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Fritz Keller soll den DFB wieder vereinen

15. August 2019

Fritz Keller, Präsident des SC Freiburg, soll neuer DFB-Präsident werden. Als Persönlichkeit ist der 62-Jährige auf den ersten Blick gut geeignet und könnte das Gesicht des erhofften Kulturwandels beim DFB werden.

Fritz Keller
Bild: picture-alliance/dpa/J. Woitas

"Als Menschenfreund, der gerne genießt und immer Freude hat, Menschen, insbesondere auch neue Menschen zu treffen", bezeichnete sich Fritz Keller vor kurzem in einem Interview mit einem Weinjournal selbst. An Gelegenheiten dafür dürfte es im Leben des 62-Jährigen nicht mangeln. Keller ist Winzer und Gastronom und steht seit 2010 als Präsident (bis 2014 offiziell erster Vorsitzender, Anm. d. Red.) an der Spitze des Bundesligisten SC Freiburg, wo er bei Heimspielen bevorzugt den Handshake und Plausch mit Trainer, Ehrengästen und Fans sucht, statt den Weg aus der Tiefgarage hinter die dicken Glasscheiben einer Loge und ohne Umweg wieder zurück zu nehmen. Keller verkörpert dabei ähnlich wie SC-Trainer Christian Streich einen Typus Mensch und eine Klub-Philosophie, die im Geschäft Profifußball vielerorts längst Geschichte sind. Nun soll er neuer DFB-Präsident werden. 

Gegenentwurf zu Grindel und Niersbach 

Wer Keller in Fernseh-Interviews zuhört, der erlebt einen Mann, der abseits vom Fußball über Dinge wie "Genuss", "Sonne", "Seele", "Rücksicht",  "den Menschen" und vom "Umgang miteinander" spricht. Wer ihn dabei beobachtet, sieht einen lebensfrohen Menschen, der über seine Sinne und sein Empfinden spricht, sich beim Thema Wein und Essen gestenreich ausdrückt und dabei Begeisterung und Leidenschaft versprüht. Zu sehen und hören ist einer, den man wahlweise als Genießer, Gourmet oder Lebemann bezeichnen kann - allerdings ein Lebemann, dem zur Schau gestellte Dekadenz so fremd ist, wie Cola als Begleiter zu einem guten Essen.

Wolfgang Niersbach: DFB-Präsident von 2012 - 2015Bild: Reuters/A. Wiegmann

Der in Freiburg geborene Unternehmer, dessen Patenonkel ein gewisser Fritz Walter war, wirkt dabei wie der krasse Gegenentwurf zum Funktionärs-Profi Wolfgang Niersbach, der die DFB-Karriereleiter mit akribischer Präzision vom Pressesprecher über Generalsekretär bis zum Präsidenten erklomm und in der Folge der Schmiergeldaffäre rund um die Vergabe der WM 2006 nach Deutschland zurücktreten musste. Und zu Niersbachs Nachfolger Reinhard Grindel, Bundestagsabgeordneter, Journalist und ehemaliger Leiter des ZDF-Hauptstadtstudios, der als Medienprofi ironischerweise auch wegen fehlender Transparenz, Kritikfähigkeit und Standfestigkeit im Umgang mit Medien und Öffentlichkeit im vergangenen April als DFB-Präsident zurücktreten musste. 

Fritz Keller transportiert Eigenschaften, die dem DFB in den letzten Jahren abhanden gekommen sind: Nahbarkeit, Charakterfestigkeit, Prinzipientreue. Aus dem Badener spricht eine authentische, kontrollierte Gelassenheit. Immer wieder betont der Winzer, wenn es um ihn, die Familie sein Unternehmen und seine Heimat am Kaiserstuhl geht, die Wichtigkeit von Zusammenarbeit und Gemeinschaft. Genauso die Notwendigkeit, wirtschaftliche und gesellschaftliche Interessen miteinander in Einklang zu bringen. 

