Unsere ESC-Reporter Silke und Rick haben sich durch alle 41 Songs des diesjährigen Wettbewerbs gehört. Hier kommen ihre ganz persönlichen Tops und Flops für Tel Aviv.
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Musikalische Vielfalt gibt es auch in diesem Jahr beim Eurovision Song Contest: Zwischen modernen Popliedern und tosenden Balladen ist für jeden Geschmack etwas dabei. Auch wenn sich jetzt schon einige Künstler auf den Favoritenrängen befinden - das Ergebnis kann am 18. Mai, dem Tag des großen Finales, ganz anders aussehen.
Unsere ESC-Reporter Silke Wünsch und Rick Fulker haben die 41 Lieder unter die Lupe genommen. Die Spielregel: Jeder muss jeweils die fünf besten und die fünf schlechtesten Songs küren. Gibt es Übereinstimmungen - so wie vergangenes Jahr?
Beide haben ihre ganz persönlichen Favoriten, die sie schon längst rauf und runterhören. Locker könnten beide auch ihre jeweils eigenen Top Ten abliefern; Silke mag außer ihren fünf absoluten Favoriten in der Bildergalerie auch die Beiträge aus Italien, Spanien, Tschechien, Island, Norwegen und Weißrussland.
Bei Rick fällt die Auswahl anders aus. Er hat eine Vorliebe für die Songs, die aus der Reihe tanzen, und für die Musiker, die wirklich was können. Dazu gehören neben seinen Favoriten in der Bildergalerie auch die Schweiz, Belgien, Moldau und Dänemark.
Da man über Geschmack bekanntlich nicht streiten kann, wird der Erfolg wohl vom richtigen Mix aus Anschlussfähigkeit und Ausgefallenem abhängen.
Buchmacher, Fans und sogar ganze Nationen sind derzeit mit Spekulationen über den vermutlich erfolgreichsten Song beschäftigt. Silke und Rick überlassen das ihnen und beschränken sich auf ihre eigenen Favoriten. Das Resultat: Unter den Top Ten gibt es in diesem Jahr erstmals keine Übereinstimmung der beiden.
Hier sind ihre Top Ten:
Eurovision Song Contest 2019: Unsere zehn Favoriten
Buchmacher, Fans - sogar ganze Länder sind derzeit mit Spekulationen über den erfolgreichsten ESC-Song beschäftigt. Unsere ESC-Reporter Silke und Rick haben ihre eigenen Favoriten.
Silke: Von den "Hübscher-junger-Mann-singt-Balladen"-Songs ist dieser der beste. Duncan sitzt am Klavier, fängt mit verhaltener Kopfstimme an - aber im Refrain geht strahlend die Sonne auf! Selbst wenn die dramatischen Stellen kommen, ist und bleibt der Song catchy. Und der Mann sieht auch noch fantastisch aus. Seit Wochen ist Duncan der einsame Favorit. Und? Warum nicht Amsterdam 2020?
Bild: eurovision.tv/Thomas Hanses
Blendend: Michael Rice - "Bigger Than Us" (Großbritannien)
Rick: Das Mutterland der Popmusik könnte jetzt seine langjährige Pechsträhne beim Eurovision Song Contest beenden. Michael Rice ist ein wenig beleibt und ungelenk, also nicht gerade ESC-stilisiert. Aber diese nuancierte Soulstimme! Beim Song "Bigger Than Us" gibt er sein Ganzes, dennoch hat man paradoxerweise das Gefühl: Er hat sogar Reserven, um sich bis zum Finale noch zu steigern.
Bild: picture-alliance/empics
Partytauglich: Michela - "Chameleon" (Malta)
Silke: Jippie! Eine Tanznummer - Reggaeton mit Elektrobeats, dazu ein wirklich ordentlicher Gesang. Auf der Bühne wird Michela vor großen Wänden tanzen, auf denen die Farben ständig wechseln. Der gesamte Song ist sehr abwechslungreich: Er ändert immer wieder seinen Stil - wie ein Chamäleon. Ein amtlicher Dancefloorhit ohne Getöse, sondern cool, lässig und zum Gesäßwackeln geeignet.
