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Politik

Kein Ende des Krieges in Afghanistan

6. Oktober 2016

Robert Grenier war als CIA-Stationschef in Islamabad maßgeblich an der Planung der US-Invasion in Afghanistan 2001 beteiligt. Mit der DW sprach der EX-Agent über Fehler, Versäumnisse und Chancen am Hindukusch.

Am 07.10.2001 begann die Operation Enduring Freedom
Bild: picture-alliance/dpa

Deutsche Welle: Der Krieg in Afghanistan schleppt sich länger dahin als jeder andere in der US-Geschichte. Auch 15 Jahre nachdem die US-Bombardements begannen, scheint ein tragfähiger Friede weiter entfernt denn je. Das zeigte sich ja gerade erst beim Angriff der Taliban auf die Stadt Kundus.

Robert Grenier: Vor Beginn der Kampfhandlungen 2001 habe ich mit den Taliban verhandelt, um eine Lösung zu finden, die ihnen erlaubte, den Forderungen der USA nachzukommen. Schon damals hatte ich Sorgen, dass wir am Ende in einem langwierigen und im Grunde nicht zu gewinnenden Krieg stecken bleiben würden.

US-Autor Robert L. Grenier, Ex-CIA-Chef in IslamabadBild: Bob Cullen Photography

Als CIA-Stationschef in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad waren Sie nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 intensiv an der Vorbereitung der US-Invasion und auch an der Gestaltung der politischen Zukunft Afghanistans beteiligt. Dabei gab es auch Verhandlungen mit den Taliban, wie Sie eben angedeutet haben, speziell mit Mullah Osmani, der Nummer zwei der Taliban nach Mullah Omar. Gab es eine realistische Chance auf Auslieferung Osama bin Ladens und anderer Al-Kaida Führer durch die Taliban? Das hätte ja vermutlich den Krieg verhindert?

Ich hatte mit Mullah Osmani verhandelt. Bei unserem zweiten Treffen versuchte ich, ihn zu überzeugen, Mullah Omar zu stürzen und selbst die Macht zu ergreifen, um zu tun, was getan werden musste: Nämlich bin Laden und seine wichtigsten Anführer der Justiz auszuliefern und so die Taliban-Bewegung zu retten. Manche Leute sind der Meinung, man hätte eine Einigung erzielen können, wenn wir länger verhandelt hätten, wenn die Angriffe nicht so schnell begonnen hätten. Ich glaube das nicht. Mullah Omar hatte zu viel Kontrolle über seine Leute. Und es gab keinen Weg, Mullah Omar selbst dazu zu bewegen, bin Laden auszuliefern. Wir haben damals unternommen, was wir konnten, aber es hat nicht funktioniert. Und ich glaube, auch mit mehr Zeit und mehr Anstrengungen hätten wir keinen Erfolg gehabt. 

Wenn man Ihr Buch "88 Tage bis Kandahar" liest, bekommt man den Eindruck, die Entscheidungen der US-Administration in Washington seien stärker von Rivalitäten zwischen den verschiedenen Abteilungen der US-Regierung geprägt als von guter Beratung. Rückblickend: Wie konnte es dazu kommen, dass eine bedeutende Zahl von Afghanen die US- und NATO-Truppen eher als Besatzer erleben denn als Befreier?

Das ist eine lange und komplizierte Frage. Es war sehr frustrierend für uns vor Ort, dass die Leute, mit denen wir in unseren Hauptquartieren sowohl bei der CIA als auch im Pentagon zu tun hatten, wenig von Afghanistan oder von der Dynamik zwischen Al-Kaida und den Taliban verstanden. Die tendierten dazu, die Dinge sehr stark in den Kategorien von Schwarz und Weiß zu sehen. Ein Beispiel: Nach dem Fall von Kandahar im Dezember 2001 habe ich die Position vertreten, dass man zumindest einigen Elementen innerhalb der Taliban entgegenkommen sollte. Man hätte ihnen die Sicherheit geben können, dass es in Afghanistan auch für sie eine Zukunft gab, dass man sie nicht verfolgen würde. Damals gab es auf amerikanischer Seite keinerlei Interesse an so einem Vorgehen. Aus meiner Sicht haben wir eine wichtige Chance verpasst  und nicht geahnt, was für schwerwiegende Konsequenzen das am Ende haben würde.

