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Politik

Europas Sozis im Sinkflug

22. Februar 2019

Bei ihrem Wahlkongress in Madrid wollen sich die europäischen Sozialdemokraten Mut machen für die Europawahl Ende Mai. Das scheint auch bitter nötig: Die Umfragen sind alles andere als gut.

Leerstehendes Sozialistenbüro in Marne à Epernay
Symptomatisch für die Sozialdemokraten in Europa: Frankreichs PS verkauft leerstehende Parteibüros (2018)Bild: picture-alliance/MAXPPP/A. Marchi

Testen Sie sich selbst! Nennen Sie einen sozialdemokratischen Regierungschef in der Europäischen Union! Hmmh? Tja, also... Sie sind nicht der oder die Einzige, die etwas länger überlegen müssen. Richtig: Portugal, Malta, Schweden, die Slowakei und Rumänien werden in der EU noch von Sozialdemokraten regiert. Aber bei großen EU-Staaten wie Frankreich, Italien, Polen oder Deutschland herrscht Fehlanzeige. In Spanien musste der gescheiterte Ministerpräsident Pedro Sanchez gerade Neuwahlen ansetzen. Es ist unklar, ob er sein Mandat verteidigen kann.

Die europäischen Sozialdemokraten hatten sich an diesem Freitag extra die spanische Hauptstadt Madrid als Tagungsort für ihren Parteitag zur Europawahl Ende Mai ausgesucht. Die in vielen Ländern von schrumpfenden Umfragewerten bedrohten "Sozis" wollten sich ein wenig im Glanz von Sanchez sonnen. Das ging schief. Wie so vieles bei den Sozialdemokraten in den vergangenen Jahren.

In Deutschland beispielsweise Parteienforscher, wie Franz Walter in einem Interview mit der Wochenzeitung "Die Zeit", schon seit fast zehn Jahren voraus, dass die hiesige SPD "nie wieder eine Volkspartei" sein wird. Die alte Wählerklientel der Arbeiter ist weggeschrumpft. Diejenigen, die sich heute sozial benachteiligt fühlen, laufen lieber den Populisten von rechts oder links hinterher, meinen viele Politikwissenschaftler. Das gilt für weite Teile Westeuropas.

Wo sind sie geblieben?

In Frankreich, Italien und Deutschland sind die traditionellen sozialdemokratischen Parteien in der Wählergunst auf ein Rekordtief gesunken. Das führt dazu, dass die sozialistische Fraktion im Europäischen Parlament nach den Wahlen im Mai voraussichtlich arg schrumpfen wird. 2014 ergatterten die "Sozis" noch 191 Sitze. In diesem Jahr werden es nach einer Prognose der Meinungsforschungs-Plattform "Poll of Polls" nur noch 136 werden. Die britische Labour-Party fällt wegen des Ausscheidens Großbritanniens aus der EU ganz heraus - macht: minus 20 Sitze. Die deutschen Sozialdemokraten, die bei 15 bis 18 Prozent in den Umfragen dümpeln, werden vermutlich 11 Abgeordnete weniger nach Straßburg entsenden.

Sie versuchen die SPD zu retten: EP-Fraktionschef Bullmann, Parteichefin Nahles (Mi.) und Kandidatin BarleyBild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Trotzdem wird die sozialistische Fraktion, angeführt vom deutschen SPD-Politiker Udo Bullmann, wohl die zweitstärkste Kraft im Europa-Parlament bleiben. Die Liberalen und die euroskeptischen Populisten werden stark zulegen, können die "alte Tante Sozialdemokratie" aber noch nicht überflügeln. Stärkste Kraft bleiben die Konservativen, obwohl deren Fraktion von 221 (im Jahr 2014) auf 177 schrumpfen wird, sagen die Umfragen aus 27 Mitgliedsstaaten der EU.

Der Spitzenkandidat aller europäischen Sozialdemokraten für die Europawahl, Frans Timmermans aus den Niederlanden, hat es nicht leicht. Seine natürliche Hausmacht, die einst mitregierende Sozialdemokratie in Holland, ist weggebrochen. Die niederländischen Sozis entsenden voraussichtlich nur drei Abgeordnete. Timmermans, bislang EU-Kommissar in Brüssel und ehemals Außenminister seines Landes, hofft einer von ihnen zu sein.

Wahlkämpfer Timmermans Gegenwind: Die sozialdemokratische Fraktion im Europaparlament wird kleinerBild: Reuters/F.Lenoir

Innerhalb der sozialdemokratischen Parteienfamilien gibt es außerdem Spannungen, die man versucht, beim Kongress in Madrid zu überspielen. Die Sozialdemokraten in der Slowakei oder Rumänien sind in den Augen vieler Parteifunktionäre aus den alten EU-Mitgliedsstaaten keine echten "Sozis", sondern zum Teil konservativer und nationaler eingestellt als die CDU oder CSU in Deutschland. Besonders skuril ist die Lage derzeit in Rumänien.

Anzeige gegen den eigenen Spitzenkandidaten

Frans Timmermans hat Rumäniens regierenden Sozialdemokraten vorgeworfen, sie würden nur ungenügend gegen Korruption vorgehen und die Rechtsstaatlichkeit ihres Landes gefährden. Im Gegenzug hat eine den Sozialdemokraten nahestehende Firma in Bukarest Anzeige gegen EU-Kommissar Timmermans erstattet. Ob die Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen "Organisierter Kriminalität" und "Fälschung von EU-Berichten zu Rumänien" aufnehmen wird, ist unklar.

In Rumänien halten sich Gerüchte, dass der selbstherrliche Parteichef der Sozialdemokraten, Liviu Dragnea, plant, aus der europäischen Parteienfamilie und der gemeinsamen Fraktion im Europäischen Parlament auszusteigen. Das wäre ein weiterer Schlag mitten im Wahlkampf, immerhin bringen die rumänischen Sozialdemokraten elf Sitze in die Fraktion ein.

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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