Bild: eurovision.tv/Thomas Hanses
Beeindruckend: Mahmood - "Soldi" (Italien)
Rick: Wegen seines ägyptischen Vaters wurde er von einwanderungsfeindlichen Politikern in der italienischen Regierung angegangen. Das ist entsetzlich. Mahmood ist aber Voll-Italiener, auch musikalisch. Sein Lied heißt übersetzt "Geld" und handelt von einem gestörten Vater-Sohn-Verhältnis. Selten wurde Schmerz und Verbitterung so schön verpackt, und der Refrain spukt lange danach im Kopf herum.
Bild: picture-alliance/Pacific Press/F. Cigliano
Verträumt: Carousel - "That Night" (Lettland)
Silke: Für mich die hübscheste Nummer im gesamten Teilnehmerfeld. Unaufgeregt und völlig entspannt singt sich das Quartett mit Kontrabass durch einen Song, der inmitten der lautstarken Konkurrenz für Ruhe sorgt. Ein bisschen im Stil von Norah Jones' "Sunrise". Ich wünsche ihnen sehr, dass das geneigte ESC-Publikum dies honoriert und Lettland ins Finale und dort auf einen guten Top Ten Platz wählt.
Bild: eurovision.tv/Andreas Putting
Hinreißend: Tulia - "Pali się" (Polen)
Rick: Die vier Mädels aus Polen bringen mit "Feuer der Liebe" Folklore in Originalsprache (Hurra!), mit völlig abgedrehtem, verrücktem, schrillem Sound und Auftritt in Landestracht. Der Mischklang der Stimmen ist gleichbleibend, dennoch nicht monoton, und man muss die Sprache nicht verstehen um zu wissen, dass das Ganze eine ironische Brechung hat. Dieser Beitrag steht allein in der Landschaft da.
Bild: eurovision.tv/Andreas Putting
Tanzbar: Tamta - "Replay" (Zypern)
Silke: 2018 hat Eleni Foureira mit "Fuego" für Furore gesorgt. Verdient hatte sie mit dieser feurigen Tanznumer in Lissabon den zweiten Platz gemacht. Also gibt es jetzt den Nachschlag aus Zypern: Tamta singt "Replay" - was ja soviel heißt wie: Spiel das nochmal ab. Wenn Tamta eine gute Show abliefert, kann ihr auch der undankbare erste Startplatz nicht schaden! Das Outfit stimmt schonmal.
Bild: eurovision.tv/Thomas Hanses
Kathartisch: Hatari - "Hatrið mun sigra" (Island)
Rick: Bei ansonsten so viel Friede-Freude-ESC-Mittelmaß finde ich diesen Industrial-Song mit dem Titel "Hass wird siegen" und seiner antikapitalistischen Botschaft ganz befreiend. Aus dem Abgrund der Seele schreien Hatari einen ungeschmückten Aufstand gegen Lüge und Schein heraus. Sie haben kapiert, was bei vielen Menschen an der Basis los ist und geben dem unmissverständlich Ausdruck.
Bild: eurovision.tv/Thomas Hanses
Fantastisch: Sergey Lazarev - "Scream" (Russland)
Silke: Selbst wenn er - wie schon 2016 - wieder mit Pomp und Tricks auf die Bühne kommt, selbst wenn der Song alles andere als ein Knaller ist: Sergey ist definitiv der beste Sänger, der in diesem Jahr am Start ist. Er singt sich mit einer unglaublichen Leichtigkeit durch drei Oktaven - und gegen Ende kommt ein Chor, der mich ein wenig an eine Metal-Powerballade erinnert. Mir gefällt das sehr.
Rick: Bei diesem Song passen Stimme und Instrumentalbegleitung absolut nicht zueinander, aber das mit höchstem Können: Die Politonalität und verblüffenden musikalischen Wendungen gefallen mir, sogar sehr. Ebenso die verrückten Kostüme und schrillen Tanzeinlagen. Übersetzt heißt das Lied "Handys", und ich kann mich daran nicht satt sehen oder hören. Zwölf Punkte für den Mut dazu.
