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PolitikEuropa

Europawahl 2024: EU-Bürger wählen ihr Parlament

5. Juni 2024

Rund 370 Millionen Menschen können von Donnerstag bis Sonntag das EU-Parlament wählen. EU-Skeptiker und Nationalisten dürften bei der Europawahl stärker werden. Bernd Riegert aus Brüssel.

Blick in den Plenarsaal des Europäischen Parlaments in Straßburg.
Diese 720 Sitze in Straßburg sind zu haben: Parlamentspräsidentin Metsola fordert die Wähler auf ihre "Stimme zu nutzen"Bild: Daniel Kalker/picture alliance

Roberta Metsola, die christdemokratische Präsidentin des Europäischen Parlaments aus Malta, ist in den vergangenen Monaten mit dem Slogan "Nutze deine Stimme" durch alle 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gereist. In zahlreichen Diskussionsrunden in Stadthallen, Universitäten und Schulen hat sie versucht, vor allem junge Wählerinnen und Wähler für die alle fünf Jahre stattfindende Europawahl zu interessieren. "Das Bild, das ihr vom Europäischen Parlament vor eurem geistigen Auge seht, sind diese über 700 blauen Sitze. Diese Sitze werden vergeben werden, egal ob ihr wählen geht oder nicht. Aber jetzt habt ihr die Wahl, ihr könnt etwas bewirken, ihr könnt beeinflussen, wer auf den Sitzen Platz nehmen oder nicht Platz nehmen wird", sagte Roberta Metsola vor Jugendlichen in Dänemark.

Die rund 370 Millionen EU-Wahlberechtigten zur Stimmabgabe in der nach Indien zweitgrößten demokratischen Wahl der Welt zu bewegen, ist nicht so einfach. Die Wahlbeteiligung lag bei der vergangenen Wahl 2019 nur bei rund 50 Prozent. Die EU hat in einer Meinungsumfrage im Frühjahr ermittelt, dass diesmal das Interesse an der Wahl bei 60 Prozent liegt. Die Wahlbeteiligung könnte also steigen. Sie ist bei dieser von vielen politischen Lagern zur "Schicksalswahl" oder "Richtungswahl" erklärten Abstimmung besonders wichtig, denn von einer hohen Wahlbeteiligung profitiert statisch gesehen meist die Mitte im politischen Spektrum.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Parlamentspräsidentin Roberta Metsola (Christdemokratin): Die EU muss bewahrt und weiterentwickelt werdenBild: Bernd Riegert/DW

In vielen EU-Ländern, Deutschland eingeschlossen, wurde der Wahlkampf  geprägt durch die Diskussion um Sicherheit und Verteidigung vor dem Hintergrund des russischen Krieges gegen die Ukraine. Nach Meinungsumfragen ist aber die Wirtschafts- und Sozialpolitik im Durchschnitt der 27 Mitgliedsstaaten das wichtigste Thema bei der Wahlentscheidung. Die Migrationspolitik spielte in den meisten EU-Ländern keine entscheidende Rolle.

Umfragen sagen ein Anwachsen der rechten EU-Skeptiker voraus

In vielen Ländern beschäftigte der erwartete Zuwachs von EU-skeptischen Rechtskonservativen bis Rechtsradikalen die Wahlkämpfer. Für Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ein Grund, düstere Warnungen auszusprechen. "Manche Populisten fordern, dass Deutschland aus der Europäischen Union austritt. Andere sehen Putins Russland oder Xi Jinpings China als Vorbilder vor Europa. Und wieder andere wollen die EU rückabwickeln – was für ein selbstzerstörerischer Wahnsinn! Europa und die europäische Einigung sichern unseren Wohlstand und unsere Zukunft", sagte Olaf Scholz in einem Wahlaufruf per Video.

