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Ewald:"Gerst wird viele junge Menschen beeinflussen"

Hannah Fuchs30. Mai 2014

Reinhold Ewald war 1997 auf der russischen Raumstation MIR. Nun hat er Alexander Gersts Weg zum Astronauten begleitet, würde aber durchaus selbst gerne noch einmal ins Weltall fliegen, erzählt er im DW-Interview.

Raumfahrt UdSSR - Raumstation Saljut 7
Bild: picture-alliance/dpa

Deutsche Welle: 1,5 Kilogramm Gepäck durfte Alexander Gerst - wie auch Sie damals - mit ins All nehmen. Wie lange macht man sich vorher Gedanken darüber, was man mitnimmt?

Reinhold Ewald: Sehr lange! Besonders, wenn man Geburtstage von Crew-Kameraden im All feiern will. Ich vergleiche das immer gerne mit der Frage - welche drei Dinge würde man auf eine einsame Insel mitnehmen? Da überlegt man hin und her und letzten Endes ist es schon sehr schwer...

Wie sieht der typische Alltag im Weltraum aus?

Für einen langen Aufenthalt im Weltall - also für Flüge über sechs Monate - gibt es einen klaren Tagesablauf für alle Crewmitglieder. Er beginnt um sechs Uhr einer künstlichen Zeit, dann ist der Tag zwölf Stunden lang durchgeplant. Für jeden Tag gibt es ein spezielles Programm. Anschließend lassen wir die Crew in Ruhe. Die Mannschaft isst zusammen zu Abend und jeder erledigt persönliche Dinge. Heute können sie ja telefonieren, E-Mails schreiben - das ist dann die Abendgestaltung, die den Astronauten zugestanden wird.

Heute spielt die Kommunikation eine unvergleichlich größere Rolle als zu meiner Zeit! Für Twitter, E-Mails oder normale Telefonate ist jetzt extra Zeit eingeplant, denn gerade die Kommunikation über soziale Netzwerke ist ja auch gewünscht. Viele Vorhaben, die Alex im Gepäck hat, sind Demo-Experimente für junge Menschen, die sich dafür interessieren, wie das, was ich auf der Erde als selbstverständlich hinnehme, in der Schwerelosigkeit funktioniert. Alex wird das zeigen und kommentieren - und das kann man natürlich ideal über die modernen Medienkanäle verbreiten.

Was haben Sie als die schwierigste, alltägliche Sache an Bord empfunden?

Ach, die Probleme, die man am Anfang aufgrund der Schwerelosigkeit hat, legen sich eigentlich nach den ersten Tagen. Aber man hat erstaunlich lange ein Programm im Körper, das viel Kraft verwendet. Diese Kraft ist das erste, was man im Weltall rausnimmt. Man braucht sie in der Schwerelosigkeit nicht mehr. Wenn man sich daran einmal gewöhnt hat - und sich immer fest verankert - dann klappt das auch.

Was ist schwieriger: Die Anpassung an die Schwerelosigkeit oder sich nach der Rückkehr auf der Erde wieder an die Schwerkraft zu gewöhnen?

Es ist viel mühsamer, auf der Erde wieder mit der Schwerkraft klarzukommen. Man muss die Muskeln wieder aufbauen. Glücklicherweise hat das damals bei mir nicht ganz so lange gedauert. Nach etwa zwei Wochen hatte ich keine medizinischen Effekte der Schwerelosigkeit mehr.

Aber das Hochkommen ist natürlich neu und es ist ein großartiges Gefühl, wenn man seinen ersten Salto schlägt. Das Zurückkommen auf die Erde zeigt einem dann erst mal, wie sehr die Schwerkraft hier wirklich an uns zerrt.

Meinen Sie, dass wir die Schwerelosigkeit im Weltraum auch einmal in den Griff bekommen?

Die Schwerelosigkeit da oben ist ziemlich einmalig, weil es ein freier Fall ist. Man müsste schon enorm viel Energie aufwenden und eine hohe Geschwindigkeit gewinnen. So schnell wird es da wohl keine Erfindung geben, um einfach den Schalter umzulegen und im Weltraum Schwerkraft zu erzeugen.

Was sind die größten Herausforderungen in der Raumfahrt?

Die schwierigste Aufgabe ist der Transport. Die ersten 400 Kilometer sind ungemein schwierig - danach steht uns das Weltall auch mit unseren heutigen Triebwerken offen, so wie wir das wollen. Sich gegen die Erdschwere Richtung Orbit zu bewegen, ist eine sehr anspruchsvolle, technische Aufgabe. Daran wird intensiv geforscht.

Wenn sie noch einmal die Chance hätten - würden Sie noch mal hoch, zum Mars vielleicht?

Klar, ich würde noch mal hoch - ich gönne aber jetzt erst mal Alex diese Erfahrung! Weil diese erste Erfahrung eines Raumflugs so wichtig ist. Er wird damit so viele junge Menschen beeinflussen und ihnen vielleicht auch Lust auf naturwissenschaftliche Berufe machen.

Reinhold Ewald ist ein deutscher Physiker und Astronaut. 1997 nahm er an der zweiten deutsch-russischen Mission MIR '97 teil, bei der er als Wissenschaftskosmonaut drei Wochen auf der Raumstation MIR verbrachte. Dort war er für biomedizinische und materialwissenschaftliche Experimente sowie für Betriebstests zur Vorbereitung der Internationalen Raumstation verantwortlich. Heute ist Reinhold Ewald als Berater des Leiters des Kabinetts des ESA- Generaldirektors tätig mit Dienstsitz im ESA-Hauptquartier in Paris.

Das Interview führte Hannah Fuchs.

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