Europas Hafen zur Welt
30. Juli 2003Der Hafen von Rotterdam, der sich als "Mainport" Europas versteht, will in den nächsten Jahren seine Führung im Güteraustausch des Kontinents mit dem Rest der Welt absichern. "Wir waren vielleicht ein paar Jahre lang zu arrogant, haben uns gar zu sehr darauf verlassen, dass man ja nicht an uns vorbei kann mit der Lage unseres Hafens direkt am Meer in der Mündung wichtiger Flüsse", meint Willem Scholten von der Rotterdamer Hafengesellschaft. Zum Glück habe man das rechtzeitig erkannt und die Ärmel hoch gekrempelt. Erstes Ergebnis: Der 700 Jahre alte Hafen hatte noch nie ein so erfolgreiches erstes Halbjahr wie 2003.
Energie-Umschlagplatz
Um 2,8 Prozent ist der Hafenumschlag bis Ende Juni gestiegen, auf 163,8 Millionen Tonnen. Optimistisch beurteilt der Hafenboss die Entwicklung der nächsten Monate. Dass im ganzen Jahr die 322,1 Millionen Tonnen übertroffen werden, die im vorigen Jahr über den Hafen abgewickelt wurden, scheint sicher. Dabei spielt die Stellung Rotterdams als größter Energie-Umschlagplatz der Welt für Rohöl, Mineralölprodukte, Kohle und Flüssiggas die ausschlaggebende Rolle.
An Bedeutung gewonnen hat wieder der Containerverkehr. Rotterdam bewältigte im ersten Halbjahr 34,9 Millionen Tonnen (8,9 Prozent mehr als im ersten Halbjahr 2002). Für die nächsten Jahre wird mit einem jährlichen Wachstum von fünf Prozent gerechnet. Mitbewerber "auf der Hafenschiene zwischen Hamburg (Foto) und Le Havre" haben zuletzt höhere Zuwachsraten gemeldet als Rotterdam. Aber Scholten fürchtet die Konkurrenz nicht. "Jeder Hafen hat seine eigene Position und Bedeutung für seine Region", meint er
Milliarden-Investitionen
Zwei Milliarden-Investitionen sollen dem Rotterdamer Hafen die Zukunft sichern helfen. Dabei geht es einmal um die Ausweitung des Hafens um 2500 Hektar ins Meer hinaus, für den Containerverkehr und die Petrochemie. Das noch aus dem Wasser zu gewinnende Gebiet heißt Maasebene II und soll bis 2010 in Etappen gewonnen sein. Die Kosten: 2,5 Milliarden Euro.
Das zweite Großprojekt war als Betuwe-Bahnlinie lang Zeit Thema heftiger Diskussionen. Dabei geht es um eine Güterzugverbindung zur deutschen Grenze, an der heftig gebaut wird. Kostenschätzung: vier Milliarden Euro. Beide Großprojekte müssen primär aus der Staatskasse finanziert werden, und die ist auch in den Niederlanden derzeit leer.
Aber der 100 Quadratkilometer große Hafen hat keine Reserven mehr für weiteren Umschlag, Lagerung und Bearbeitung. Auch wenn die Weltwirtschaft kriselt, wachsen die Güterströme weiter.
Kohle und Koks
Zugenommen hat in Rotterdam unter anderem auch der Erzumschlag, vornehmlich für deutsche Hüttenbetriebe. Kohle und Koks - jährlich etwa 25 Millionen Tonnen - vor allem für Abnehmer an Rhein und Ruhr behalten ihre Bedeutung. Von April 2004 an werden in Rotterdam im Jahr allein 5,5 Millionen Tonnen Importkohle über ein neues Terminal von ThyssenKrupp Stahl umgeschlagen. Per Bahn und mit Binnenschiffen in eigener Regie wird die Kohle nach West-Deutschland gebracht. Der größte Teil der Rotterdamer Kohleimporte "füttert" allerdings deutsche Kohlekraftwerke.
Das 67 Millionen Euro kostende ThyssenKrupp-Terminal liegt unmittelbar neben dem Erzhafen Rotterdams. Von dort beziehen ThyssenKrupp Stahl und Krupp Mannesmann jährlich noch 24 Millionen Tonnen Eisenerz aus Brasilien, Kanada und Australien.
Distributionsland Niederlande
Eine weitere neue Investition mit deutscher Beteiligung und Anbindung nach Deutschland soll im Oktober abgeschlossen sein. Dabei geht es um die Chemiefabrik PO-11, an der die Bayer AG beteiligt ist.
Insgesamt 30.000 Seeschiffe laufen Rotterdam jährlich an. Auf 133.000 schätzt Rotterdam die Zahl der Binnenschiffe, die den Hafen direkt mit dem europäischen Hinterland verbindet. "Die Bedeutung der Niederlande als Distributionsland steigt weiter", erläutert Scholten.