu dem zynischen Schluss: "Bei dem Khartum-Prozess geht es nur um ein Ziel: zu verhindern, dass Flüchtlinge an eine Küste gelangen, um per Boot die Überfahrt nach Europa zu versuchen und dann für uns Europäer sichtbar werden."

Sowohl Grünen-Politikerin Lochbihler als auch HRW-Frau Leicht kritisieren, dass es so gut wie keine öffentlich zugänglichen Informationen zu diesen Kooperationen gebe. Nicht einmal die europäischen Parlamente würden umfassend informiert. "Ich kann mir schon vorstellen, dass auf diese Weise eine öffentliche Debatte unterbunden werden soll", sagt Lochbihler.

Offenbar wissen die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten selbst, wie problematisch diese Form der Zusammenarbeit ist.

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