Vom Sternerestaurant bis zum Discounter

"Der DFB-Präsident hat eine Verantwortung"

02:23

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Erfolg ist dem 62-Jährigen, dessen Restaurant "Schwarzer Adler" seit 50 Jahren durchgängig mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet ist, natürlich wichtig. Doch Verbissenheit, Eitelkeit, Machtausübung und Drahtzieherei gehören dabei scheinbar nicht zum Repertoire des Geschäftsmannes Fritz Keller. Als "Evolution statt Revolution" bezeichnet der Winzer in dritter Generation das Erfolgsrezept seines Familienunternehmens. Wirtschaftliche Weiterentwicklung ohne dabei Werte und Prinzipien, die das Fundament des Erfolges bilden, zu opfern - ein Leitbild, das einer neuen Führung im DFB gut zu Gesicht stehen würde.  

Um seine Rolle in dieser neuen DFB-Führung übernehmen zu können, müsste der mit seiner Heimat in Südbaden eng verbundene Keller sich aber auch von Dingen trennen, die ihm viel bedeuten. "Da die beiden Ämter nicht miteinander zu vereinbaren wären, werde ich im Falle einer erfolgreichen Wahl als DFB-Präsident mein Amt als Präsident des SC Freiburg schweren Herzens niederlegen", sagt der 62-Jährige in einer Pressemitteilung, des SC Freiburg.

Und zu dieser möglichen neuen Aufgabe, die von Keller bundesweites Wirken und Präsenz in den verschiedenen Landesverbänden, eventuell auch in Gremien von UEFA und FIFA erfordert, gibt es auch eine Parallele aus seinem Leben: Der Unternehmer konzentriert sich nicht mehr ausschließlich auf die Produktion seiner Spitzenweine, sondern ist maßgeblich an einer Zusammenarbeit von Winzern aus der Region beteiligt, die einen Wein von hoher Qualität mittlerweile in den Regalen einer bekannten deutschen Discounter-Kette unter dem Namen "Edition Fritz Keller" vertreiben. Der Winzer Fritz Keller hat sein Geschäft mit Kernbereich "Spitzengastronomie und -Wein" also erfolgreich evolutioniert ohne es dabei zu revolutionieren. Kann das auch beim DFB eine erfolgreiche Philosophie werden? 

Kellers Mission des Einens

Am 02. April 2019 trat Reinhard Grindel als DFB-Präsident zurückBild: Getty Images/Bongarts/A. Grimm

Neben der Verbandsarbeit ist dabei besonders wichtig, dem größten Sportverband der Welt nach den Amtszeiten von Niersbach und Grindel und den damit verbundenen Imageschäden Dinge zurückzubringen, die keine Marketing-Strategie oder Compliance-Regelung dieser Welt schaffen kann: Nähe, Authentizität, Glaubwürdigkeit und Teilhabe. Nach Jahren der Entfremdung des Profifußballs von Amateuren und Gesellschaft sind es Schlüsselwörter wie "Annäherung" und "Vereinigung", die das Anforderungsprofil an den zukünftigen DFB-Präsidenten prägen. "Fritz Keller ist [...] eine außergewöhnliche Persönlichkeit mit allen Qualitäten für das Amt des DFB-Präsidenten. [...] Er kann Menschen zusammenbringen, das gesamte Spektrum des deutschen Fußballs repräsentieren und insbesondere gleichermaßen für die Interessen des Profi- und des Amateurfußballs eintreten", wird Vizepräsident Rainer Koch, im DFB-Präsidium für die Amateurbelange zuständig, in der Mitteilung des Verbandes zitiert. 

Ein DFB-Präsident Fritz Keller wäre kein radikaler Ansatz. Keller ist kein Guru, der mit einer völlig unerwarteten Philosophie daherkommt. Er ist kein Revoluzzer, der einen Kulturwandel im DFB radikal und mit brachialen Methoden "durchsetzen" würde. Fritz Keller ist jemand, der die formalen Voraussetzungen für das Amt des DFB-Präsidenten genauso erfüllt, wie er das Potenzial als Gesicht einer neuen Kultur im größten Sportverband der Welt mitbringt. Keller würde für seine neue Funktion das heimische Umfeld gegen neues Terrain tauschen. Ob er seine Führungsphilosophie, seine kontrollierte Gelassenheit und ein nahbares Antlitz des DFB dauerhaft in die Otto-Fleck-Schneise in Frankfurt transportieren, den DFB also nachhaltig evolutionieren kann, wird sich wahrscheinlich bald zeigen. 

 

 

 

David Vorholt Redakteur, Reporter und Autor in der DW-Sportredaktion
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