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Gesellschaft

Europas Kinos: Wo bleiben die Blockbuster?

Mirjam Benecke
10. Oktober 2020

Die Kinos sind wieder offen und auch das Publikum ist nach Monaten der Isolation bereit für neue Leinwandhelden. Trotzdem bangen Kinobetreiber um ihre Existenz. Das Problem: Es fehlen schlichtweg Filme.

Niederlande I Neue Corona-Regeln in Rotterdam
Bild: Robin Utrecht/picture-alliance

So langsam wird es eng im Foyer des Studio-Filmtheaters in Kiel. Gleich zwei riesige James-Bond-Pappfiguren schauen dort den Kino-Besuchern finster entgegen. Seit Monaten läuft der Trailer für den neuen 007-Streifen in der Programmvorschau rauf und runter. Doch der Agent mit der Lizenz zum Töten lässt auf sich warten.

Eigentlich hätte der neue Bond-Film "Keine Zeit zu sterben" ("No Time To Die") schon im April über die Landwand flimmern sollen. Doch die Corona-Pandemie machte Fans und Kinobetreibern einen Strich durch die Rechnung. Das Filmstudio Universal Pictures verlegte den Kinostart kurzerhand auf November. Inzwischen ist auch dieser Termin Geschichte. Nun soll der Agenten-Thriller erst im kommenden April - also ein Jahr später als geplant - in die Kinos kommen.

Verleiher halten große Produktionen zurück

Den neuen Starttermin habe man gewählt, "damit ein weltweites Kinopublikum den Film sehen kann", hieß es in einer knappen Mitteilung der Produzenten. Die Kinos haben zwar seit Wochen wieder geöffnet. Doch dürfen sie wegen der geltenden Abstandsregeln nur deutlich weniger Besucher hereinlassen. In Deutschland gilt in fast allen Kinos ein Mindestabstand von anderthalb Metern. "Wenn wir in unserem großen Saal mit 250 Plätzen nur Einzelreservierungen haben, sind wir mit 48 Plätzen voll ausgebucht", rechnet Matthias Ehr vor. Er betreibt gemeinsam mit Dennis T. Jahnke das Studio-Filmtheater in Kiel.

Die kurzfristige Verschiebung des Bond-Kinostarts ist kein Einzelfall. Zuvor wurden bereits die Fortsetzungen von "Top Gun" mit Tom Cruise oder der erfolgreichen Reihe "Fast & Furious" auf das nächste Frühjahr verlegt. Auch "West Side Story" von Steven Spielberg oder die Comic-Verfilmung "Black Widow" mit Scarlett Johansson sollen erst 2021 in die Kinos kommen.

127 Cineworld-Kinos in Großbritannien geschlossen

"Inzwischen tragen wir uns die Starttermine der großen Blockbuster nur noch mit Bleistift ein", sagt Matthias Ehr der DW. Manche Filmplakate hätten er und sein Team in den letzten Wochen schon dreimal überklebt. "Wir sind von der Unsicherheit gebeutelt", sagt der Kinobetreiber.

Das Problem kennen zurzeit fast alle Lichtspielhäuser in Europa. Besonders hart trifft es die großen Kinoketten, die auf Kassenschlager aus Hollywood setzen, um ihre riesigen Säle zu füllen. Zu Beginn der Woche gab der weltweit zweitgrößte Kinobetreiber Cineworld bekannt, über 600 Häuser in Großbritannien und den USA vorübergehend zu schließen. "Wir verlieren viel mehr Geld, wenn wir offen bleiben als wenn wir schließen", sagte Cineworld-Chef Mooky Greidinger. "Wir sind dann wie ein Supermarkt ohne Lebensmittel."

An Abstandsregeln und Maskenpflicht haben sich Kinobesucher inzwischen gewöhnt (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa/R. Michael

Ganz ohne Blockbuster mussten europäische Kinos seit Beginn der Corona-Pandemie nicht auskommen. Im Spätsommer ging der Christopher-Nolan-Film "Tenet" an den Start - und brachte zumindest in Europa gute Einspielergebnisse. In Deutschland ließen sich 740.000 Menschen nicht von Corona abschrecken und besuchten wieder ihr Kino.

"Wir haben gesehen, dass unsere Kinos und unser Publikum bereit sind - aber wir brauchen Inhalte", sagt Laura Houlgatte der DW. Sie ist Geschäftsführerin der International Union of Cinemas (UNIC). Der Dachverband vertritt Kinobetreiber und ihre nationalen Verbände in 38 europäischen Ländern.

Nationales Kino punktet in der Corona-Krise

Houlgatte und ihre Kollegen haben in den letzten Monaten dokumentiert, wie der europäische Kinomarkt auf die Corona-Krise reagiert. Dabei schneiden einige Länder besser ab als andere. "Das sind die Länder, die stark auf lokale Inhalte setzen, wie zum Beispiel Frankreich oder Polen", so Houlgatte. "Auch die Niederlande haben besser abgeschnitten mit einer Mischung aus lokalen, europäischen und US-amerikanischen Filmen."

In Dänemark lockte der Film "Druk" am Eröffnungswochenende im September 102.000 Besucher in die Kinos - die erfolgreichste Uraufführung eines dänischen Dramas in den letzten sieben Jahren. In Frankreich entwickelte sich die Komödie "Tout simplement noir" zum Kassenschlager. Und im von Corona stark gebeutelten Spanien füllte das Sequel "Father There Is Only One 2" die Säle und Kassen.

"Wir kommen wieder", stand im März an der Fassade des Studio-Filmtheaters in Kiel (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa/F. Molter

Der Erfolg von nationalen und europäischen Produktionen hilft Kinobetreibern enorm. Doch ganz ohne Zuschüsse hätten viele Lichtspielhäuser die Wochen und Monate der Schließungen nicht überstanden. In Deutschland profitierten Betreiber von Kurzarbeitergeld, Soforthilfen und Krediten. "Die Anträge waren nicht immer leicht auszufüllen, aber das Geld ist schnell geflossen", erzählt Matthias Ehr vom Studio-Filmtheater in Kiel.

Stammgäste zeigen sich solidarisch

Und noch etwas hilft gerade kleineren Progammkinos derzeit durch die Krise. "Das ist die unglaubliche Solidarität unsere Publikums", sagt Ehr. "Wir verkaufen Gutscheine, von denen wir wissen, dass die Kunden sie wahrscheinlich nie einlösen - sozusagen als verdeckte Spende." Außerdem seien Stammgäste ins Foyer gekommen und hätten Mitarbeitern Geld in die Hand gedrückt. Als das Studio-Filmtheater im März vorübergehend schließen musste, fand Matthias Ehr kleine Zettel hinter den Scheibenwischern seines Autos. "Haltet durch!", stand darauf.

"Als kleines Kino in einer kleinen Stadt fühlen wir uns schon sehr getragen", sagt Ehr. Auch für die verschobenen Blockbuster-Premieren und ausgeklügelten Abstands- und Hygieneregeln hätten die meisten Gäste Verständnis. Das Motto in Kiel: "Rumjammern hilft nicht - nach Ebbe kommt Flut."

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