In Frankreich, Italien, den Niederlanden, Belgien, Österreich und Ungarn liegen die Rechtsaußen-Parteien in der Wählergunst an erster Stelle. In Polen, Deutschland und Schweden könnten die rechten Parteien mindestens zweit- oder drittstärkste Kraft werden. So liegt die in Teilen rechtsextreme AfD in Deutschland mit zwei der Regierungsparteien - SPD und Grünen - ungefähr gleich auf, bei rund 15 Prozent. Die oppositionellen Christdemokraten führen in Deutschland mit 30 Prozent. Erwartet wird, dass die Zahl der blauen Sessel im Plenum des Europaparlaments für weit rechts stehende Parteien signifikant ansteigen wird, auf 21 bis 25 Prozent. Zu einer bestimmenden Mehrheit reicht es aber nicht.

Meloni will rechtes Bündnis schaffen

Die italienische Ministerpräsident Giorgia Meloni, die auch Chefin der rechten europäischen Parteienfamilie EKR ist, hat deshalb angekündigt, sie wolle im Europaparlament eine Koalition nach italienischem Muster schmieden. Meloni regiert in Italien seit 18 Monaten mit einem Bündnis aus Rechtspopulisten, Rechtsextremen und Christdemokraten. Sie will im Europaparlament die bisherige inoffizielle große Koalition der Mitte aus Sozialdemokraten, Liberalen und Christdemokraten aufbrechen. "Wir befinden uns am Vorabend einer entscheidenden Wahl, denn zum ersten Mal könnte die Europawahl mit unnatürlichen Mehrheiten und kontraproduktiven Mehrheiten Schluss machen. Wir müssen konzentriert und mit beiden Beinen auf dem Boden bleiben. Richten wir den Blick auf den Horizont", sagte Giorgia Meloni bei einem Wahlkampfauftritt in Spanien. Sie will zusammen mit dem Rassemblement National der französischen Rechtspopulistin Marine Le Pen, der Fidesz-Partei des ungarischen Nationalisten Viktor Orban, der polnischen PiS und anderen Parteien eine neue große rechtsnationale Fraktion gründen. Bislang gab es zwei Gruppen am rechten Rand.

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Christdemokraten liebäugeln mit rechtem Rand

Die Spitzenkandidatin der europäischen Christdemokraten, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, schließt eine künftige Zusammenarbeit mit Meloni & Co. nicht aus. Es komme darauf an, ob die Abgeordneten für die Ukraine einträten und europäische Werte achteten, nicht so sehr auf das Parteibuch, formulierte Ursula von der Leyen in mehreren TV-Debatten. Von der Leyen sagte über Meloni: "Und sie ist ganz klar pro-europäisch. Sie ist gegen Putin, das hat sie sehr klar gesagt. Und für Rechtsstaatlichkeit. Wenn das so bleibt, werden wir eine Zusammenarbeit anbieten."

Sozialdemokraten, Liberale, Grüne und Linke kritisierten diesen neuen Kurs der Christdemokratin von der Leyens heftig. Nach den letzten Meinungsumfragen bleiben Christdemokraten und Sozialdemokraten ungefähr bei der Stärke ihrer Fraktionen. Liberale, Grüne und Linke werden verlieren. 720 Sitze werden in der neuen Legislaturperiode vergeben, 15 mehr als bisher.

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Begrenzte Macht des Parlaments

Welche Koalition nach Bildung der Fraktionen auch immer zustande kommt, es bleibt zu berücksichtigen, dass das EU-Parlament nur eine von zwei gleichberechtigten Kammern der Gesetzgebung ist. Es kann also nicht alleine entscheiden und wählt auch keine Regierung, sondern ist auf die Zusammenarbeit mit dem "Rat der Europäischen Union" angewiesen. Im Rat sind die 27 Regierungen der Mitgliedsstaaten vertreten. Umgekehrt sind die Regierungen auf die Zustimmung des einzigen supranationalen, direkt gewählten Parlaments der Welt angewiesen. In keiner anderen Region der Erde gibt eine vergleichbare Institution, die über Ländergrenzen hinweg Gesetze verabschieden kann.

Gewählt traditionell an vier Tagen. Am 6. Juni beginnt die Wahl in den Niederlanden. Die meisten Staaten wählen am Sonntag, dem 9. Juni. Verlässliche Aussagen über die Sitzverteilung im zehnten Europarlament werden um 23 Uhr MESZ vorliegen.

 

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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