Bewaffneter Kampf gegen die Taliban in Afghanistan 2001Bild: AP

Und je länger die US-Militärpräsenz in Afghanistan dauerte, desto mehr änderte sich die Wahrnehmung dieser Präsenz in Afghanistan, insbesondere nachdem die Truppenstärke in den Jahren 2009 und 2010 deutlich erhöht wurde. Ich glaube zwar, dass die internationalen Alliierten bei den meisten Afghanen willkommen waren. Aber die Verstärkung der Truppen auf zeitweise über 100.000 Soldaten hielt ich damals schon für unklug. Ich dachte, das würde möglicherweise mehr Probleme schaffen als lösen.

Man kann unmöglich über Afghanistan reden, ohne das Nachbarland Pakistan in den Blick zu nehmen. Das Land mit 180 Millionen Menschen besitzt Atomwaffen und ist heute deutlich instabiler als vor 15 Jahren.

Dem stimme ich zu. Allerdings sehe ich Pakistan nicht am Rande des Zusammenbruchs. Aber Pakistan ist in einen ernsten und lang andauernden Kampf gegen religiösen Extremismus in vielen seiner verschiedenen Formen verwickelt. Das ist Anlass zur Sorge. Ich denke, unsere Anstrengungen in Afghanistan haben Teile der pakistanischen Gesellschaft weiter radikalisiert. Das war eine unbeabsichtigte Folge unserer Politik in Afghanistan.

Was viele Menschen in Afghanistan und Pakistan von den USA entfremdet, sind die Drohnenangriffe. Jenseits aller juristischen Überlegungen zur Rechtmäßigkeit solcher Einsätze: Schaffen diese Drohnenangriffe und damit auch die Tötung unbeteiligter Zivilisten nicht mehr Terroristen als sie töten?

Das ist schwer zu sagen. Meiner Meinung nach hatten die US-Drohnenangriffe in Pakistan sicher die Wirkung, mehr Menschen zu radikalisieren, sie zu Angriffen auf das US-Militär sowie ihre eigene Regierung in Islamabad zu motivieren. Aber ich denke, dass da nur wenige andere Mittel für die Amerikaner zur Verfügung standen. Im Grunde war es eine von diesen Situationen, bei denen keiner gewinnen kann. Die USA und die NATO mussten alle erdenklichen Mittel ergreifen, um ihre Truppen in Afghanistan zu schützen, ungeachtet der Tatsache, dass dies negative Auswirkungen auf Pakistan haben würde.

Terrorchef Osama bin LadenBild: picture-alliance/dpa

Wenn wir nach vorne schauen: Sehen Sie eine Möglichkeit, den Vormarsch der Taliban zu stoppen und eine friedliche Zukunft zu gestalten?

Es gibt aus meiner Sicht keine kurzfristigen Handlungen, um für Frieden in Afghanistan zu sorgen. Die internationale Gemeinschaft hat meiner Meinung nach durchaus die Möglichkeiten, genug Unterstützung für die afghanische Regierung zu mobilisieren, um den größten Teil des Landes davor zu bewahren, von den Taliban überrannt zu werden.

Dennoch wird es Teile des Landes geben, speziell im Süden und im Osten, wo die Taliban offensichtlich ihre Kontrolle ausweiten konnten. Die afghanischen Streitkräfte sind jetzt mit Sicherheit nicht in der Lage, die Taliban zu besiegen, und werden es in absehbarer Zeit auch nicht können. Deshalb werden wir eine Pattsituation erleben. Wenn alle Seiten von diesem Patt ermüdet sind, wird es eine Form politischer Übereinkunft geben müssen. Angesichts der Reduzierung internationaler Truppen, angesichts der Tatsache, dass sich die USA nicht mehr so in Afghanistan engagieren werden wie vor einigen Jahren, wird es an den Afghanen selbst liegen, die Sache in die Hand zu nehmen. Unglücklicherweise bedeutet das für die Zukunft weiteres Leid und weitere Gewalt.

Robert L. Grenier war von 1999 bis 2002 CIA-Stationschef im pakistanischen Islamabad und später Direktor des CIA Counter Terrorism Center. Die turbulente Zeit nach den Anschlägen vom 11. September 2001 und die Vorbereitungen sowie die Durchführung der US-Invasion in Afghanistan beschrieb Grenier in seinem 2015 erschienenen Buch "88 Days To Kandahar".

Die Fragen stellte Matthias von Hein.

 

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