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Europas Heroin kommt aus Afghanistan

Peter Philipp6. November 2003

Laut dem UN-Drogenbericht 2003 ist Afghanistan der wichtigste Drogenproduzent der Welt. Der Plan des afghanischen Präsidenten Karzai, den Drogenanbau zu bekämpfen, droht zu scheitern. Das hat Folgen für Europa.

Mohnernte im Dorf Essazai Kili in AfghanistanBild: AP

Die Welt müsse handeln, bevor es zu spät sei und Afghanistan zu einem Drogenstaat wie manche Länder in Lateinamerika werde. So hatte der afghanische Außenminister Abdullah Abdullah im August 2003 gewarnt und eine internationale Koalition gegen den Drogenanbau in seinem Land gefordert. Hauptziel solcher gemeinsamer Anstrengungen müsse es sein, den afghanischen Bauern attraktive Alternativen anzubieten, die es ihnen ermöglichten, von Mohn auf andere landwirtschaftliche Erzeugnisse umzusteigen und dennoch ein Auskommen damit zu haben.

Anstieg statt Rückgang

Keine drei Monate später steht fest, dass Afghanistan sich unbeirrt in die entgegen gesetzte Richtung entwickelt: Der UN-Drogenbericht 2003 bezeichnet Afghanistan als international führenden Opium-Produzenten, der für 75 Prozent der weltweiten Herstellung verantwortlich sei. Weiter stellt der Jahresbericht des UN-Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) fest, dass vor vier Jahren erst 18 der 32 Provinzen Afghanistans betroffen gewesen seien, heute hingegen schon 28 Provinzen, in denen mindestens 80.000 Hektar Land für den Anbau von Schlafmohn genutzt werden. Die Produktion von Rohopium sei im Vergleich zum Vorjahr um acht Prozent auf 3600 Tonnen in diesem Jahr gesteigert worden und die Einkünfte machten bereits die Hälfte des afghanischen Bruttosozialprodukts aus.

Drogenanbau ist Sache der "Warlords"

Die Anordnung von Präsident Hamid Karzai im Januar 2002, der Drogenanbau sollte gestoppt werden, ist damit ohne jede Wirkung geblieben. Karzai hatte die Bekämpfung des Drogenanbaus als eine wichtige Voraussetzung für die Normalisierung, vielleicht auch Demokratisierung in seinem Land bezeichnet. Es ist kein Zufall, dass die Kräfte, die sich solch einer Entwicklung widersetzen, auch die wichtigsten Akteure auf dem Gebiet des Drogenanbaus sind. Jedenfalls steht es für die Inspektoren der UN-Behörde wie auch für britische Experten fest, dass der Drogenanbau fest in den Händen örtlicher und regionaler "Warlords" ist, von weiterhin kämpfenden Taliban und auch terroristischen Gruppen. Sie alle erhalten ihren Anteil an den Einnahmen, die sich immerhin auf etwa 2,3 Milliarden Euro in diesem Jahr belaufen. Und keine dieser Gruppen scheint bereit zu sein, auf solch eine ebenso einfache wie einträgliche Einnahme-Quelle zu verzichten.

Großbritanniens Rolle

Eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung des Drogenanbaus in Afghanistan spielt Großbritannien. Es hatte sich bei der Afghanistan-Konferenz auf dem Petersberg bei Bonn Ende 2001 bereit erklärt, diese Aufgabe zu übernehmen. Die Briten werden gemeinsam mit Präsident Karzai die Schirmherrschaft für eine internationale Drogenkonferenz übernehmen, die im Februar 2004 in Kabul stattfinden soll. Staatssekretär Bill Rammell ist im britischen Außenministerium verantwortlich für die Hilfsmaßnahmen. Er fürchtet zwar auch, dass ein weiterer Anstieg des Drogenanbaus Afghanistan völlig in die Arme von Banden, Drogenbossen und Terroristen treiben und den letzten Rest von Autorität der Zentralregierung zerstören könnte. Gleichzeitig nimmt er die alarmierenden Zahlen der UN-Behörde mit einiger Gelassenheit hin: Auch in anderen Weltgegenden, in denen man erfolgreich gegen den Drogenanbau gekämpft habe, sei es kurz vor dem Erfolg noch einmal zu einem drastischen Anstieg gekommen.

Ob solche Muster auf Afghanistan übertragbar sind, muss sich erst noch erweisen. Die Lage in dem Land ist vermutlich doch etwas anders als in Thailand oder auch im Nachbarland Pakistan. Denn die örtliche und regionale Struktur Afghanistans war immer schon so wie heute: Die Zentralregierung hat kaum Macht über Kabul hinaus und in den Provinzen herrschen ebenso selbständige wie selbstherrliche Regional-Chefs, die sich zwar durch Gefälligkeiten der Zentralregierung dieser anschließen, ihre Bemühungen aber ebenso leicht auch unterlaufen können.

Ziel Europa

Drogensüchtiger aus DeutschlandBild: AP

Der intensivierte Drogenanbau konzentriert sich auf Gegenden, in denen die Sicherheitslage schlecht ist: Dort haben es Emissäre der Zentralregierung oder auch der UNO nicht leicht, Gegenmaßnahmen einzuleiten. Die Bauern stehen unter dem - freilich teuer erkauften - Schutz der örtlichen "Warlords". Zunehmend interessant für den Anbau sind außerdem Grenzgebiete, von wo aus man die Ware leicht und schnell ins Ausland schaffen kann.

Das Ziel der Schmuggler ist vor allem Europa. Neunzig Prozent des in Großbritannien konsumierten Heroins stammen aus Afghanistan, in anderen europäischen Ländern sieht es kaum anders aus. Angesichts dieses Ausmaßes geben sich Experten keinen Illusionen hin: Dieses Problem werde kurzfristig nicht zu lösen sein, hieran müsse man mindestens zehn Jahre lang intensiv arbeiten.

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