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Europas Fußballmarkt wächst wieder

18. August 2022

Das Fußballgeschäft in Europa ist trotz Corona in der Saison 2020/21 gewachsen. Es klaffen aber große Lücken zwischen den Spitzen-Clubs aus den Top-Ligen und den weniger finanzstarken Vereinen und unteren Ligen.

Liverpool - Manchester City
Darwin Nunez und Fabio Carvalho vom FC Liverpool Bild: Andrew Boyers/Action Images/REUTERS

Leere Stadien, gespenstische Stille, hin- und wieder unterbrochen vom Schiedsrichterpfiff. Dann wieder Kommandos der Spieler, gebrüllte Anweisungen vom Trainer an der Seitenlinie. Fußball ohne Publikum war für Fans und die Akteure auf dem Rasen eine Veranstaltung, die mehr als gewöhnungsbedürftig war. Und für die Club-Verantwortlichen war sie eine Achterbahnfahrt ins Ungewisse. Trotzdem haben Europas Profi-Ligen in der Saison mit den längsten Corona-Einschränkungen der Pandemie besser abgeschnitten als befürchtet.

Um zehn Prozent konnten Europas Profiligen im Schnitt den Umsatz in der Katastrophen-Saison 2020/21 nach oben schrauben. Ohne Transfererlöse stieg der Gesamtumsatz im europäischen Fußballmarkt in der Saison 2020/21 um 2,4 Milliarden Euro auf 27,6 Milliarden Euro, heißt es in einer soeben veröffentlichten Studie der Unternehmensberatungsgesellschaft Deloitte.

Geisterspiele reißen tiefe Löcher in Club-Bilanzen

Die Saison war wie keine andere zuvor, nachdem staatliche Kontaktbeschränkungen die Fußball-Clubs zu Geisterspielen gezwungen hatten. Die Einnahmen aus Ticket-Verkäufen waren im März 2020 praktisch über Nacht komplett weggefallen.

Selbst als im Herbst 2020 wieder eine begrenzte Zahl von Zuschauern in die Bundesliga-Stadien zurückkehren durfte, führte der Einbruch der Spieltagerlöse um 94 Prozent zu einem Umsatzrückgang von 203 Millionen Euro auf drei Milliarden Euro, ein Minus von sechs Prozent.

Geisterspiel-Atmosphäre mit maximal 750 Zuschauern in Freiburg im Dezember 2021Bild: Tom Weller/dpa/picture alliance

Nach den Lockerungen im Spätsommer und Herbstbeginn stand aber spätestens ab November die Saison 2020/21 wieder unter dem Zeichen der globalen COVID-19-Pandemie und den damit verbundenen Maßnahmen und Einschränkungen. Geisterspiele oder Partien mit nur ein paar Tausend Zuschauern prägten den Großteil der Saison.

Sonderkonjunktur durch Europameisterschaft

Dass trotz Abwesenheit der Fans die Umsätze im europäischen Fußballmarkt wieder um zehn Prozent nach oben gingen, hing hauptsächlich mit der verspäteten Austragung der UEFA EURO 2020 im Sommer 2021 zusammen. So konnten FIFA, UEFA und nationale Fußballverbände in der Saison 2020/21 ein Wachstum von 1,8 Milliarden Euro (plus 95 Prozent) erzielen.

Mit einem Jahr Verspätung findet die UEFA Euro 2020 statt - Italien wird Europameister Bild: Mike Egerton/PA Images/IMAGO

Große Fünf dominieren das Geschäft

Die so genannten fünf großen Ligen in England, Spanien, Deutschland, Italien und Frankreich dominieren den Markt. Sie steigerten 2020/21 ihre Einnahmen um drei Prozent, wobei die italienische Serie A um 23 Prozent auf 2,5 Milliarden Euro und die englische Premier League um acht Prozent auf 5,5 Milliarden Euro zulegte. Der europäische Gesamtumsatz von 15,6 Milliarden Euro lag aber deutlich unter dem Vor-Pandemie-Niveau von 17 Milliarden Euro.

Verschobene Einkünfte

Beim näheren Hinsehen geht aus den Zahlen von Deloitte aber hervor, dass nicht nur das verschobene Euro 2020-Turnier, das 2021 auf dem gesamten Kontinent ausgetragen wurde, für den Anstieg der europäischen Einnahmen verantwortlich war. Im Fall der italienischen Serie A hatte außerdem die Verschiebung von Übertragungseinnahmen aus der Vorjahres-Saison zu einem deutlichen Umsatzplus geführt.

"Es zeugt von der Widerstandsfähigkeit der Branche, dem Wert der Übertragungsverträge und dem Erfolg der Europameisterschaft, dass der europäische Fußballmarkt im vergangenen Jahr ein beharrliches Wachstum bei den Einnahmen verzeichnen konnte", sagte Tim Bridge, Lead Partner in der Sports Business Group bei Deloitte, gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.

Von den fünf großen Ligen erwirtschaftete aber nur die englische Premier League einen Gesamtanstieg der Vereinsgewinne von 49 Millionen Pfund (58 Millionen Euro) auf 479 Millionen Pfund (568 Millionen Euro).

Untere Ligen unter finanziellem Druck

Obwohl die Nettoverschuldung in Englands höchster Spielklasse nur um vier Prozent auf 4,1 Milliarden Pfund in der Saison 2020/21 anstieg, erhöhte sich die Verschuldung in den unteren Ligen um 32 Prozent: Hier lagen die Lohnkosten das vierte Jahr in Folge deutlich über den Einnahmen. "Es ist wichtig, das zu sehen: Viele Klubs fahren nach wie vor weiter Verluste ein", sagte Bridge.

