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Evolution: Hatte ADHS Vorteile für unsere Vorfahren?

25. Februar 2024

ADHS wird gemeinhin als Störung bezeichnet. Dabei könnte das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom laut einer neuen Studie früher ein evolutionärer Vorteil gewesen sein. Bei der Nahrungssuche zum Beispiel.

Nahaufnahme frisch gepflückter Blaubeeren auf einer Hand.
Was wir heute unter ADHS verstehen, könnte früher für Jäger und Sammler ein wichtiger Vorteil gewesen sein.Bild: Andy Nowack/Zoonar/picture alliance

ADHS ist in der Regel negativ behaftet. Hyperaktivität, Impulsivität oder Aufmerksamkeitsprobleme - die Symptome der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Störung werden eher als Schwäche angesehen. ADHS hat aber auch Vorteile, die wissenschaftlich untersucht wurden. Betroffene gelten als kreativ, dynamisch, sie sind sozial-emotional kompetent und haben hohe kognitive Fähigkeiten.  

Forschende der University of Pennsylvania haben nun versucht, dem Ursprung von ADHS nachzugehen. So schreibt David Barack, einer der Studienautoren, auf X: "ADHS und ADHS-ähnliche Merkmale wie Ablenkbarkeit und Impulsivität sind weit verbreitet und werden oft als negativ angesehen. Aber wenn sie wirklich negativ sind, dann gibt ihr Fortbestehen ein Rätsel auf."

Ist ADHS also ein wichtiger Teil der Evolution? Laut der aktuellen Studie könnte man das so sagen. Das Forscherteam glaubt, ADHS habe sich als adaptive Überlebensstrategie unserer Vorfahren entwickelt. Ihre Studie wurde in der Fachzeitschrift "The Royal Society" veröffentlicht.

Beeren sammeln mit ADHS

Um der Sache auf den Grund zu gehen, analysierten die Forschenden Daten von 457 Erwachsenen, von denen 206 nach eigener Aussage stärkere ADHS-Symptome bei sich beobachteten. 

Die Probanden sollten in einem Videospiel möglichst viele Beeren von virtuellen Sträuchern absammeln. Die Zeit dafür war begrenzt. Die Teilnehmenden mussten sich immer wieder entscheiden: Sammeln sie am selben Fleck weiter, an dem die Beeren zur Neige gehen oder wechseln sie den Ort, um einen neuen Strauch zu erkunden? Letzteres kostete wertvolle Sekunden.

Diejenigen mit ADHS-Merkmalen neigten dazu, schneller zu wechseln und weniger Zeit an einem einzigen Strauch zu verbringen. Und so sammelten sie mehr Beeren als die andere Gruppe ohne ADHS-Symptome. Diese wiederum neigte dazu, sehr viel mehr Zeit an einem Strauch zu verweilen, in der Hoffnung, die Ausbeute zu optimieren.

Die Forschenden überraschte dieses Ergebnis. Sie gingen davon aus, der schnelle Wechsel der Sträucher würde zu einem schlechteren Ertrag führen. "Doch höhere ADHS-Symptome führen zu einer höheren Belohnungsrate und einer besseren Leistung", so Studienautor Barack.

ADHS als Überlebensstrategie

Die Taktik bringt Vorteile mit sich: Sie verhindert die Ausbeutung von Ressourcen an einem einzigen Ort, gleichzeitig werden neue Gebiete ausgekundschaftet. Eine Strategie, die für Jäger und Sammler früher überlebenswichtig sein konnte.

Auch andere Studien stützen die These des evolutionären Vorteils. Sie zeigten, dass der nomadische Lebensstil mit genetischen Mutationen verbunden ist, die bei ADHS eine Rolle spielen.

All das könnte möglicherweise erklären, warum ADHS heute so weit verbreitet ist. Mit dem Unterschied, dass Eigenschaften, die sich früher bei der Nahrungssuche bewährt haben, in unserer heutigen Gesellschaft nicht mehr ganz so vorteilhaft sind. Vor allem, wenn Ressourcen nicht mehr so begrenzt sind.

Vorfreude ist die schönste Freude

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Dopamin wird bei Menschen mit ADHS schneller abgebaut als bei Menschen ohne das Syndrom. Das ständige Streben nach dem wichtigen Botenstoff kann dazu führen, dass Personen mit ADHS ständig zwischen verschiedenen Aufgaben hin- und herpendeln, ohne eine so richtig abzuschließen.

Doch die Forschenden betonen auch die Notwendigkeit von weiteren Untersuchungen, weil die Aussagekraft der Studie begrenzt sei. Insbesondere deshalb, weil die ADHS-Symptome auf Selbsteinschätzungen der Probanden beruhten.

Im nächsten Schritt soll die Untersuchung mit diagnostizierten ADHS-Probanden durchgeführt werden. Zudem sollen reale Aufgaben zur Nahrungssuche gestellt werden, die mehr Anstrengungen erfordern als ein Onlinespiel. 

Quellen: 

Attention deficits linked with proclivity to explore while foraging, Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences, 2024

A qualitative and quantitative study of self-reported positive characteristics of individuals with ADHD, Frontiers in Psychiatry 13, 2022

Dopamine receptor genetic polymorphisms and body composition in undernourished pastoralists: An exploration of nutrition indices among nomadic and recently settled Ariaal men of northern Kenya, BMC Evolutionary Biology 8, 2008

Hannah Fuchs Multimedia-Reporterin und Redakteurin mit Fokus auf Technik, digitalen Themen und Psychologie.
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