Bild: eurovision.tv/Thomas Hanses
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Das möchten wir nicht hören
Kein Eurovision Song Contest ohne mindestens einen Ausreißer! Immer gibt es Songs, an denen sich die Geister scheiden - und immer wieder kommt es vor, dass gerade solche Lieder die größten Chancen auf den Sieg haben. Wie etwa die Monstertruppe Lordi aus Finnland, die mit gruseligem Outfit, Gebrüll und Rock-Getöse den Wettbewerb 2006 gewann. Selbst die zuckersüße Jazzballade von Salvador Sobral spaltete vor zwei Jahren die weltweite ESC-Gemeinde - und erreichte trotzdem einen Erdrutschsieg.
In diesem Jahr scheiden sich die Geister an mehreren Songs. So ist der Beitrag aus Polen mit seinem traditionellen weiblichen "Schreigesang" bei den Fans höchst umstritten, dennoch oder gerade deswegen könnte er am Ende durchaus überraschen, ebenso wie Islands Sado-Maso-Gothic-Nummer mit dem nicht ganz freundlichen Titel" Hatrið mun sigra" ("Hass muss siegen").
Selbst der in allen Belangen schwer verständliche Beitrag aus Portugal könnte weit oben landen. Silkes Geschmack ist er nicht, Rick findet ihn super. Er ist der Meinung, dass der ESC alles darf - nur nicht langweilen. Aus der breiten Masse des Ungefährlichen und für seine Ohren Uninteressanten hat er dennoch fünf Lieder ausgemacht, die er noch schlechter findet, und die es, wenn es nach ihm ginge, nicht verdient haben, nach dem ESC weiterhin gespielt zu werden. Hier sind sich Rick und Silke in zwei Fällen sogar einig, daher gibt es keine Flop Ten, sondern die Flop Acht:
Eurovision Song Contest 2019: Die größten Flops
Immer gibt es Songs, an denen sich die Geister scheiden - und immer wieder kommt es vor, dass gerade solche Lieder die größten Chancen auf den Sieg haben. Wie sehen Silke und Rick das? Wem geben sie gar keine Chance?
Silke: Ich habe es wirklich versucht. Mehrmals. Ehrlich. Manche Songs brauchen ja ein bisschen. Aber dieses Lied klingt wie eine Toncollage, bei der nichts zusammenpasst. Ein merkwürdiges Gebimmel und ein jammernder Gesang (soll er an Fado erinnern?). Es gehört viel Mut dazu, sich mit einer solchen Nummer auf eine ESC-Bühne zu stellen. Vielleicht bringt ihm das Punkte. Von mir allerdings nicht.
Bild: eurovision.tv/Thomas Hanses
Empörend: KEIInO - "Spirit in the Sky" (Norwegen)
Rick: Die Skandinavier wissen, wie man einen ESC-Erfolg bastelt, richtig? Packt man dann jede abgenutzte Formel in einem Song zusammen, erhält man dieses Ergebnis: KEIInO. Eine Sängerin, die meistens die Tonhöhe verfehlt, einen männlichen Vokalisten, der sich vergeblich im traditionellen Joik-Gesang versucht, dazu ein monotoner Refrain, Feuer und Trommeln. Ein Potpourri der Geschmacklosigkeit.
Bild: eurovision.tv/Thomas Hanses
Langweilig: Zala Kralj & Gašper Šantl - "Sebi" (Slowenien)
Silke: Es ist eine Liebesgeschichte, selbst komponiert und stammt nicht aus der Feder renommierter ESC-Komponisten. Aber - sorry - das haut mich dennoch nicht vom Hocker. Es ist verhalten elektronisch instrumentiert und in Landessprache gesungen, was ja nicht verkehrt ist. Aber das in sich gekehrte Gesinge erreicht mich einfach nicht. Nach langen 3:18 Minuten bin ich froh, dass es zu Ende ist.
Bild: eurovision.tv/Thomas Hanses
Aussichtslos: S!sters - "Sister" (Deutschland)
Rick: Auch wenn ich jetzt in meiner Wahlheimat böse Blicke bekomme - einer muss es ja sagen, wenn Silke sich nicht traut: Der Song ist zwar ganz nett, aber das eigens für den ESC mit heißer Nadel gestrickte Duo und sein Kunstprodukt sind offensichtlich hundert Prozent Kalkül und null Authentizität. Wird das Lied bei 41 Teilnehmerländern in die Top-40 gelangen? Da bin ich mir nicht so sicher.