Fan-Protest gegen US-Investoren: Manchester United plagen Schulden von mehr als einer halben Milliarde Euro Bild: Matt Wilkinson/Stella Pictures/imago images

Nur vier englische Top-Klubs machen Gewinn

Obwohl nur vier Vereine der Premier League in der Saison 2020/21 einen Vorsteuer-Gewinn auswiesen, sei die Liga gut aufgestellt, um ihre Position als finanzstärkste Liga Europas zu behaupten, betonen die Deloitte-Experten.

"Während die Premier League in ihr viertes Jahrzehnt eintritt, ist sie der Konkurrenz weiter voraus als je zuvor, da sie die Pandemie ohne einen so signifikanten Anstieg der Nettoverschuldung überstanden hat, wie viele vielleicht erwartet hatten", sagte Bridge.

Allerdings hatte die englische Liga zum letzten Mal in der Saison 2017/18 ein ausgeglichenes Ergebnis vor Steuern erzielt, räumte der Experte ein.

"Wir sehen in den Big Five-Ligen einen erkennbaren Anstieg bei den externen Investitionen. 2021 gab es insgesamt 15 Investments in Clubs der fünf Spitzenligen", unterstreicht Stefan Ludwig, Leiter der Sport Business Gruppe bei Deloitte. 2019 und 2020 seien es zusammen nur 12 gewesen. "Mehr als zwei Drittel der Investments kamen aus den USA. Investoren waren zum großen Teil wohlhabende Einzelpersonen oder auch Private-Equity-Unternehmen", so Ludwig.

Grund für Umsatzrückgang in der Bundesliga

Dass die Bundesliga mit rund drei Milliarden Euro einen um 203 Millionen Euro geringeren Umsatz einfuhr als in der Vorsaison, lag aber nicht nur am Einbruch bei den Spieltagerlösen um 94 Prozent. Wie in den Vorjahren hatten die Medienerlöse mit 55 Prozent (1,7 Milliarden Euro) den größten Anteil am Bundesliga-Umsatz 2020/21. Im Vergleich mit den anderen Top-Ligen gab es hier für den deutschen Profifußball aber den geringsten Anstieg.

Volle Hütte in Schalke beim 2:2 gegen Borussia Mönchengladbach am 13. August 2022Bild: Ralf Treese/DeFodi Images/picture alliance

"Dies ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass die Bundesliga als einzige der fünf europäischen Spitzenligen die Vorsaison trotz Unterbrechung bis Ende Juni 2020 erfolgreich beenden konnte. Damit fielen die Umsätze noch ins Geschäftsjahr 2019/20", erklärt Stefan Ludwig.

"Während die Ligue 1 vorzeitig abgebrochen wurde, erfolgte der Abschluss der Saison von Premier League, La Liga und Serie A erst im Juli 2020 und damit im hier betrachteten Geschäftsjahr 2020/21. Demensprechend enthalten die Medienerlöse dieser Ligen in 2020/21 einen signifikanten Umsatzanteil, der unter normalen Umständen im Vorjahr verbucht worden wäre", so Ludwig.

Positiv wirkte sich die Teilnahme von Bundesliga-Clubs an der K.O.-Runde der UEFA Champions League 2019/20 aus, die im August 2020 und damit ebenfalls im Geschäftsjahr 2020/21 ausgetragen wurde. Hier holte der FC Bayern München den Titel, RB Leipzig kam bis ins Halbfinale.

Auch ohne Zuschauer lukrativ: die UEFA Champions LeagueBild: Nick Potts/PA/IMAGO

Im Ranking der "Big-Five"-Ligen liegt die Bundesliga mit einem erzielten Umsatz von drei Milliarden Euro hinter der Premier League (5,5 Milliarden Euro) auf Platz zwei, gefolgt von der La Liga (2,9 Milliarden Euro), der Serie A (2,5 Milliarden Euro) und schließlich der französischen Ligue 1 (1,6 Milliarden Euro). 

Positiver Ausblick 

Auch in der Saison 2020/21 machte sich nach Einschätzung der Deloitte-Analysten das "wirtschaftlich nachhaltige Handeln der deutschen Clubs bezahlt". Die Bundesliga ist neben der Premier League die einzige der Großen Fünf, die seit 20 Jahren immer ein positives Betriebsergebnis hingelegt hat.

Die Aussichten für die Bundesliga und die anderen europäischen Ligen sind nach den Belastungen der Pandemie wieder deutlich positiver. Ein Großteil von Sponsoren und Fans hatten den Clubs in der Corona-Krise die Treue gehalten und mittlerweile sind die Stadien wieder gut besucht.

Außerdem konnte die UEFA für die Clubs in den Spielzeiten 2021/22 bis 2023/24 mehr Geld für Übertragungsrechte herausholen. Für die Bundesliga hatte die DFL mitten in der Pandemie im Sommer 2020 die Medienrechte für die Spielzeiten bis 2024/25 ausgehandelt. Mit 1,1 Milliarden Euro pro Saison war das zwar ein Minus von fünf Prozent im Vergleich zur Rechteperiode davor. Aber in der damals wirtschaftlich unsicheren Lage, so die Deloitte-Experten, sei das ein Erfolg gewesen und habe den deutschen Clubs mitten in der Pandemie eine Zukunftsperspektive eröffnet und für Planungssicherheit gesorgt.

Thomas Kohlmann Redakteur mit Blick auf globale Finanzmärkte, Welthandel und aufstrebende Volkswirtschaften.
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