Europatour: Saudischer Kronzprinz wieder salonfähig
28. Juli 2022Der Kronprinz von Saudi-Arabien, Mohammed bin Salman, bereitete sich mit seiner vielköpfigen Delegation in seinem Eigenheim bei Paris, dem Château Louis XIV in Louveciennes, auf den Abschluss seiner Europareise vor. Am Abend traf Mohammed bin Salman den französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron. Dessen Residenz, der Élysée-Palast in Paris, wirkt gegenüber dem Château der Saudis eher wie eine bescheidene Hütte. Der Prinz wohnt in Frankreich immerhin in der teuersten Privatimmobilie der Welt, die er vor sieben Jahren für 275 Millionen Euro über ein verschachteltes Firmennetz erworben hatte.
Der künftige König des reichen Staates am Persischen Golf, den er de facto bereits regiert, gab sich auf der ersten Station seiner Reise, in Griechenland großzügig. Er versprach dem griechischen Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis, dessen Land zu einem Drehkreuz für grünen Wasserstoff auszubauen. "Ich glaube, wir haben viele historische Gelegenheiten, die wir heute nutzen werden", sagte der saudische Gast in Athen. Durch ein neues Untersee-Stromkabel würden Griechenland und Südosteuropa "viel billigere erneuerbare Energie erhalten. Die neue Zusammenarbeit ändert alles für beide Seiten", meinte Mohammed bin Salman und sein griechischer Gastgeber nickte zu frieden. Zusammenarbeit im Energiesektor ist in der aktuellen Krise in der EU natürlich hochwillkommen.
Realpolitik siegt über moralische Bedenken
Es ist die erste Reise in die Europäische Union, die der Kronprinz seit dem Oktober 2018 unternimmt. Damals wurde im saudischen Konsulat in Istanbul der kritische saudi-arabische Journalist Jamal Khashoggi brutal ermordet. Amerikanische Geheimdienste und ein Bericht der Vereinten Nationen legen nahe, dass der Mord in der Türkei mit Billigung von Mohammed bin Salman ausgeführt wurde. Seither galt er in vielen westlichen Ländern als ein politisch Aussätziger. Kontakt mit ihm wurde gemieden - bis zum vergangenen Jahr, als klar wurde, dass auf russische Öl- und Gaslieferungen kein Verlass mehr ist und mehr Gewicht auf Energie-reiche Staaten im Nahen Osten gesetzt werden muss.
Die Europäische Union hat deshalb überhaupt keine Problem damit, Kontakte mit der absoluten Monarchie Saudi-Arabien und ihrem de-facto-Herrscher zu pflegen. "Die Besuche von Vertretern von Drittstaaten in EU-Mitgliedsstaaten sind ein natürlicher Teil unserer Beziehungen, die überprüft und ausgebaut werden", meinte am Donnerstag Peter Stano, Sprecher des Europäischen Auswärtigen Dienstes auf eine entsprechende Frage. "Die EU ist daran interessiert, ihr Verhältnis zu Saudi-Arabien in einer ganzen Reihe von Gebieten, nicht zuletzt Energie und grüne Energiewende, zu stärken", so Stano weiter. Das gelte für alle Staaten am Persischen Golf. "Das ist für beide Seiten von Vorteil."
Auf der anderen Seite bestehen die EU-Kommission und ihr auswärtiger Dienst darauf, dass der Mord am Journalisten Khashoggi aufgeklärt wird. "Wir erwarten eine vollständige Untersuchung, Klarstellung und Verantwortung in diesem Fall. Das wird auch regelmäßig angesprochen", sagt Peter Stano. Mit Saudi-Arabien habe man einen "Menschenrechtsdialog" gestartet.
Kritik von Amnesty international
Der Generalsekretärin der Menschenrechtsorganisation "Amnesty international" reichen solche Zusicherungen nicht. "Ich finde solche Besuche höchst beunruhigend", sagte Agnes Callamard der Agence France-Presse (afp). "Der Besuch bin Salmans in Frankreich und Joe Bidens Besuch in Saudi-Arabien ändern nichts daran, dass bin Salman nichts anderes als ein Killer ist." Vor vier Jahren hätten sich viele westliche Politiker noch schockiert gezeigt über den Mord im Konsulat. Jetzt werde Mohammed bin Salman wieder gegen jedes Wahrheits- und Gerechtigkeitsempfinden in die internationalen Beziehungen integriert, kritisierte Agnes Callamard. Vor ihrer Tätigkeit bei "Amnesty International" untersuchte sie für die Vereinten Nationen als spezielle Berichterstatterin für extralegale Tötungen auch den Mord an Jamal Kashoggi. Sie kam zu dem Schluss, dass die saudische Regierung für die Tat verantwortlich ist. Kronprinz Mohammed bin Salman bestreitet jedwede Verwicklung und macht außer Kontrolle geratene Geheimdienst-Agenten verantwortlich.
In Saudi-Arabien, wo bin Salman laut "Amnesty international" keinerlei Kritik oder abweichende Meinung zulässt, sitzen mindestens zwei Dutzend Journalisten im Gefängnis. Der bekannte Blogger Raif Badawi wurde zwar nach jahrelanger Haft im März entlassen, darf aber das Land nicht verlassen.
Viel gefragter Gast(geber)
Die Europatour des saudischen Thronfolgers ist nicht der Anfang, sondern eher der Abschluss seiner "Reintegration" in die internationale Diplomatie. In diesem Monat war der amerikanische Präsident Joe Biden zu Besuch beim saudischen Herrscherhaus, weil Biden Saudi-Arabien als strategisches Gegengewicht zum Iran in der Region braucht. Außerdem soll Saudi-Arabien seine Ölförderung erhöhen, um die Weltmarktpreise zu senken. Die saudische Armee ist ein großer Kunde der Waffenindustrie in den USA und Europa. Frankreich ist kein zufälliges Reiseziel. Die Saudis sind Großkunde bei französischen Waffenschmieden, kaufen französische Atomkraftwerke. Fast 4000 französische Firmen sind in dem Golfstaat tätig. Der französische Präsident Emmanuel Macron war bereits im Dezember 2021 in Riad zu Gast, genauso wie der britische Premierminister Boris Johnson.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat seinen saudischen Kollegen mehrfach getroffen. 2020 bereits traf der damalige deutsche Außenminister Heiko Maas den saudischen Außenminister Prinz Faisal bin Farhan al-Saud. Mohammed bin Salman konnte bereits im Juni in der Türkei den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan besuchen, der 2018 noch versprochen hatte, die Mörder von Istanbul zu finden. Auf internationaler Ebene nimmt Mohammed bin Salman ganz selbstverständlich an G20-Treffen teil.
Vielleicht wird er noch weitere Staaten in Europa besuchen und sich nun öfter an seinem wenig genutzten Zweitwohnsitz, dem Château Louis XIV, aufhalten und sogar ein paar Urlaubstage in Frankreich genießen. Einige seiner ultra-reichen Landsleute verbringen den Sommer an der Cote d'Azur.