Bild: Getty Images/H. Jeon
Enttäuschend: Darude - "Look Away" (Finnland)
Silke: Schade schade schade. Die größte Enttäuschung für mich in diesem Wettbewerb! DJ Darude hat in den 1990ern für einen der größten Techno-Hits aller Zeiten gesorgt - auch heute lässt man sich gerne nochmal von "Sandstorm" aus den Socken heben. Doch was nun? Ein mittelmäßiger Song mit einem mittelmäßigen Sänger - sorry, Jungs: Auch der gute Name hilft euch da übers Semifinale nicht hinaus.
Bild: eurovision.tv/Thomas Hanses
Ermüdend: Nevena Božović - "Kruna" (Serbien)
Rick: Stellvertretend für alle jungen Frauen, die sich mit wehenden Haaren zu großen Balladen aufschwingen - und davon gibt es auch in diesem Jahrgang einige - habe ich Nevena Bozovic aus Serbien und ihr Lied "Krone" ausgesucht. Die 24-Jährige ist Veteranin mehrerer Castingshows und ESC-Juries. Also wohl ein Produkt der ESC-Maschinerie. Selbst die ESC-Onlineseite schreibt: "Kein Mut zum Risiko".
Bild: eurovision.tv/Andreas Putting
Flach: Serhat - "Say Na Na Na" (San Marino)
Silke: Serhat ist wirklich ein charismatischer Typ mit guten Crooner-Qualitäten. In weißem Anzug tanzt er auf der Bühne zwischen hübschen weißgekleideten Tänzern herum - ganz der galante Entertainer. Seine Stimme schnurrt wie ein zufriedener Kater. Aber was soll bitte dieses seichte Popnümmerchen mit dem Nimbus eines pinkfarbenen Flummiballs aus den 90ern? Von mir: dreimal NEIN.
Bild: eurovision.tv/Thomas Hanses
Unterdurchschnittlich: Serhat - "Say Na Na Na" (San Marino)
Rick: Was wäre Eurovision ohne San Marino? Oder vielmehr: Was wäre San Marino ohne Eurovision? Es ist das Land, von dem man sonst nie etwas hört. Ich glaube, die San Marinos werden beim ESC so lange mitmachen, bis sie endlich gewinnen. Diesmal aber noch nicht. Der Titel "Say Na Na Na" sagt schon alles, nämlich: nichts. Bei viel Mittelmaß das mittelmäßigste.
Bild: eurovision.tv/Thomas Hanses
Schrecklich: Kate Miller Heidke - "Zero Gravity" (Australien)
Silke: Drei Frauen werden auf langen Stangen befestigt, lange Wallewalle-Kleider über sie gestülpt. Sie ragen aus einer rauchgeschwängerten Bühne heraus und werden hin und hergeschwenkt. Unfreiwillig komisch! Dabei singt Kate eine Art Pop-Oper in höchstem Sopran, wobei sie entfernt an Mozarts Königin der Nacht aus der "Zauberflöte" erinnert. Leider ist es in diesem Fall nur schrecklich.
Bild: eurovision.tv/Thomas Hanses
Überflüssig: Kate Miller-Heidke - "Zero Gravity" (Australien)
Rick: Als Opernbesucher müsste ich diesen Beitrag begrüßen, richtig? Falsch. Die Stimme ist angehaucht, die hohen Töne wackelig. Dann liest man sogar: Kate Miller-Heidke sei eine erfolgreiche Opernsängerin. Wenn sie aber hier unter ihren Möglichkeiten singt, kann ich ihr das nicht verzeihen. Das zweigeschossige Hoch-Kleid ist auch nicht originell; siehe Estlands Beitrag vom Vorjahr.
Bild: eurovision.tv/Thomas Hanses
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Silke und Rick werden ab Sonntag, dem 12. Mai eine Woche lang aus Tel Aviv berichten. Unsere Twitterkanäle @dw_kultur und @dw_culture versorgen Sie zusätzlich zum Kulturangebot mit Infos, Bildern und Eindrücken vom ESC 2019. Außerdem twittert Silke noch als @die_wuensch live von den Shows, die jeweils um 21:00 MESZ beginnen.